Die Grau-Dynastie: Nach Doris und Otto jun. (oben) führt Christiane Grau den Grabkapellenbetrieb fort. Foto:  

Seit 70 Jahren ist die Familie Grau mit der Grabkapelle auf dem Württemberg verbunden. In dritter Generation verwalten sie das Mausoleum und organisieren den Betrieb rund um die Sehenswürdigkeit.

Rotenberg - S eit sieben Jahrzehnten leben und arbeiten die Mitglieder der Familie Grau für die Grabkapelle auf dem Württemberg: 1950 übernahm Großvater Otto Grau die Stelle als Kapellenverwalter – und heute ist es seine Enkelin Christiane Grau, die als Grabkapellenverwalterin den Betrieb auf dem Württemberg betreut. Der Geburtstag von Otto Grau – er wurde am 19. April 1911 geboren – ist Anlass, die Familiengeschichte Revue passieren zu lassen. Christiane Grau erzählt: „Mein Opa war ursprünglich Landschaftsgärtner bei der Wilhelma und wohnte zu der Zeit mit seiner Familie in Gerlingen.“ 1950 übernahm er die Verwaltung auf dem Württemberg – die Chancen standen damals genauso gut für Schloss Solitude: „Das hätte den Großvater auch als Arbeitsplatz interessiert, dann wurde er aber auf der Kapelle gebraucht.“ Nach dem Tod von Otto Grau im Jahr 1968 übernahm sein Schwiegersohn Heinrich Göttinger die Aufgabe – und verließ dafür seinen bisherigen Arbeitgeber Daimler-Benz. „Kindern schenkte er gerne Eukalyptusbonbons“, erinnert sich Christiane Grau. Als er 1993 in Rente ging, gab es Überlegungen, die Grabkapelle zu schließen. Der Protest der Bevölkerung war enorm – davon zeugen viele Artikel unserer Zeitung im Grau’schen Familienarchiv. Das Land entschied sich, die Kapelle weiter der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – mit eingeschränkten Öffnungszeiten.

Doris Grau, Otto Graus Schwiegertochter, folgte Göttinger 1994 als Verwalterin. Im Priesterhaus wohnt sie mit ihrem Mann schon seit 1974. Doris Grau sorgte im Auftrag der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg für neue Besucherangebote: Sonderführungen zur Geschichte des Monuments wurden Teil des Programms. Um Kindern und Familien das Monument näherzubringen, erfand sie die Kapellenmaus Amalie, entwickelte ein Buch und brachte mit Veranstaltungen und weiteren hochwertigen Angeboten Leben auf den Württemberg. In den fast zwei Jahrzehnten als Verwalterehepaar erlebten Otto und Doris Grau Sturm Lothar, bei dem ein Baum auf das Verwaltergebäude stürzte, die Sanierung der Grabkapelle und des Priesterhauses, die Zerstörung der Opferschalen, Tausende Touristen und Prominenz: natürlich die Nachfahren der Könige von Württemberg aber auch den Besuch von König Olaf von Norwegen.

2010 wurde Doris Grau in den Ruhestand verabschiedet, bietet aber weiterhin Führungen an. Ihre Tochter Christiane übernahm die Familienaufgabe Grabkapelle nach einer Interimszeit von fast fünf Jahren. Ihre eigene Biografie ist untrennbar mit der Grabkapelle verwoben: Sie ist im historischen Verwalterhaus aufgewachsen. Inzwischen wohnt sie nicht mehr dort, aber nach wie vor in Rotenberg. Sie hat Germanistik und Anglistik studiert, Buchhändlerin gelernt und gibt dem Programm seit 2015 viele neue Akzente. Für sie ist es wichtig, dass die Verbundenheit der Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft zum Tragen kommt: Vereine und Institutionen engagieren sich an der Grabkapelle, Kindergärten und Kirchengemeinden betreiben an Herbstwochenenden den Kuchenverkauf, die Chöre aus der Umgebung treten in der Kapelle auf. Jüngere Menschen nehmen begeistert die musikalischen „Abende auf den Stufen“ wahr.

Inzwischen zeigt sich auch eine Urenkelin von Otto Grau regelmäßig an der Grabkapelle: Christiane Graus kleine Tochter Lotte assistiert gerne bei Führungen ihrer Oma Doris und überzeugt mit Fachwissen. „Als der Geburtstag von Opa Otto Grau näherkam, fiel uns auf, dass wir seit sieben Jahrzehnten mit der Grabkapelle leben“, sagt Christiane Grau. „Ein Anlass zum Freuen und um stolz zu sein.“ Dem pflichtet Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, bei: „Diese einzigartige Kontinuität der Familie Grau auf der Grabkapelle ist ein großer Schatz und für das Wissen und die Tradition als Grundlage unserer Arbeit von großer Bedeutung.“

Die Grabkapelle auf dem Württemberg wurde von König Wilhelm I. als ewiger Liebesbeweis für seine Gattin Katharina erbaut. Das Baudenkmal gilt vielen Liebenden als romantischster Ort des Landes – mit einem herrlichen Blick über Stuttgart. In diesem Jahr wird der 200. Jahrestag der Grundsteinlegung gefeiert, aktuell allerdings ist die Grabkapelle wegen der Corona-Epidemie geschlossen.