Auktionator Ferdinand B. Eppli leitet die Versteigerung. Der Andrang im Stuttgarter Flughafen ist groß. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums wurden am Stuttgarter Flughafen 100 Koffer für den guten Zweck versteigert. Fast 1600 Interessierte kamen und hofften auf einen Glücksgriff.

Wer viel reist, kann viele Geschichten erzählen. Mindestens genauso viele Geschichten erzählen kann vermutlich unser Gepäck. Vor allem, wenn es nicht am geplanten Ankunftsort ankommt, sondern auf der Suche nach dem richtigen Besitzer durch die Welt geschickt wird.

Solche Koffer konnten am Sonntag am Stuttgarter Flughafen ersteigert werden. Denn dort bleiben jährlich bis zu 200 Gepäckstücke liegen und werden von ihren Besitzern nicht abgeholt. Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Flughafens kamen deshalb 100 Koffer unter den Hammer.

360 Euro? Ein Schnäppchen

Aber wer kauft einen Koffer, bei dem er nicht weiß, was drin ist? Familie Wenzel aus Gärtringen zum Beispiel. „Eigentlich haben wir uns ganz spontan hier angemeldet und dachten, wir schauen uns das einfach mal an“, erzählt Murat Wenzel. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir überhaupt einen Koffer ergattern können.“ 360 Euro hat die Familie für den Koffer bezahlt, ein echtes Schnäppchen. Im Schnitt fiel der Hammer erst bei 500 Euro, der teuerste lag bei 640 Euro. „Ich finde, das hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn das Geld ist ja für den guten Zweck“, sagt der neue Besitzer Murat Wenzel. Gespendet wird der Erlös der vom Auktionshaus Eppli geleiteten Versteigerung an zwei sozial engagierte Vereine im Umkreis des Flughafens: an Frauen helfen Frauen Filder und an die Fildertafel.

In einem Koffer sind Kinderkleider

Aber was ist denn nun im Koffer drin? „Koalaschuhe, juhu“, ruft Tochter Evin entzückt. „Und Unterhosen“, fügt Papa Murat lachend hinzu. „Der Koffer gehörte vermutlich einem Kind“, stellt Mama Cigdem fest. Neben den kuscheligen Hausschuhen finden sich Kinderkleidung, Winterschuhe, Zahnpasta und eine elektrische Zahnbürste. „Zum Glück haben wir Kinder, die können das vielleicht gebrauchen“, sagt Murat Wenzel. Doch neben den Alltagsgegenständen versteckt sich noch etwas: ein goldener Umschlag. Den schnappt sich direkt Mama Cigdem: „Oh, ein Reisegutschein über 30 Euro, den können wir sicher gebrauchen.“

In den Koffer warten Überraschungen. Foto: lg/Leif Piechowsk/i

Insgesamt ist die Familie zufrieden mit ihrem Koffer: „Es ist echt cool, dass wir überhaupt einen bekommen haben und dann noch mit einem Reisegutschein, wir sind happy“, sagt Murat Wenzel.

Jährlich landen oder starten fast neun Millionen Menschen am Stuttgarter Flughafen, von denen fast alle ihr Gepäck mit nach Hause nehmen. Bleiben Koffer aber doch mal liegen, landen sie bei den Lost&Found-Dienstleistern der jeweiligen Airlines. „Sie werden von außen und innen auf Hinweise auf den Besitzer abgesucht und dann in einem internationalen System registriert.“

Das erklärt Beate Schleicher, Pressesprecherin des Stuttgarter Flughafen.

In diesem System können Reisende ihre verlorenen Koffer suchen und finden. Ist das nach 6 Monaten nicht passiert, gehen die Koffer an das Stuttgarter Fundbüro. Außer es gibt eine Versteigerung. „Vor Corona hatten wir jedes Jahr eine Versteigerung. Jetzt freuen wir uns sehr, dass wir dieses Jahr sogar 100 Stück für den guten Zweck versteigern können“, sagt Beate Schleicher. Bevor die Koffer unter den Hammer kommen, werden sie vom Zoll untersucht. Und das nicht nur von Menschen, sondern auch von Hunden.

Bargeld und ein Päckchen mit weißem Pulver

Das Zollamt am Flughafen hat aktuell sieben Spürhunde im Einsatz, die neben Drogen auch Bargeld erschnuppern. Dieses Können durften die Hunde vor der Versteigerung beweisen und spürten innerhalb weniger Sekunden eine größere Menge an Bargeld und ein Päckchen mit weißem Pulver auf, das vorher vom Zoll in den Koffern versteckt worden war.

Bargeld oder Rauschmittel sollten also in keinem der ersteigerten Koffer zu finden sein. Kleider schon eher. Ein kleiner schwarzer Koffer wurde für 500 Euro versteigert. Der stolze neue Besitzer stellt direkt beim Öffnen fest: „Oh, da war wohl jemand auf Malle.“ Sommerklamotten, Schlappen und ein witziger Hut kommen zum Vorschein. Der neue Besitzer nimmt es gelassen: „Man weiß eben nie, was man bekommt.“ Dieser Nervenkitzel ist vermutlich der Hauptgrund, der fast 1600 Bietende an diesem Sonntag zum Flughafen strömen ließ. Zurück reisten sie dann vielleicht mit einem Schatz im Gepäck.