Verpackungsmüll ist ein Ärgernis in Innenstädten. Foto: dpa/Marijan Murat

50 Cent für Plastiktasse oder Pizzakarton: Seit drei Jahren erhebt die Stadt Tübingen eine Verpackungssteuer. Die soll es jetzt auch in Konstanz geben. Andere Städte zögern.

Als zweite Stadt in Baden-Württemberg führt Konstanz eine Verpackungssteuer ein. Die neue Abgabe auf Einweggeschirr werde vom Jahreswechsel an erhoben, sagte die Sprecherin der Stadt, Elena Oliviera. Man orientiere sich eng an den Regelungen in Tübingen, wo Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) und sein Gemeinderat die Steuer 2022 eingeführt hatten. Ziel sei eine Reduktion des Mülls in öffentlichen Abfalleimern, aber auch auf Straßen und in Parks, sagte Oliviera. Die Kämmerei erwarte dauerhaft zusätzliche Einnahmen in Höhe von 300 000 Euro – und deutliche Einsparungen bei der Stadtreinigung.

Konstanz kommt damit Freiburg zuvor. Dort soll nach dem Willen des Gemeinderats zum 1. Juli 2025 eine Verpackungssteuer eingeführt werden. Auch in Heidelberg erarbeitet eine verwaltungsinterne Projektgruppe gerade einen entsprechenden Satzungsentwurf und bereitet die Kontaktaufnahme mit Gastronomen und ihren Interessenvertretungen vor. „Die Einwegsteuer auf Speise- und Getränkeverpackungen ist aus Sicht der Stadtverwaltung eine wirksame Maßnahme, um die Müllmengen insbesondere in der Heidelberger Innenstadt zu verringern“, sagte der Sprecher Christian Beister.

Wie entscheiden die Verfassungsrichter?

Allerdings sind die drei Universitätsstädte die Ausnahmen im Land, wie eine Umfrage unserer Zeitung unter den 25 größten baden-württembergischen Städten ergab. Demnach planen lediglich Göppingen und Villingen-Schwenningen, in den kommenden Monaten in konkrete Beratungen einzutreten. Aalen, Waiblingen, Pforzheim, Mannheim, Karlsruhe, Friedrichshafen und Ravensburg bekundeten Interesse. Allerdings warte man momentan ab, wie sich der juristische Streit entwickle.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die Tübinger Satzung im vergangenen Jahr in weiten Teilen für rechtmäßig erklärt. Allerdings ist noch eine Klage der Betreiberin einer örtlichen McDonald’s-Filiale vor dem Bundesverfassungsgerichts anhängig (1 BvR 1726/23). Sie wird dabei von der Fast-Food-Kette unterstützt. Es sei nicht abzusehen, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei, sagte eine Gerichtssprecherin. 1998 hatte das höchste deutsche Gericht eine Verpackungssteuer der Stadt Kassel gekippt.

Freiwilliges Mehrwegangebot hilft wenig

Deshalb favorisieren Sindelfingen, Böblingen, Ludwigsburg und Heilbronn nach eigenen Angaben andere Maßnahmen zur Müllvermeidung. Hauptansatzpunkt seien Großveranstaltungen, wo Einweggeschirr reduziert werden solle. Außerdem unterstütze man Mehrwegkampagnen in der Gastronomie. Bundesweit ist Imbissbetrieben mittlerweile vorgeschrieben, alternativ Mehrweggeschirr anzubieten. Doch gerade bei den Fast-Food-Ketten geschieht dies oft nur pro forma. „Das allein scheint nicht genug Wirkung zu haben“, sagte Oliviera.

Pro Jahr werden in der Stadt am Bodensee knapp 500 Tonnen Müll in öffentlichen Mülleimern, auf Straßen und am Seeufer hinterlassen. In Freiburg sind es gar 1600 Tonnen. Nach Schätzungen der Technischen Betriebe Konstanz (TBK) handele es sich bei 75 Prozent des Mülls um Kaffee-to-go-Becher, Alufolie, Pappkartons und andere Einwegbehältnisse. Fast 1,3 Millionen Euro gebe die Stadt jährlich für die Beseitigung aus.

Studie kann den Erfolg kaum messen

Allerdings liegen bei der Verpackungssteuer die Tücken im Detail. So können Konstanzer Bäckereien belegte Brötchen auch künftig ohne Extrasteuer in eine Tüte packen. Beim warmen Fleischkäsweckle sind hingegen 50 Cent fällig. Die muss auch jeder bezahlen, der beim Italiener eine Pizza abholt. Lässt er sie sich hingegen liefern, fällt keine Verpackungssteuer an. „Das gilt daheim genauso, wie wenn man sich die Pizza ans Seeufer bringen lässt“, kritisierte der ehemalige Konzilspächter und stellvertretende Konstanzer Dehoga-Chef, Manfred Hölzl. „Das ist nicht stimmig.“

Esslingen verwies darauf, die Kämmerei habe wegen der Einführung der Grundsteuer keine Kapazitäten für die Ausarbeitung einer Satzung. Auch die Stadt Offenburg erklärte, gegenwärtig die Einführung nicht zu verfolgen. In Stuttgart und Ulm wird generell die Sinnhaftigkeit der Steuer hinterfragt. Man habe erhebliche Zweifel, ob der hohe Verwaltungsaufwand für die Erhebung und Durchsetzung in einem guten Verhältnis zum Ergebnis stehe, sagte die Sprecherin der Stadt Ulm, Marlies Gildehaus. Die Stadt Stuttgart verwies auf eine Studie der Uni Tübingen, wonach sich zumindest gewichtsmäßig die Steuer bisher kaum aufs Müllaufkommen ausgewirkt habe.

Die Verpackungen seien sehr leicht, deshalb lasse sich der Erfolg auf diese Weise nicht messen, räumte Nicole Romey von der Stadt Tübingen ein. „Man müsste den Müll händisch sortieren. Das ist nicht machbar.“ Dennoch hält man in Tübingen die Steuer für einen Erfolg. Das Mehrwegangebot habe sich vervierfacht. „Die Einführung der Verpackungssteuer war ein Katalysator für die Nutzung von Mehrweg in Tübingen.“ Mülleimer seien deutlich weniger verstopft und es liege auch um sie herum deutlich weniger Abfall. In der Mittagspause dominiere die Vesperdose das Stadtbild. Auch die Praxis der Steuererhebung habe sich eingespielt. 2022 kassierte die Stadt hier 950 000 Euro. Für 2023 sei die Erhebung noch nicht abgeschlossen. Hier seien es bisher 600 000 Euro. Der Verwaltungsaufwand liege deutlich darunter.