Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann im Interview. Der Grünenpolitiker lobt das Engagement von Porsche für eine E-Fuel-Produktion in Chile als „historischen Startpunkt einer neuen Energiepartnerschaft“. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der grüne Verkehrsminister Baden-Württembergs, Winfried Hermann, warnt die deutsche Autoindustrie vor einer einseitigen Produktstrategie – und erläutert im Interview sein Engagement für E-Fuels.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann sieht die Autoindustrie als Partner beim Klimaschutz. Er lobt Porsches Engagement für E-Fuels und den Elektrokurs der großen Hersteller. Er zweifelt aber an der Ausrichtung aufs Luxussegment.

Herr Hermann, Porsche weiht im Dezember die Pilotanlage Haru Oni ein, mit der in Chile synthetische Kraftstoffe produziert werden, die unter anderem für Oldtimer und für das Topmodell 911 verwendet werden sollen. Ist das für Sie in Ordnung?

Ich freue mich sehr, dass Porsche die Transformation zu einer klimaneutralen Mobilität mit vorantreibt. Die Landesregierung hat das Projekt befördert, indem sie Studien gefördert und die Partner im Rahmen des Projekts Re-Fuels zusammengebracht hat. Es kann der historische Startpunkt einer neuen Energiepartnerschaft sein. In Patagonien gibt es Windenergie rund um die Uhr, die ideale Voraussetzung für die Produktion von E-Fuels.

Bekommt der 911er damit eine unbegrenzte Laufzeit als Verbrenner, was ja der Hintergrund für das Telefonat des Porsche-Chefs Oliver Blume mit Finanzminister Christian Lindner gewesen sein dürfte?

Mir gefällt, was ein früherer Porsche-Chef einmal gesagt hat: Ein Porsche ist wie Schmuck, eigentlich braucht ihn niemand, und es gibt ihn trotzdem. Dann soll er aber so sauber sein wie nur möglich. Porsche steigt auf Elektroantrieb um, an diese öffentliche Ansage halte ich mich.

Wozu braucht man dann E-Fuels?

Der batterieelektrisch betriebene Pkw ist die effizienteste Lösung. Aber wir brauchen die synthetischen Kraftstoffe dringend für den Flug- und Schiffsverkehr, für Langstrecken-Lkw und nicht zuletzt womöglich auch für die Bestandsflotte. Ich will nicht zusehen, wenn ab 2035 in der EU zwar keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden, aber weltweit 1,4 Milliarden fossil angetriebene Autos weiter ungebremst das Klima schädigen. Deshalb haben wir als einziges Bundesland eine Roadmap für E-Fuels beschlossen.

Wann profitiert das Klima davon?

Die FDP tut immer so, als könnte man von heute auf morgen auf E-Fuels umsteigen. Sie blendet aus, dass es noch rund zehn Jahre bis zur Produktion relevanter Mengen dauern wird. Es sind Investitionen im dreistelligen Milliardenbereich nötig. Vorläufig geht es deshalb um eine Beimischung zum fossilen Treibstoff. Ich werbe im Bund und in der EU dafür, die verpflichtende Beimischungsquote höher anzusetzen.

Ihr langjähriger Amtschef Uwe Lahl berät heute den E-Fuels-Projektentwickler HiF Global, an dem auch Porsche beteiligt ist. Versilbert er damit seine politischen Kontakte?

Uwe Lahl ist 71 und genießt sein Leben als mehrfacher Großvater. Ihm geht es nicht um Geld, und es ist sicher kein hochbezahlter Beraterjob. Er will etwas für den Klimaschutz tun, daran ist nichts Verwerfliches. Das in Chile klimaneutral erzeugte Methanol wird übrigens in einer in Karlsruhe geplanten Anlage bei der Raffinerie MIRO in Kraftstoffe umgewandelt. Das hat für Baden-Württemberg große Bedeutung. Wir haben hier die Kompetenzen im Maschinen- und Anlagenbau und können daraus ein weltweites Geschäftsmodell machen. Ein Teil der Arbeitsplätze, die in der Autoindustrie möglicherweise wegfallen, kann so ersetzt werden.

Laut Gesetz sollen bis 2030 im Verkehrssektor 55 Prozent des CO2-Ausstoßes eingespart werden. Glauben Sie, dass es klappt?

Das ist keine Frage des Glaubens. Politik funktioniert nur, wenn man das Ziel ernst nimmt und an seiner Realisierung arbeitet. In den vergangenen fünf Jahren hat sich viel verändert. Die Autoindustrie hat den Schalter auf Elektroantrieb umgelegt. Und die großen Investitionen dafür müssen sich jetzt auch rentieren. Wenn sie ernst macht, kann die Autoindustrie zu einem Partner in einer breiten Allianz für Klimaschutz werden.

Bei den Rohstoffen für Batterien aber droht eine Abhängigkeit von China wie bisher bei der Energie von Russland . . .

Ja, wir müssen verdammt aufpassen, nicht von einer Abhängigkeit in die nächste zu schlittern. Das ist der wichtigste Lehrsatz aus der gegenwärtigen Energiekrise. Deshalb ist es richtig, Rohstoffpartnerschaften auch mit anderen Ländern zu schließen. Außerdem wird in Baden-Württemberg seit Jahren an der Feststoffbatterie geforscht, die ohne die besonders selten vorkommenden Rohstoffe auskommen wird.

Mit dem Weg in die Elektromobilität verschiebt sich vor allem bei deutschen Herstellern die Modellpalette deutlich in Richtung großer Autos. Läuft das nicht den Zielen zuwider?

Es ist bezeichnend, dass über Monate hinweg der Fiat 500 das meistverkaufte E-Auto in Deutschland war. Das liegt daran, dass es in diesem Segment kaum Konkurrenz gibt, schon gar nicht von deutschen Herstellern. Für die Umwelt und für das Klima ist das keine gute Nachricht. Viele Autobesitzer werden einfach weiter ihr altes Auto fahren, weil sie am Markt nichts Bezahlbares finden. Diese Autos haben weiter die alte Technologie an Bord.

Vor etlichen Jahren führte Mercedes die Kompaktmodelle ein und baute deren Palette immer weiter aus. Nun wird das untere Segment ausgedünnt und mit mehr Luxus versehen. Wie erklären Sie sich das?

Manche vermuten, dass dies auch daran liegt, dass die größten Anteilseigner von Mercedes chinesische Hersteller sind, die selbst kleine E-Autos produzieren. Es wird gemutmaßt, dass sie mit diesen auf den europäischen Markt wollen und wenig Interesse daran haben, dass Mercedes ihnen Konkurrenz macht.

Wozu wird diese Marktverschiebung führen?

Wenn das so bleibt, werden chinesische Hersteller in Deutschland Fuß fassen. Wäre ich Automanager, würde ich eine solche Strategie nicht verfolgen.

Warum nicht?

Nur auf eine einzige Art von Fahrzeugen zu setzen ist schon für sich ein Risiko. Zudem stellt sich die Frage der Akzeptanz. Wenn man nur noch Autos für Scheichs und für die Reichen dieser Welt produziert, bekommt man ein Akzeptanzproblem. Falls man hier wieder einmal einen Produktionsstandort errichten will, wird so mancher sagen: Dafür geben wir unsere schöne Landschaft nicht her. Die deutsche Autoindustrie wäre gut beraten, wenn sie auch bezahlbare E-Autos bringen würde.

Der Mobilitätsminister

Erklärer
 Der einstige GymnasiallehrerWinfried Hermann (70) hat auch nach fast 40 Jahren in der Politik noch ein Faible für Didaktik. Wer den Grünen nach Autos undE-Fuels fragt, landet direkt in einer Doppelstunde, in der auch Oberleitungs-Lkw, Wasserstoffzüge und Batterierohstoffe behandelt werden. Der Mann kann streiten, das weiß man spätestens seit dem Konflikt über Stuttgart 21. Aber er will erklären, warum.

Minister
 Seit 2011 fungiert der Rottenburger als Verkehrsminister Baden-Württembergs. Klimaschutz sei nur mit Unterstützung der Autoindustrie machbar, meint er. Kritiklos macht ihn das nicht.