Je nach Fall setzt die Polizei auch Spürhunde ein. Foto: Benjamin Nolte//noltemedia

Eine Patientin verlässt unbemerkt die Klinik – und bleibt tagelang verschwunden. Fälle wie der jüngste in Schorndorf gehören für die Polizei zum Alltag: Mehr als 2200 Vermisstenmeldungen gingen allein beim Präsidium Aalen im vergangenen Jahr ein. Doch wie läuft so eine Suche ab, wann wird öffentlich gefahndet – und was entscheidet über das Vorgehen?Wird eine Person vermisst, zählt für die Polizei jede Minute. „Zunächst nehmen wir alle Informationen auf – wer wird vermisst, seit wann, unter welchen Umständen“, erklärt Robert Kauer, ein Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen.

Als vermisst gelten Personen dann, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben, ihr Aufenthaltsort unbekannt ist und eine Gefahr für Leib oder Leben nicht ausgeschlossen werden kann – etwa als Opfer einer Straftat, bei einem Unglücksfall, durch Hilflosigkeit oder bei Selbsttötungsabsicht. „Kinder, Demenzkranke oder Personen mit Suizidgefahr haben absolute Priorität“, so der Sprecher. Hinweise auf ein Verbrechen oder eine Eigengefährdung erhöhen die Dringlichkeit zusätzlich.

Hubschrauber decken bei Suchen große Bereiche ab. Foto: KS-Images.de//Karsten Schmalz

Minderjährige gelten grundsätzlich als vermisst, sobald sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben und ihr Aufenthaltsort unbekannt ist. In diesen Fällen muss automatisch von einer Gefährdung ausgegangen werden, solange keine gegenteiligen Erkenntnisse vorliegen.

„Eine 24-Stunden-Regel oder sonstige Zeitschranken existieren nicht“, betont Polizeisprecher Robert Kauer. „Sobald ein Vermisstenfall mit den zuvor genannten Voraussetzungen vorliegt, werden wir tätig.“

Fahndung, Befragungen, Bewegungsprofile

Um den Aufenthaltsort eines Vermissten zu klären, leitet die Polizei regelmäßig Fahndungs- und Suchmaßnahmen ein. Dabei wird unter anderem auf vorhandene polizeiliche Erkenntnisse zurückgegriffen. Angehörige, Freunde, Bekannte und andere Kontaktpersonen werden befragt oder vernommen. Auch Fahrzeuge, Verkehrsmittel und bevorzugte Aufenthaltsorte oder mögliche Verstecke werden überprüft. Die vermisste Person wird im polizeilichen Informationssystem ausgeschrieben.

Die Polizei durchsucht Wohnung und Umgebung – „denn manchmal verstecken sich Menschen einfach im Haus“ – und prüft Bewegungsprofile, Krankenhausmeldungen oder Social-Media-Aktivitäten. Gibt es Anhaltspunkte, kommen auch Funkzellenauswertungen oder Videoüberwachung zum Einsatz.

Ein wichtiger Bestandteil der Suche sind sogenannte Hinwendungsorte – also Orte, die den Betroffenen emotional oder biografisch wichtig sind. „Gerade bei Demenzkranken gehen wir gezielt an Orte, an denen sie früher gelebt haben. Es kam schon vor, dass sich Angehörige und Vermisste dort zufällig wiedertrafen“, berichtet der Sprecher.

Einsatz von Spürhunden, Hubschraubern und Öffentlichkeitsfahndung

Auch tierische oder technische Hilfsmittel kommen zum Einsatz – wenn sie erfolgversprechend sind. „Hunde können selbst in schwierigem Gelände Geruchsspuren aufnehmen – auch abseits von Wegen. Das ist oft entscheidend“, erklärt der Polizeisprecher. „Der Helikopter bietet aus der Luft einen schnellen Überblick, besonders in weitläufigen oder unübersichtlichen Gebieten. Mit Wärmebildkamera ist er zudem bei Dunkelheit ein großer Vorteil.“

Wetterbedingungen und andere äußere Umstände spielen eine nicht unerhebliche Rolle: „In kalten Nächten zum Beispiel besteht die Gefahr, dass jemand erfriert – das verschärft natürlich die Lage.“ Ist die vermisste Person leicht bekleidet, steigt die Gefahr von Unterkühlung – vor allem bei Kindern oder älteren Menschen. Und in der Nähe von Bahnstrecken, Autobahnen, Flüssen oder Gewässern steigt außerdem das Risiko für schwere Unfälle.

Bei entsprechender Lage kann auch eine Öffentlichkeitsfahndung mit Foto eingeleitet werden. „Die Schwelle hierfür ist recht hoch, weil damit massiv in die Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird“, betont der Sprecher. Während für Öffentlichkeitsfahndungen im Strafverfahren ein entsprechender Beschluss erforderlich ist, richtet sich die Suche nach Vermissten in der Regel nach dem Polizeigesetz zur Gefahrenabwehr. „Nach Möglichkeit wird das Einverständnis der Angehörigen eingeholt – zwingend notwendig ist es jedoch nicht“, erklärt Kauer. „Die Entscheidung über die Öffentlichkeitsfahndung trifft der Sachbearbeiter, in der Regel bei der Kriminalpolizei.“ Dabei müsse die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme besonders sorgfältig geprüft werden – wie bei allen polizeilichen Maßnahmen, bei denen in Grundrechte eingegriffen wird.

Internationale Suche möglich

Führen Hinweise ins Ausland, wird auch international gefahndet. Zudem arbeitet die Polizei je nach Fall mit dem Technischen Hilfswerk, der Bergwacht, der DLRG oder anderen Hilfsorganisationen zusammen.

Schwieriger gestaltet sich die Suche, wenn die vermisste Person besonders mobil ist. „Je besser jemand zu Fuß ist, desto schwieriger wird es. Dann ist das Bewegungsprofil kaum absehbar“, erklärt der Sprecher. Und je länger jemand verschwunden sei, desto komplexer werde die Aufklärung. Dennoch: Die Ausschreibung bleibt bestehen, bis die Person gefunden wird.

Mehr als 2200 Vermisstenmeldungen in einem Jahr

Immerhin: „Ein großer Teil der Vermisstensachverhalte ist bereits im Anfangsstadium aufklärbar – entweder durch selbstständige Rückkehr oder durch unsere Ermittlungen“, sagt Polizeisprecher Kauer. Besonders oft seien es kurzzeitig vermisste Kinder oder Jugendliche, die den größten Anteil der Fälle ausmachten. Und auch die vermisste Patientin aus Schorndorf wurde wieder gefunden – wenn auch erst nach einigen Tagen.

Dem Polizeipräsidium Aalen, das für drei Landkreise zuständig ist, wurden in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 2200 Personen als vermisst gemeldet. Nur wenige dieser Fälle sind bis heute ungeklärt.