Auch bei den Spielen des Oberligisten Stuttgarter Kickers ist Polizeipräsenz gegeben – hier beim Aufstiegsspiel am 14. Juni in Trier. Foto: Imago/l/Robin Rudel

Die Landesregierung will an diesem Dienstag eine Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten bei Großeinsätzen wie Fußballspielen auf den Weg bringen. Wir haben uns bei den Stuttgarter Fan-Projekt-Vertretern von VfB und Kickers umgehört.

Can Mustafa arbeitet für das VfB-Fan-Projekt. Der Sozialpädagoge hat rund um das Fußball-Bundesligaspiel des VfB Stuttgart gegen den VfL Bochum am 15. Oktober selbst den Huf eines Polizeipferdes am Knöchel abbekommen, sich einen Muskelfaserriss zugezogen und musste sich krank schreiben lassen. Dennoch kann er bei der kontrovers geführten Diskussion in Sachen möglicher Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten beide Seiten verstehen. „Ich respektiere, dass die Beamten einen schwierigen Job haben. Keiner ist gefeit vor Fehlern. Und prinzipiell würden sie sich durch eine Kennzeichnungspflicht mehr vor ihrem eigenen Handeln fürchten, unsicherer agieren“, sagt Mustafa, „andererseits erwarte ich ein sachliches Auftreten, und eine Kennzeichnungspflicht würde bei überzogenen und unverhältnismäßigen Fehlhandlungen einzelner einfach die Chance erhöhen, dem nachgehen zu können. Der Bürger muss das Recht haben, sich wehren zu können.“

Heikles Thema

Es ist ein heikles Thema. Die grün-schwarze Landesregierung will an diesem Dienstag eine Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten bei Großeinsätzen wie Fußballspielen und Demonstrationen auf den Weg bringen. Mit dem Gesetzentwurf sollen Ermittlungen gegen Beamtinnen und Beamten nach solchen Einsätzen erleichtert werden. Betroffen sind laut Innenministerium aber nur 1640 Einsatzkräfte von den mehr als 29 000 Beamten im Land.

Die anonymisierte Kennzeichnung soll das Vertrauen zwischen Bürgerschaft und Polizei weiter stärken – so haben es Grüne und CDU in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Bei großen Einsätzen sollen Polizistinnen und Polizisten so künftig durch einen fünfstelligen Code auf der Uniform nachträglich identifiziert werden können. Wegen ihrer Ausrüstung wären sie sonst nicht erkennbar.

Polizeigewerkschaften lehnen Kennzeichung ab

Die beiden großen Polizeigewerkschaften lehnen die Kennzeichnung ab. Die geplante Kennzeichnungspflicht werten sie als Misstrauensvotum gegen die Polizei. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei sei bereits jetzt sehr groß. Zudem seien Einsatzgruppen bereits gekennzeichnet, das sei ausreichend. Gruppen von sieben bis acht Polizistinnen und Polizisten werden bei Einsätzen mit den gleichen Ziffern und Buchstaben auf Rücken und Helm gekennzeichnet. Beide Gewerkschaften befürchten, dass Polizistinnen und Polizisten durch die individuelle Kennzeichnung selbst zum Ziel von Angriffen werden könnten.

„Zündschnur kürzer geworden“

Daniel Metz vom Fan-Projekt der Stuttgarter Kickers sieht in der Landeshauptstadt derzeit grundsätzlich gewisse Probleme zwischen Polizei und Fans: „Die Zündschnur ist seit Corona eindeutig kürzer geworden“, sagt Metz. Er würde die Kennzeichnungspflicht begrüßen. „Wenn ich einen Beamten, der ein Fehlverhalten an den Tag legt, gezielt identifizieren kann, ist die Chance, dass die Anzeige Erfolg hat, natürlich weitaus größer.“

Bleibt die Frage, ob der fünfstellige Code im Falle einer Eskalation, in der Hektik, überhaupt aufgenommen werden kann. „Und es stellt sich die Frage, ob ein Polizist ein Foto oder eine Videoaufnahme überhaupt zulässt“, fragt sich Mustafa. Für ihn kann die Kennzeichnungspflicht nur ein erster Schritt sein: „Ich wünsche mir eine unabhängige Behörde, die die Polizei bei diesem sensiblen Thema kritisch begleitet und beobachtet. Die Polizei wird als das Nonplusultra angesehen, und oft werden die Polizeiberichte einfach eins zu eins übernommen.“