Frauen-Team von CaMüMax in der Landesliga: Foto: frog/Holger Strehlow

Sportvereine und Corona: Stuttgarter Ämter bieten keine Unterstützung bei Hygienekonzepten. Die Ehrenamtlichen der Handballspielgemeinschaft CaMüMax fühlen sich im Stich gelassen.

Stuttgart - Joachim Hoffmann seufzt: „Ach, so genau weiß ich das gar nicht.“ Er schätzt, dass er seit über 30 Jahren im Ehrenamt arbeitet. Immer beim Handball. Und die meiste Zeit davon als Abteilungsleiter der Handballspielgemeinschaft aus Cannstatt, Münster, Max-Eyth-See, kurz CaMüMax. Natürlich hatte auch im Neckartal kein Mensch das Corona-Virus auf dem Plan. Weshalb der gelernte Kaufmann auch niemand so ohne weiteres vom Feld schicken will. Aus seiner Enttäuschung über die Sportstadt Stuttgart macht er trotzdem kein Geheimnis.

Wer übernimmt Verantwortung?

Joachim Hoffmann und die Seinen fühlen sich während der Pandemie im Stich gelassen: Von der Stadt Stuttgart und deren Mitarbeitern. Namentlich vom Amt für Sport und Bewegung und vom Schulverwaltungsamt. Bei Lichte betrachtet geht es um die Frage, wer bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und wer nicht. Aber auch darum, welche Bürden eine Gesellschaft dem Ehrenamt eigentlich noch aufladen will.

Es ist ja nicht so, dass sich die Handballer bei CaMüMax nicht ein Bein rausreißen, um endlich mal wieder anwerfen zu können. Die Spielgemeinschaft, getragen von den Vereinen Spvgg Cannstatt, TV Cannstatt, TSV Münster und SKG Max-Eyth-See, ist stolz auf vier Erwachsenen- und neun Jugendmannschaften, 70 Erwachsene und 180 Kinder sind regelmäßig am Ball. Da wäre es gut, wenn sie im Herbst endlich wieder ein paar Spieltage austragen könnten. Gut für die Spieler und sehr gut für die Kasse. Immer nur trainieren macht auf die Dauer keinen Spaß. Und im Sommer ist wegen des Virus das große Vereinsturnier mit bis zu 70 teilnehmenden Teams ausgefallen. „Auf dieses Geld sind wir angewiesen“, sagt Joachim Hoffmann. Bälle oder Trikots gibt es schließlich nicht umsonst. Natürlich können die Vereine der Spielgemeinschaft Zuschüsse aus dem Corona-Hilfsfonds des Landes beantragen. Das verkleinert zwar die Lücken, stopft sie aber nicht.

Unschätzbarer Wert in besonderer Zeit

Wenn wenigstens wieder ein paar Zuschauer in die Halle dürften: Ein Ticket kostet drei Euro und jeder Besucher zählt. Der Erlös aus dem Verkauf von Getränken und belegten Brötchen kommt hinzu. „Das sind Einnahmen, die fest eingeplant waren“, beteuert Joachim Hoffmann. Was er nicht sagt: Es dreht sich nicht nur ums Geld. So ein Spieltag oder ein Turnier entfalten sozial bindende Wirkung. Sie führen und schweißen die Gemeinschaft zusammen. Ein unschätzbarer Wert in besonderer Zeit.

Die städtischen Ämter fühlen sich nicht zuständig

Doch um die Sport- und Schulturnhallen der Stadt für derlei Spieltage nützen zu können, bedarf eines Hygienekonzepts. Das verlangen das Amt für Öffentliche Ordnung und der Württembergische Handballverband (HVW). „Das ist so weit ja auch in Ordnung“, sagt Joachim Hoffmann. Es gibt Online-Schulungen des HVW für die Hygienebeauftragten der Vereine und eine Leitlinie des Deutschen Handball-Verbands für den Spielbetrieb unterm Dach. Dumm ist nur, dass der HVW gern eine Genehmigung des jeweiligen Hygienekonzepts vom Hallenbetreiber vorliegen hätte. Und weil CaMüMax in unterschiedlichen Hallen in Stuttgart trainiert und spielt, ist jedes Konzept ein bisschen anders. Hoffmann wandte sich deshalb an die Stadt. Aber die zuständigen Ämter fühlten sich außerstande. Das wollte Hoffmann wiederum schriftlich bestätigt haben, um das nämliche Papier dem HVW vorzulegen. Keine Chance!

Die Bitte um Auskunft unserer Zeitung beantwortete das Amt für Sport und Bewegung schriftlich: „Für die Durchführung von Sportwettbewerben und/oder den Trainingsbetrieb haben die Vereine nach der aktuell gültigen Corona-Verordnung Sport ein Hygienekonzept aufzustellen und die Datenerhebung sicherzustellen. Dieses Konzept ist aber nicht genehmigungspflichtig durch den Betreiber der Halle oder das Amt für Öffentliche Ordnung (AföO) als Polizeibehörde. Gegebenenfalls prüfen das AföO und das Gesundheitsamt die bestehenden Hygienekonzepte auf Plausibilität. Mit Erstellung der Hygienekonzepte kann der Sportbetrieb aufgenommen werden, ohne dass es einer gesonderten Genehmigung bedarf. Für die Umsetzung vor Ort sind die Vereine als Veranstalter zuständig.“

Kritik vom Handballverband

Kurz und knapp: Die Stuttgarter Ämter halten es weder für nötig, ein Hygiene-Rahmenkonzept für alle städtischen Hallen zu erstellen, noch sind sie in irgendeiner Form bereit, mit die Verantwortung für die Überlegungen der Ehrenamtlichen zu tragen. „Auf der einen Seite verlangen die Behörden und Ämter ein Konzept“, ärgert sich Hoffmann, „auf der anderen Seite verweigern sie jedwede Kooperation. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.“ Beim Württembergischen Handball-Verband stößt die Haltung der Stadt Stuttgart auf Verwunderung. „Man sollte doch meinen, dass eine so große Sportstadt wie Stuttgart in der Lage ist, die Ehrenamtlichen in solchen Fragen mit einer Leitlinie zu unterstützen“, sagt Andrea Schiele, beim Verband zuständig für Satzungen und Ordnungen, „diese Reaktion ist unverständlich.“ Vor allem kleinere Vereine seien im Umgang mit den Hygienekonzepten maßlos überfordert.

Die erfahrene Funktionärin ist jedoch sicher, dass der Handball eine Lösung finden wird. Auch Joachim Hoffmann will weiter hartnäckig am Ball bleiben. Den Lobeshymnen der Politiker auf die Bedeutung des Ehrenamts werden die Handballer in Zukunft aber noch skeptischer lauschen als bisher.