Die KSC-Fans bei der Anreise zum Lokalderby in der zweiten Fußballbundesliga zwischen dem VfB Stuttgart und Karlsruher SC am 24. November. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Innenminister von Bund und Ländern wollen die Schlinge um gewalttätige Fußballfans enger ziehen, auch eine Änderung im Landespolizeigesetz zielt auf die Sportfans. Die befürchten Eingriffe in ihre Freiheitsrechte

Stuttgart/Karlsruhe - Keine Verletzten, aber brennende Bengalos, Böller, Platzverweise, Personalienfeststellungen und jede Menge Verärgerung im Karlsruher Fanlager – das sind die Nachwehen des Zweitliga-Derbys vor zwei Wochen zwischen dem VfB Stuttgart und dem Karlsruher SC. Etwa 15 Anzeigen sind inzwischen aus Karlsruhe beim Verwaltungsgericht eingegangen. „Für uns war das Vorgehen der Polizei beim Derby nicht nachvollziehbar, mittels der Anzeigen soll deshalb klar werden, ob der Einsatz verhältnismäßig war“, erklärt Sebastian Staneker, Mitarbeiter des Karlsruher Fanprojekts. Die interne Nachlese mit Verantwortlichen beider Vereine, Behörden, Polizei und Fanvertretern läuft. Ein Fazit wolle man noch nicht ziehen, sagt ein VfB-Sprecher: „Wir sind im Dialog, haben aber vereinbart, zunächst miteinander zu sprechen anstatt übereinander.“

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Da schlagen die Meldungen aus der Politik gerade zur rechten Zeit auf und drehen die Eskalationsspirale zwischen Fußballfanszene und Polizei noch ein Stückchen weiter. Zum einen tagten in Lübeck die Innenminister von Bund und Ländern, auf der Tagesordnung standen auch die Polizeieinsätze rund um Fußballspiele. Weil von dem Abbrennen von Bengalos in den Stadien eine hohe Gefährdung von Unbeteiligten ausgehe, werde erwogen, dies durch eine Anpassung des Sprengstoffgesetzes unter Strafe zu stellen, hieß es. Bislang wird das Zünden der Bengalos nur als Ordnungswidrigkeit geahndet. Weitere Strafmaßnahmen gegen Gewalttäter im Sport sollen ins Auge gefasst werden. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte sich beispielsweise für die Verhängung von Fahrverboten gegen Randalierer ausgesprochen und war dabei von seinem nordrhein-westfälischem Kollegen Herbert Reul ( CDU) unterstützt worden.

Die Grünen kommen Strobl nicht entgegen

Außerdem tagen am Dienstag die Regierungsfraktionen im Stuttgarter Landtag – bei der CDU wie auch bei den Grünen soll über Strobls Vorstoß beim Polizeigesetz diskutiert werden. Der Innenminister hat bei seiner geplanten Verschärfung des Gesetzes Fußballfans im Fokus. Unter anderem sollen Beamte die Befugnis erhalten, anlasslos – also ohne Verdachtsmoment – die Personalien von Fußballfans aufzunehmen, „wenn sie bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen angetroffen (werden), die ein besonderes Gefährdungsrisiko aufweisen“. Auch die Durchsuchung und Gewahrsamnahme im Rahmen von Fußballspielen soll erleichtert werden.

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Damit will Strobl zum Schutz der öffentlichen Sicherheit gefährliche Gegenstände wie Pyrotechnik aus dem Verkehr ziehen. Bisher wollten sich die Grünen im Landtag in diesen Punkten nicht auf den Koalitionspartner zubewegen, forderten eine Regelung, um das Ermessen der Polizei für diese Kontrollen einzuschränken, damit diese Eingriffe in die Privatsphäre der Stadionbesucher nicht anlasslos erfolgen können. Gegen Strobls Vorstoß hatte es in diesem Jahr mehrere Demonstrationen gegeben, an denen Fans und Organisationen der baden-württembergischen Fußballszene teilgenommen haben. Fans, von denen der überwiegende Teil nur eine Sportveranstaltung besuchen möchte, fühlen sich kriminalisiert.

Fanprojekt-Mitarbeiter sind sich einig

KSC-Fan Staneker fragt sich: „Wie werden solche Derbys künftig ablaufen, wenn weitere Einschränkungen auf die Fans prallen?“ Auch wenn man beim Derby in unterschiedlichen Kurven stand, hier teilt Jörg Reinhardt vom Stuttgarter Fanprojekt die Befürchtungen. Häufig wüssten die Anreisenden auf dem Weg zum Stadion nicht einmal, weshalb die Polizei bestimmte Maßnahmen ergreift. „Alles nur wegen des Pauschalverdachts, dass von Fußballfans eine Gefahr ausgeht.“ Man hoffe weiterhin darauf, dass die Grünen eine Erweiterung der Befugnisse nicht mittragen. Durch anlasslose Eingriffe in die Freiheitsrechte fände eine Verschiebung der Grenze zwischen Sicherheit und Bürgerrechten statt, sagt Staneker: „In anderen Bundesländern klingelt die Polizei sogar bei Privatpersonen vor Derbys an der Haustüre.“ Er rechne damit, dass solche Fälle dann auch in Baden-Württemberg häufiger vorkommen.

Im Koalitionsausschuss am Donnerstag wird das Polizeigesetz nach übereinstimmenden Aussagen aus beiden Fraktionen kein Thema sein. Dann aber wird es knapp mit einer politischen Einigung über Eckpunkte noch in diesem Jahr: Am 18 . Dezember findet die letzte Plenarsitzung des Jahres statt.