Schlange stehen bevor es ins Klassenzimmer geht. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Viertklässler in Baden-Württemberg dürfen seit Montag wieder zur Schule. Wie läuft der erste Tag und wie geht es weiter? In der Lerchenrainschule in Stuttgart-Süd steht schon der Plan für die kommenden Wochen.

Stuttgart - Montagmorgen vor der Lerchenrainschule in Stuttgart-Süd: Lange Zeit war es hier wegen der Coronavirus-Pandemie still. Nun haben die Tore der Grundschule wieder geöffnet. Zumindest für die Viertklässler. Still ist es, abgesehen vom nahe gelegenen Baustellenlärm, trotzdem. Dort, wo sich normalerweise Kinder dicht gedrängt die Schultreppen hoch schlängeln würden, laufen am Montag nur wenige Schüler meist einzeln, manchmal in kleineren Gruppen zum Hauptgebäude.

Schilder dirigieren sie je nach Klasse zu einem der zwei Eingänge. Denn die Lerchenrainschule ist trotz eines zusammenhängenden Gebäudes in der Mitte getrennt. Klasse A der Jahrgangsstufe vier belegt eine Hälfte, Klasse B wird in der anderen Hälfte unterrichtet. „Wir haben Glück, dass wir so ein großes Gebäude haben“, sagt Sabrina Rogall, Rektorin der Schule. „Damit fällt uns das Abstand halten leicht.“

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Die zwei vierten Klassen bestehen normalerweise aus je 17 bis 22 Schülern, sagt Rogall. Jetzt habe man die Klassen halbiert. Zwei Gruppen werden einschließlich Pause drei Stunden unterrichtet, verlassen die Schule und machen Platz für die nächste Hälfte. Insgesamt sind in dem Schulgebäude somit stets nur 20 Kinder plus Lehrende vor Ort.

Motivierte Lehrende, vorsichtige Kinder

Vor einem der Eingänge wartet bereits Lehrerin Anna Lena Lutz. Sie platziert ihre zehn Schüler mit Abstand voneinander in rechteckiger Form. Jedes Kind bekommt eine Nummer, dann geht es ins Schulgebäude. „Wie ein trauriger Entenmarsch“, sagt die 29-jährige Lutz und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Die Stimmung der Kinder wiederum lässt sich wohl am besten mit vorsichtiger Zurückhaltung beschreiben. „Am Anfang überwiegt natürlich eher die Sorge und die Angst“, meint Rektorin Rogall. „Nächste Woche wird es eher spannend, ob die Kinder die Abstände noch so einhalten werden. Dann hat man sich ja an die Situation gewöhnt.“

Markierungen auf dem Boden des Schulgebäudes lotsen die Kinder zum Klassenraum, zur Toilette und zu anderen wichtigen Zimmern. Rechts geht’s hoch, Links geht’s runter. Rote Warnschilder mahnen „Langsam“ oder „Kein Sitzplatz“. Und die Kinder halten sich daran? „Ihnen ist klar, dass sie nicht gemeinsam spielen können“, sagt Lehrerin Lutz. Den meisten reiche es aber auch, sich nach so langer Zeit wiederzusehen. „Das ist schon rührend mitzuerleben“, meint Lutz. Die allgemeine Stimmung schlage sich auch in den zu bearbeitenden Aufgaben nieder. Viele Geschichten der Kinder seien von der derzeitigen Situation geprägt.

Auf einmal ist der Unterricht „sehr cool“

Auf dem Plan stehen drei Fächer: Deutsch, Mathe und Sachunterricht. Andere Unterrichtsstunden, wie Musik oder Kunst, müssen hinten anstehen. „Das heißt aber natürlich nicht, dass diese Dinge vollkommen wegfallen“, sagt Rogall. Die Lehrenden würden versuchen, auch die Nebenfächer in den Unterricht einzubauen. Jetzt gehe es aber vor allem darum, die Hauptlernziele zu erreichen.

Nele ist eine von den Kindern, die diese Hauptlernziele noch erreichen sollen. Sie ist 10 Jahre alt und besucht eine vierte Klasse der Lerchenrainschule. Was sagt sie zu den Veränderungen?

„Ich habe mich sehr gefreut, dass es wieder los geht. Wenn ich morgens normalerweise aufwache und zur Schule muss, denke ich mir: Nee, kein Bock darauf.“ Jetzt, da sie länger nicht mehr in der Schule war, sei der Unterricht aber „sehr cool“. Zuhause hätten ihre Eltern viel telefonieren müssen und bei Fragen zum Unterrichtsstoff nicht immer eine Antwort gewusst. Im normalen Unterricht laufe das besser.

Von Kooperation zum Frontalunterricht

„Was sich am meisten geändert hat, ist das digitale Arbeiten“, sagt die 29-jährige Lutz: Telefonkonferenzen, Videoschalten und den Kindern Lerninhalte über so eine weite Entfernung beizubringen. Während die einen Schüler wieder zur Schule dürfen, bleibt es bei den anderen Klassen bei Fernunterricht. In fünf Wochen soll das Konzept im Wechsel mit den anderen Klassen ausgeweitet werden. Im Gebäude würden sich aber auch dann nur 20 Kinder befinden, sagt Rogall.

Für Lehrerin Anna Lena Lutz bedeutet die jetzige Unterrichtsform eine harte Umstellung. „Ich wurde dazu ausgebildet, mit den Kindern kooperativ und in Gruppen zu lernen. Jetzt haben wir extremen Frontalunterricht“, sagt sie. Zu ändern sei das aber leider nicht. „Eine große Liste der Dinge, die ich normalerweise mit den Kindern spiele, musste ich rausstreichen.“

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Schullandheim oder das Sonnenblumenfest zum Abschied der Viertklässler seien außerdem gestrichen, erzählt Rektorin Sabrina Rogall. Die Lehrenden würden jedoch versuchen, eine andersartige Abschiedsfeier zu organisieren, zum Beispiel im Videoformat. „Was ich mir wünschen würde ist, dass sich die Kinder noch einmal als Klasse begegnen und wir sie ins Leben verabschieden können“, sagt Rogall. Wie wahrscheinlich das ist, wird der Verlauf der Pandemie in den kommenden Monaten zeigen.