Wem gehört der Bürgersteig? Das Bundesverwaltungsgericht soll klären, ob Anwohner gegen Autos auf Gehwegen vorgehen können. In Bremen haben zwei Urteile die Behörden unter Druck gesetzt.
Ein häufiger Streitpunkt zwischen Fußgängern und Autofahrern beschäftigt am Donnerstag (6. Juni) das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az. BVerwG 3 C 5.23). Es verhandelt über das Parken auf dem Gehweg in Bremen.
Dort sprach das Oberverwaltungsgericht im März 2023 Anwohnern das Recht zu, ein Eingreifen der Straßenverkehrsbehörde zu verlangen, wenn der Gehweg vor der Haustür regelmäßig zugeparkt ist (Az. 3 C 5.23).
Aufgesetztes Parken: Verboten, aber oft geduldet
Dabei geht es um das sogenannte aufgesetzte Parken, bei dem zwei Räder auf der Straße und zwei auf dem Gehweg stehen. Ohne Erlaubnis ist es Autofahrern verboten, beispielsweise mit zwei Rädern aufgesetzt auf dem Bürgersteig zu parken. In vielen Städten ist das aufgesetzte Parken dennoch verbreitet und Behörden dulden es.
Allerdings räumte das Oberverwaltungsgericht der Behörde einen Ermessensspielraum ein. Die Stadt müsse Autos nicht gleich abschleppen lassen, sondern die Interessen müssten gegeneinander abgewogen werden. Gegen dieses Urteil wandten sich sowohl die klagenden Anwohner als auch die Stadt an das Bundesverwaltungsgericht.
Fünf Bremer Eigentümer gegen die Stadt Bremen
Die fünf Kläger sind Eigentümer aus Bremen, wie einer der Kläger auf Rückfrage bestätigte. Sie besitzen Eigentum in Straßen, in denen Autofahrer nahezu durchgehend auf dem Bürgersteig parken. Die Kläger wollen, dass die Straßenverkehrsbehörde dagegen vorgeht.
Die andere Partei ist die Stadt Bremen. Das Gericht hat einen einzelnen Verhandlungstag angesetzt. „Ob das Gericht an dem Tag zu einer Entscheidung kommt und das Urteil verkündet, kann ich nicht vorhersagen“, sagte eine Gerichtssprecherin.
Welchen Ermessensspielraum haben Behörden?
Das Bremer Verwaltungsgericht entschied 2021, die Kläger seien berechtigt zu verlangen, dass die Straßenverkehrsbehörde einschreite. Die Behörde könne entscheiden, welche Maßnahme sie wähle. Das Bremer Oberverwaltungsgericht bestätigte das 2022 in einem Urteil grundsätzlich.
Es entschied aber anders als die Vorinstanz, dass die Behörde derzeit einen Spielraum habe, ob sie einschreite. Gänzlich tatenlos könne sie allerdings nicht bleiben. Die Behörde müsse beispielsweise begründen, warum sie keine einseitigen Halteverbotsschilder aufstelle, was eher wenig Aufwand erfordere.
Fachanwalt: Urteil hat Signalwirkung
Von dem Urteil könne eine „Signalwirkung“ ausgehen, sagte der Osnabrücker Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Henning J. Bahr. Soweit ihm bekannt, sei das Verwaltungsgerichtsurteil das erste, das Anwohnern zugeparkter Gehwege ein Abwehrrecht gebe.
Sollte das Bundesverwaltungsgericht zugunsten der Kläger entscheiden, könnten sich bundesweit Anwohner gegen zugeparkte Gehwege wehren. Möglich sei auch, dass sie künftig gegen andere ständige Verstöße – wie das übermäßig schnelle Fahren in Wohngebieten – vorgehen könnten. Sollte das Gericht zuungunsten der Kläger entscheiden, werde die Bremer Rechtsprechung vermutlich zurückgedreht.