Betreuungslücke: Der Hebammenmangel ist seit Jahren ein Problem. Foto: dpa/Holger Hollemann

Nach wie vor finden viele Familien keine Hebamme. Im Jahr 2021 waren in Stuttgart 949 Frauen nach der Geburt noch unversorgt, das sind 14 Prozent. Die Einrichtung einer Koordinierungsstelle hat das Problem etwas gelindert, aber nicht gelöst.

Die Vorfreude auf die Geburt eines Kindes ist gemeinhin groß. Oft wird die frohe Erwartung aber getrübt, weil die Frauen keine Hebamme für die Nachsorge finden. Um das drängende Problem etwas zu lindern, hat die Stadt vor zwei Jahren eine Hebammenkoordinierungsstelle eingerichtet. Das hat die Lage etwas verbessert, wirklich entspannt hat sich diese aber nicht.

Die Zahlen machen die Misere deutlich: Im Jahr 2021 haben von 6777 Frauen, die in Stuttgart ein Kind geboren hatten, 949 nach der Entbindung noch keine Hebamme gefunden. Das sind immerhin 14 Prozent der jungen Mütter. Schon diese Zahl ist beträchtlich. Zunächst aber war sie noch höher.

30 Prozent der Unversorgten doch noch vermittelt

Bei der Hebammenkoordinierungsstelle waren im selben Jahr 1360 Suchanfragen von Frauen eingegangen, vermittelt durch den Hebammen-Notsuchverteiler der hier tätigen freiberuflichen Geburtshelferinnen. Von der mit zwei in Teilzeit tätigen Hebammen besetzten Koordinierungsstelle konnte dann der Kontakt der Frauen mit Hebammen hergestellt werden, die noch freie Kapazitäten hatten. Etwa 30 Prozent der zunächst noch unversorgten werdenden Mütter fanden dann doch eine Wochenbett-Betreuung.

Und noch etwas hat der wegen der angespannten Versorgungslage 2018 auf Initiative des Hebammen-Kreisverbands eingerichtete Arbeitskreis erreicht: Weil die Versorgung von Wöchnerinnen in den Ferienzeiten im Sommer und an Weihnachten besonders schlecht ist, hat man eine Hebammenakutversorgung organisiert. Mit dieser niederschwelligen Einrichtung in der Art eines Bereitschaftsdienstmodells kann kurzfristig auf Notlagen und akute Bedarfe von Frauen reagiert werden. Für die Hebammen hat dies den Vorteil, dass sie sich tageweise mit planbaren Arbeitszeiten beteiligen können.

In den Weihnachtsferien 2021/2022 konnten die 22 beteiligten Hebammen an 24 Tagen 17 Familien mit im Schnitt jeweils drei Besuchen versorgen. In den Sommerferien 2022 beteiligten sich 25 Hebammen an 47 Tagen, sie leisteten 384 Besuche in 120 Familien. Durch dieses „innovative Konzept“, wie die Stadt schreibt, habe man auch „sozial und gesundheitlich belastete Familien“ erreicht, also etwa Menschen mit einem Migrationshintergrund oder einem geringen sozialen Status.

Während die Fraktionen im Sozialausschuss des Rats, wo die Zwischenbilanz vorgestellt wurde, sich betroffen zeigten über den weiter bestehenden erheblichen Mangel, beurteilen die Hebammen selbst die Entwicklung positiv. Es sei „unglaublich, welche Erleichterung diese Stelle bedeutet“, erklärte Ruth Hofmeister, die Sprecherin der hiesigen Hebammen. Die Einrichtung sei nicht nur eine wirkungsvolle Unterstützung, sondern auch eine wichtige „Wertschätzung“. Diese könne Stuttgart für Hebammen „dadurch attraktiv macht“.

Insgesamt derzeit 120 freiberufliche Hebammen

Zunächst aber besteht der Hebammenmangel weiter und könnte sich in Stuttgart sogar noch verschärfen. Derzeit sind laut Stadt in Stuttgart „120 freiberufliche Hebammen gemeldet“. Diese haben 2021 insgesamt 5828 Familien zu Hause betreut. Das macht im Schnitt 49 Familien pro Hebamme im Jahr, einige kümmerten sich aber sogar um bis zu 84 Familien pro Jahr.

Um alleine den im Jahr 2021 noch unversorgten 949 Frauen eine Betreuung bieten zu können, würden „rechnerisch rund 20 weitere Hebammen benötigt“, hat die Stadt ermittelt. Dazu kommt, dass „in den kommenden Jahren voraussichtlich fünf Hebammen in Rente gehen“, sodass man im freiberuflichen Bereich zusätzlich „mindestens 25 Hebammen“ braucht.

Lage in der stationären Geburtshilfe: „sehr angespannt“

Immerhin ist in der Ausbildung die Lage derzeit stabil. Seit 2021 erfolgt die Hebammenausbildung per Studium, und man hatte befürchtet, dass durch die Akademisierung eine Lücke im Übergang der Ausbildungswege entstehen könnte. Dies sei aber „nicht eingetreten“.

So sollen in den nächsten Jahren im städtischen Klinikum 75 Hebammen ausgebildet werden, im Marienhospital und im Robert-Bosch-Krankenhäuser werden es laut Stadt jeweils zehn sein. Dennoch bleibe wie in der freiberuflichen auch in der stationären Geburtshilfe die Lage „sehr angespannt“, macht die Stadt in ihrem Fazit deutlich.

Einrichtungen zur Verbesserung der Versorgung

AK Hebammenversorgung
In dem seit 2018 bestehenden Arbeitskreis sind vertreten: das städtische Jugendamt, das Gesundheitsamt, die Jugendhilfeplanung, das städtische Klinikum, der Hebammenverband Stuttgart, niedergelassene Gynäkologinnen, Pro Familie, der Sozialdienst katholischer Frauen sowie die städtische Schwangerschaftsberatungsstelle.

Koordinierungsstelle
Die Hebammenkoordinierungsstelle ist angesiedelt beim städtischen Gesundheitsamt. Sie ist besetzt mit zwei Hebammen in Teilzeit mit einer Gesamtkapazität von 100 Prozent. Das Projekt ist vorerst bis Ende 2023 befristet. ury