Bei Libera Roosa Koskelo ist eine gute Regeneration ganz besonders wichtig: Die Finnin ist die einzige Spielerin bei Allianz MTV Stuttgart, für die es keinen (nahezu) gleichwertigen Ersatz gibt – in unserer Bildergalerie finden Sie den aktuellen Kader des Bundesliga-Tabellenführers. Foto: Baumann

Der Bundesligist vor dem Doppelpack im Pokal: Es kommt angesichts des engen Terminplans nicht nur auf Talent, Technik und Taktik an – ein enorm wichtiger Faktor für den Erfolg ist auch die Belastungssteuerung.

Stuttgart - Obwohl sich mehrere Spielerinnen Mitte Oktober mit dem Coronavirus infiziert haben, ist Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart positiv in die Saison gestartet: In fünf Spielen gab es fünf Siege bei 15:1 Sätzen. Und doch wissen alle, dass noch nichts gewonnen ist. Richtig spannend wird es in dieser Woche, am Mittwoch und Donnerstag steht der erste Titel(-verlust) auf dem Spiel. Weshalb Coach Giannis Athanasopoulos vor dem Pokal-Doppelpack aus Viertel- und Halbfinale gegen SW Erfurt und vermutlich den SC Potsdam sagt: „Unser Ziel war es, an diesem Termin in Bestform zu sein.“ Dafür wurde viel getan.

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Der Meister von 2019 hat einen Kader zusammengestellt, der über enorme individuelle Qualitäten verfügt. Wohlwissend, dass es in der Corona-Saison mit ihrem eng getakteten Terminplan aber nicht nur auf Talent, Technik, Taktik und Teamgeist ankommen wird, sondern auch auf die Physis, wurde in der Vorbereitung noch intensiver als sonst an der Grundlagenausdauer und der volleyballspezifischen Fitness gearbeitet. Und um davon möglichst lange zu profitieren, wird bei Allianz MTV Stuttgart auf einen weiteren Parameter höchster Wert gelegt. „Die Regeneration ist ein enorm wichtiger Faktor, wenn es um die Leistungsfähigkeit geht“, sagt Mario Weise, „wer in diesem Bereich nicht aufpasst, kann sehr schnell bestraft werden.“

Es kommt auf die richtige Dosis an

Mario Weise ist Athletiktrainer, im Hauptberuf beim Württembergischen Tennisbund, nebenbei gemeinsam mit Simon Kern bei Allianz MTV Stuttgart. Bei allen Einheiten, in denen die Volleyballerinnen ihre Physis trainieren, ist zumindest einer der beiden vor Ort. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Spielerinnen fit zu machen. Und zusammen mit Physiotherapeutin Kathrin Neumaier darauf zu achten, dass sie fit bleiben. „Die richtige Trainingssteuerung ist entscheidend“, sagt Chefcoach Giannis Athanasopoulos, „auf keinen Fall dürfen wir eine müde Spielerin zu sehr pushen.“ Auf die richtige Dosis kommt es an – ohne dass es dafür ein Patentrezept gibt.

Natürlich benötigen Libera Roosa Koskelo (29), die Einzige im Kader ohne nahezu gleichwertigen Ersatz, oder Zuspielerin Athina Papafotiou (31) längere Regenerationszeiten als zehn Jahre jüngere Kolleginnen. Und auch die Corona-Infektionen haben sich bei den Betroffenen höchst unterschiedlich ausgewirkt. „Logischerweise kommt keine zu mir und sagt, sie sei müde, dafür ist der Konkurrenzkampf bei uns zu groß“, sagt Athanasopoulos, „deshalb ist es sehr wichtig, als Trainer ein gutes Gespür für seine Spielerinnen zu entwickeln und ihnen zu vertrauen. Optimal wäre es, ihnen ansehen oder fühlen zu können, wie sehr sie belastbar sind. Daran arbeite ich.“ Ohne dabei auf ein bewährtes System zu verzichten.

Zahlen lügen nicht – auch wenn es um Belastbarkeit geht

Nach dem Aufwachen müssen die MTV-Volleyballerinnen an jedem Morgen (außer an freien Tagen) einen Fragebogen ausfüllen. Mit Ziffern zwischen eins und zehn beurteilen sie ihre Schlafqualität, die Schlafdauer, den Stressfaktor, ihren Erschöpfungszustand, Muskelschmerzen und ihre allgemeine Laune. Und auch darüber, wie sie die Belastung im Training empfinden und wegstecken, geben sie regelmäßig Auskunft. „Zahlen lügen nicht“, sagt Athletiktrainer Mario Weise, „so gewinnen wir einen Längsschnitt über die ganze Saison und können die subjektiven Empfindungen der Spielerinnen ins Verhältnis zur tatsächlichen Trainingszeit und zu unseren Eindrücken setzen. Die Belastungssteuerung ist ein entscheidendes Element für alle, die erfolgreich sein wollen.“

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Zugleich haben sich die Verantwortlichen darüber Gedanken gemacht, was den gestressten Spielerinnen bei der Erholung helfen könnte. So bauen sie spezielle Yogaübungen ins Training ein, außerdem wurde eine Kompressionshose angeschafft. „Sie soll die Blutzirkulation erhöhen“, erklärt Weise, „und dadurch zu einer schnelleren Regeneration beitragen.“

Es sind keine völlig außergewöhnlichen Maßnahmen, aber doch solche, die zeigen, welche Ansprüche Allianz MTV Stuttgart an sich selbst hat. „Die Spielerinnen können nur effektiv trainieren, wenn sie gut regenerieren“, sagt Sportdirektorin Kim Renkema, „wir wissen, wie wichtig solche Faktoren sind. Deshalb versuchen wir, auch in diesem Bereich Bundesliga-Spitze zu sein.“

Denn klar ist: Nur wer es schafft, in der Corona-Saison die Herausforderungen des engen Terminplans zu meistern, kann am Ende Titel gewinnen. Den nächsten Stresstest für Allianz MTV Stuttgart gibt es schon in dieser Woche. Beim Doppelpack im Pokal.