Der absolute Tiefpunkt in der Partie gegen Leverkusen: Patrik Schick (re.) trifft zum 4:3 – VfB-Torwart Alexander Nübel sowie die Verteidiger Jeff Chabot (li.) und Ramon Hendriks können nur zuschauen. Foto: //Robin Rudel

43 Gegentore hat der VfB bislang hinnehmen müssen – nur fünf Teams in der Bundesliga sind in ihrer Defensivleistung schlechter. Dabei betreffen die Probleme nicht nur die Viererkette der Stuttgarter.

Immerhin drei Tore hat der VfB Stuttgart gegen den Meister geschossen – und stellte dabei mit Nick Woltemade und Ermedin Demirovic auch zwei Stürmer und zwei Torschützen, die für reichlich Spektakel im Strafraum der Werkself und daher lange Zeit für gute Laune beim Cannstatter Anhang sorgten. Es war also längst nicht alles schlecht aus Stuttgarter Sicht beim 3:4 gegen Bayer Leverkusen, das allerdings aufgrund seiner Fähigkeit, die Partien in der Schlussphase – gerade gegen den VfB – zu entscheiden, inzwischen den Beinamen „Laterkusen“ trägt.

Die beiden entscheidenden, späten Niederschläge durch das Eigentor von Angelo Stiller 3:3 (88.) und das 3:4 durch Patrik Schick (90. +4.) konnte die Elf von Trainer Xabi Alonso („Ich mag die spektakuläre Art, wie die Stuttgarter spielen“) dem VfB allerdings nur versetzen, weil der Vizemeister bereits seit Beginn der Runde Probleme in der Abwehrarbeit sowie in der Rückwärtsbewegung besitzt, die aktuell nicht kleiner, sondern größer werden.

„Es gibt so Phasen in der Saison, wo der Ball dem Gegner vor die Füße fällt“, sagte Sebastian Hoeneß zwar. Doch auch der Trainer weiß, dass die Gründe für die Defensivprobleme seiner Mannschaft tiefer liegen. Inzwischen hat der VfB in Summe 43 Gegentore hinnehmen müssen, nur fünf Teams, darunter die Kellerkinder aus Bochum, Kiel und Heidenheim, sind in der Liga schlechter.

Schuld daran ist zunächst, dass sich ganz hinten in der Viererkette über die Saison hinweg nie eine Stammformation eingespielt hat – was wiederum zwei Ursachen hat: eine strukturelle und eine dem dichten Terminkalender geschuldete. So brach Hoeneß durch den unerwarteten Abgang des Kapitäns Waldemar Anton und die erneute Verletzung des Innenverteidigers Dan-Axel Zagadou die ursprünglich geplante 1a-Variante im Abwehrzentrum weg.

Verletzungen, Krankheiten und Formschwankungen

Danach sorgten Ausfälle durch Verletzungen und Krankheiten wie die von Ameen Al-Dakhil, Gelbsperren oder Formschwankungen wie die von Anrie Chase für einen steten Wandel in der Stuttgarter Hintermannschaft. Es folgten in der Winterpause der Abgang des Vielspielers Anthony Rouault zu Stade Rennes sowie die Verpflichtung der Youngster Finn Jeltsch und Luca Jaquez – womit der Wandel hinten drin beim VfB in dieser Runde der ständige Begleiter bleibt.

Nach sechs Wochen Pause gleich wieder in der Startelf: Ameen Al-Dakhil (rechts). /imago/Volker Müller

So begann gegen Leverkusen mit Finn Jeltsch ein eigentlich als Innenverteidiger verpflichteter Youngster hinten rechts, während dem zuvor sechs Wochen pausierenden Ameen Al-Dakhil gleich bei seinem Comeback die Rolle des Abwehrchefs zufiel. An seiner Seite agierte im Zentrum mit Linksfuß Ramon Hendriks ein VfB-Profi, der eigentlich als Back-up für Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt und nicht zwingend als Stammkraft vorgesehen war.

Im Tor rundete Alexander Nübel den unglücklichen Auftritt des Abwehrverbundes ab; denn Flachschüsse wie den von Jeremie Frimpong zum 1:2 darf ein Nationaltorhüter auch halten.

Doch die vielen Gegentore sind nicht allein die Schuld der Abwehr. Die ganze Mannschaft ist beim Verteidigen gefragt, wobei gegen Leverkusen die alten Mängel ebenfalls zutage traten. Schließlich macht der VfB schon länger im hinteren Spieldrittel zu viele entscheidende Fehler: Vor dem 1:2 durch Jeremie Frimpong stocherte Karazor den Ball unkontrolliert nach vorne. Beim 3:3 lenkte Stiller das Spielgerät ins eigene Tor – dazu kamen diverse unnötige Ballverluste und Fehlpässe im defensiven Mittelfeld.

„Wir hatten in einigen Szenen auch Pech“, sagte der VfB-Sportvorstand Fabian Wohlgemuth zu den unglücklichen Situationen dicht vor dem eigenen Tor zwar. „Aber das darf für uns kein Alibi sein.“

Schließlich gelang es dem Duo Stiller und Karazor nicht, in der entscheidenden Spielphase mit entlastenden Aktionen für Ruhe zu sorgen. Ohnehin sind die die beiden defensiven Mittelfeldspieler Atakan Karazor und Angelo Stiller derzeit weit von ihrer überragenden Form der Vorsaison entfernt. In Summe dürfte der Trainer Hoeneß also auf viele Ursachen stoßen, wenn er in der Länderspielpause wie angekündigt bei den Problemen „tiefer graben“ wird.