Der Neubau des Murrtalviadukts überspannt auf fast 400 Metern Länge einen tiefen Taleinschnitt. Noch rollt der Verkehr nur auf zwei Spuren. Foto: Frank Eppler

Bis 2030 soll die B 14 bis Backnang komplett vierspurig ausgebaut sein. Kernstück der Strecke ist das 28 Meter hohe Murrtalviadukt. Auf die Bürger kommen Staus zu.

Wenn Sabawun Khostwal und Hermann Klyeisen vom Baufortschritt beim Murrtalviadukt in Backnang (Rems-Murr-Kreis) erzählen, bekommen sie ein Leuchten in den Augen. Die Stimme hebt sich, die Hände bewegen sich beim Erklären der baulichen Besonderheiten automatisch mit.

Wer genau zuhört, kann erahnen, dass der Brückenbau bei Backnang kein 08/15-Projekt ist, bei dem die einzelnen Arbeitsschritte im Baukalender halt gemacht und abgehakt werden. Nein, der fast 400 Meter lange Überweg über den tiefen Taleinschnitt ist eine Aufgabe, die bautechnisch wie finanziell den üblichen Rahmen sprengt – und für die der Begriff vom Lebenswerk angebrachter wäre.

Die vierspurige B 14 soll die Verkehrssituation deutlich verbessern

Herzblut ist jedenfalls mit von der Partie, wenn die beiden Macher des Murrtalviadukts über die Zeitpläne für den hoch komplexen Bauablauf referieren. Sabawun Khostwal ist Projektleiter für die Backnanger Großbaustelle und kann trotz des Termindrucks von der ästhetischen Schönheit der turmhohen Brücken-Widerlager und der elegant geschwungenen Betonbögen schwärmen. „Wir sind alle überwältigt, was das für ein Bauwerk ist“, sagt er über die Gefühlslage von sich und seinen an der Brücke arbeitenden Kollegen.

Hermann Klyeisen ist stellvertretender Abteilungsleiter für Mobilität im Regierungspräsidium Stuttgart und spricht trotz hoher Kosten von den verkehrlichen Vorteilen des Mammutprojekts. „Unser Ziel ist es, die Bürgerinnen und Bürger in Backnang sowie der Region wirksam und zügig zu entlasten und die Verkehrssituation für die Pendler dauerhaft zu verbessern“, ordnet er die Investition in eine vierspurig übers Murrtal führende B 14 ein.

Auf seiner Sommertour hat sich der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (rechts) jüngst über den Stand beim Murrtalviadukt informiert. Foto: Frank Eppler

Noch wenige Monate wird am 28 Meter hohen Kernstück des neuen Überwegs gearbeitet, der zweiten Brücke für das Murrtalviadukt. Über den westlichen Teil rollt seit der Fertigstellung 2015 bereits der Verkehr, der Bau des östlichen Teilstabschnitts soll bis zum Jahresende abgeschlossen sein. „Das sieht aus, als könnte hier auch der Rhein drunter durchfließen“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann.

Der Grünen-Politiker hat sich bei seiner Sommertour jüngst ein eigenes Bild von den Bauarbeiten an der B 14 gemacht – und eingeräumt, dass ihn der drängende Ausbau der viel befahrenen Verkehrsverbindung beruflich mittlerweile mehr als ein Vierteljahrhundert begleitet. Eine durch den Rems-Murr-Kreis führende Autobahn gibt es schließlich nicht – umso wichtiger sind Bundesstraßen, um im Verkehrsschatten der Landeshauptstadt schnell von A nach B zu kommen.

Die turmhohen Brücken-Widerlager und die elegant geschwungenen Betonbögen sind charakteristisch für das neue Murrtalviadukt. Foto: Frank Eppler

Welche Rolle die B 14 deshalb für Pendler aus dem Murrtal spielt, zeigt sich aktuell immer dann, wenn das Viadukt wegen der Bauarbeiten gesperrt werden und der Verkehr durch Backnang geleitet werden muss. Mit Schrecken denkt der Oberbürgermeister Maximilian Friedrich schon jetzt an das Jahr 2027, wenn es wegen der planmäßigen Abrissarbeiten an den bestehenden Bahnbrücken auch auf der Straße zu einer mehrmonatigen Vollsperrung kommt. „Das wird eine große Herausforderung“, sagt der Rathauschef zur Aussicht, sowohl über die Bundesstraße als auch übers S-Bahn-Gleis nicht mehr erreichbar zu sein.

Die geplante Kappung der überörtlichen Verbindungen ist auch ein Beispiel für die besonderen Schwierigkeiten, mit denen der B 14-Ausbau bei Backnang aufwartet. Die Pfeiler für die neue Brücke etwa mussten mehr als zehn Meter im aufgeschwemmten Boden versenkt werden, um auf Fels einen sicheren Halt zu finden. Schlimmer noch aber ist die Platznot, mit der es die Planer praktisch an jeder Ecke zu tun haben.

Das Brückenbauwerk soll Ende 2025 fertiggestellt sein. Foto: Frank Eppler

Um den Verkehrsfluss zu verbessern sind auf den nur 7,5 Kilometern Strecke neben der Doppelbrücke insgesamt 16 Bauwerke und zwei Tunnel nötig. „Man sieht, wo die Millionen hinfließen“, stellte der Verkehrsminister bei seinem Baustellenbesuch trocken fest. Mit dem vierstreifigen Ausbau der B 14 will Baden-Württemberg eine der wichtigsten Verkehrsachsen in der Region Stuttgart stärken. Neben der Verbesserung der Kapazitäten ist es ein Ziel, die entlang der Strecke liegenden Ortschaften spürbar vom Durchgangsverkehr zu entlasten, Unfallrisiken zu verringern und Lärm- sowie Abgasbelastungen deutlich zu senken.

Der Endspurt läuft: Bis 2030 soll die gesamte Strecke ausgebaut sein

Das Großprojekt B 14 Nellmersbach – Backnang/West ist in neun Bauabschnitte unterteilt. Drei davon – bis Waldrems, die Anschlussstelle Backnang-Mitte und das Murrtalviadukt Westseite – sind bereits fertiggestellt. Das Brückenbauwerk soll Ende 2025 fertiggestellt sein. Die Lärmschutzwand folgt voraussichtlich im Frühjahr 2026. Danach wird das Bauwerk zunächst für Verkehrsumlegungen genutzt, bevor es zusammen mit dem anschließenden Bauabschnitt endgültig freigegeben wird. Der Bund investiert mit dem Neubau des Murrtalviadukts-Ost rund 23,7 Millionen Euro.

Auch die nächsten Schritte sind bereits in Vorbereitung: Für die Anschlussstelle Backnang-Süd laufen die Planungen, Baubeginn ist voraussichtlich ab Sommer 2027 vorgesehen. Bis 2030 soll die gesamte Strecke zwischen Nellmersbach und Backnang-West vierspurig ausgebaut sein. Aus Sicht des Backnanger Oberbürgermeisters wird es dabei aber nicht bleiben können. Denn ohne eine bauliche Erweiterung des Autobahn-Zubringers von Backnang zur A 81 droht die Investition in eine vierspurige B 14 zu verpuffen.