Ganz starker US-Open Auftritt: Bryson DeChambeau Foto: AFP/Gregory Shamus

Der amerikanische Profi-Golfer Bryson DeChambeu gewinnt die US Open mit einer ganz neuen Methode: Er legt sich Muskelberge zu.

Stuttgart - Spielt da der Türsteher mit? Oder der Gärtner? Bei den US Open der Profi-Golfer konnte man beim Anblick von Bryson DeChambeau ins Grübeln geraten. Am Ende sind die Muskelberge des Profis, der stramme 108 Kilo auf die Waage bringt bei einer Körpergröße von 1,85 Meter, Tag für Tag wieder aufgetaucht auf dem unfassbar schwierigen Par-70-Platz des ehrwürdigen Winged Foot Golf Clubs. Dort, in Mamaroneck im US-Bundesstaat New York, waren Leute wie Tiger Woods und Martin Kaymer bereits nach dem zweiten Tag ausgeschieden. Nur der starke Mann war immer noch dabei.

Sogar bis zum Ende begeisterte Bryson DeChambeau, ein in London geborener Amerikaner mit französischem Nachnamen, die Experten. Er gewann die US Open turmhoch, blieb mit 274 Schlägen als einziger unter Par und distanzierte seinen zweitplatzierten Landsmann Matthew Wolf (280) um sechs Schläge – im Golfsport sind das Welten. Aber vor allem hebelte der 27-Jährige bei seinem ersten Major-Sieg alle Gesetzmäßigkeiten einer Sportart aus, in der drahtige Perfektionisten wie Tiger Woods, aber auch schwergewichtige Lebemänner wie John Daly kraft ihres Talentes die großen Siege holten.

Eine ganz neue Richtung

Jetzt gewinnt die US Open plötzlich ein Mann, der sich – gut eingeölt – bei zweitklassigen Body-Building-Wettbewerben der Konkurrenz durchaus hätte stellen können. Und das Beste ist: Es war auch so gewollt. „Ich habe mich schon so oft auf die Wissenschaft verlassen, und es hat jedes Mal funktioniert“, sagte DeChambeau nach seinem Erfolg und spielte damit auf den gezielten Muskelaufbau an, mit dem er den Ball soweit treiben wollte wie kein anderer. Bereits Ende 2019 machte sich DeChambeau daran, Gewichte zu stemmen, um seine Schwunggeschwindigkeit zu erhöhen und den Ball immer weiter zu schlagen. Er fügte 20 Pfund vor der Tourpause wegen der Covid-19-Pandemie und weitere 20 Pfund während der Pause hinzu. Am 5. Juli gewann die Nummer vier der Weltrangliste den Rocket Mortage Classic in Detroit bereits fast so beeindruckend deutlich wie jetzt die US Open.

Im Schnitt landet sein Ball bei 310 Metern, im Jahr 2019 waren es noch 34 Meter weniger. Doch das soll noch nicht das Ende gewesen sein. Bryson DeChambeau will „360, 370 Meter, vielleicht sogar weiter“ schlagen, sagt er. Der Amerikaner, der schon sieben PGA-Turniere gewann und dessen Preisgeld-Honorare addiert fast an die 20-Millionen-Dollar-Grenze heranreichen, geht in seinem Drang, immer besser zu werden, streng wissenschaftlich vor. Erst entwickelte er seine eigenen Schläger, die alle gleich lang sind, welches Eisen auch immer er gerade benutzt. Nun holt er den letzten Rest aus seinem Körper heraus. Kein Wunder: Bryson DeChambeau hat Physik studiert. „Ja, er tendiert irgendwie in die neue Richtung des Golfsports“, sagte der US-Profi Xander Schauffele, der in New York Fünfter wurde, mit großer Anerkennung und kommt nur zu einem Ergebnis: „Er spielt unglaublich.“

Tränen des Glücks

Dass der US-Open-Sieger irgendwann für immer in einem Hörsaal verschwindet oder Forschungsarbeit für einen Konzern betreibt – davon träumen seinen Konkurrenten bestenfalls. „Ich hoffe, ich kann einige Leute dazu inspirieren, zu sagen, dass es auch einen anderen Weg gibt“, sagt DeChambeau zu seiner Mission im Golfsport, die noch lange nicht erfüllt ist. Mal schauen, was dem bunten Vogel der Szene noch einfällt. Immerhin geriet er nach seinem ersten Major-Sieg etwas aus dem Konzept, denn plötzlich war für den „Wissenschaftler“, wie sie ihn nennen, etwas nicht planbar – und zwar die Tränen, die er vergossen hatte beim Videochat mit seinen Eltern. „Ich habe es geschafft“, stammelte er da vor sich hin. Das machte die hochgezüchtete Golfmaschine für einen Moment wohltuend menschlich.