Das Landgericht Stuttgart hat am Freitag zwei Mitarbeiter einer Werttransportfirma wegen Diebstahls mit Waffen verurteilt. Sie täuschten bei Ludwigsburg den Überfall auf ihren Geldtransporter vor. Wohin ist die Beute verschwunden?
Es war eine Tat, die aus der Feder eines Drehbuchautors aus Hollywood stammen könnte: Am Abend des 4. Januar vergangenen Jahres musste ein Geldtransporter auf seinem Rückweg zur Firma auf einem Feldweg zwischen Pattonville und Oßweil vor einer sternförmigen Kreuzung stoppen, da ein anderes Auto den Weg versperrte. Neben diesem stand ein älterer Mann mit Gehstock, der offensichtlich eine Panne hatte. Als der Beifahrer des Werttransporters das Fahrzeug verließ, um mit dem Mann zu sprechen, zückte dieser eine Pistole.
Ein weiterer bewaffneter Mann kam dazu und zwang den Beifahrer, sich auf den Boden zu legen. Fast zeitgleich trat ein dritter Mann mit Panzerfaust an die Fahrerseite des Mercedes Sprinter und zwang den Fahrer, den Transporter zu verlassen. Auch dieser musste sich auf den Boden legen, die Täter luden die Beute in ein mitgebrachtes Fahrzeug um und flohen. Eine halbe Stunde lang mussten die beiden Männer auf dem Boden liegen, ehe ihre Bewacher sie gehen ließen. Von den 3,8 Millionen Euro fehlt bis heute jede Spur.
Überfall wurde vorgetäuscht
Doch nach mehr als viermonatiger Verhandlung kam das Landgericht Stuttgart am Freitag zu der Überzeugung, dass diese Geschichte sich so niemals abgespielt hat, sondern die Angeklagten den Überfall zusammen mit einem unbekannten Dritten vorgetäuscht haben. Die Richter der 7. Großen Strafkammer verurteilten den 43 Jahre alten Fahrer und dessen 25-jährigen Beifahrer zu sieben Jahren Haft – wegen Diebstahls mit Waffen und Vortäuschens einer Straftat. Das Gericht blieb damit nur knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die acht Jahre Haft für die beiden Angeklagten gefordert hatte. Die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert.
Finanzielle Motive für die Tat
Als Motiv für die Tat sahen die Richter finanzielle Motive: Der 43-Jährige habe Schulden gehabt und eine Familie sowie eine Freundin versorgen müssen. Und auch der jüngere Angeklagte habe schnell zu Geld kommen wollen und beispielsweise von einem Porsche geträumt. „Böse Zungen würden behaupten, es gibt 3,8 Millionen Gründe für so einen Überfall“, sagte der Vorsitzende Richter Matthias Rummel in seiner Urteilsbegründung, in der er ausführlich die Indizien darlegte, die seine Kammer zu ihrer Entscheidung veranlasst hatten.
Die beiden Angeklagten hätten die Tat minutiös geplant. So seien sie im Dezember an neun Tagen über den Feldweg Richtung Oßweiler Höhe gefahren und hätten dabei für die circa einen Kilometer lange Strecke laut der GPS-Daten des Fahrzeugs im Schnitt knapp zwei Minuten gebraucht. Am 21. Dezember hätten sie jedoch mehr als sechs Minuten benötigt. „Es spricht viel dafür, dass sie an diesem Tag den Tatort ausgespäht und die Tat geplant hatten“, meinte Rummel. Die Erklärung der Angeklagten, sie seien von einem anderen Fahrzeug und vielen Passanten blockiert worden, sei wenig glaubhaft.
Am Tattag hätten sie laut der GPS-Daten für die letzten 200 Meter der Strecke vier Minuten gebraucht und hätten mit dem Transporter sogar einmal angehalten. „Davon hat keiner der Angeklagten in seiner Schilderung berichtet“, betonte Rummel. Zudem habe es Widersprüche bei der Farbe des anderen Autos und in anderen Punkten gegeben. Zudem stelle sich die Frage, warum der Fahrer laut der Logdaten erst nach 34 Sekunden ausgestiegen sei, wenn er beobachtet habe, was mit seinem Kollegen passiert sei, und warum er keinen stillen Alarm im Fußraum des Transporters ausgelöst habe.
Aussagen passen nicht zu den Spuren
Auch Beobachtungen vorbeikommender Passanten würden nicht zu der Schilderung der Angeklagten passen. So sei ein Radfahrer zur angeblichen Tatzeit vorbeigekommen und habe den Transporter, jedoch keine Personen gesehen. Ein Spaziergänger mit Hund habe eine rauchende Person beobachtet, auch davon hätten die beiden Angeklagten in ihrer Schilderung nichts berichtet. Auch passe die Aussage der beiden Angeklagten, sei seien eine halbe Stunde auf dem feuchten Ackerboden gelegen, nicht zu den ausgewerteten Spuren. „Die Angeklagten hätten viel mehr Erdantragungen am Oberkörper und im Gesicht haben müssen“, sagte Richter Rummel. Auch Fußspuren habe man nur von den beiden Angeklagten gefunden.
Gegen die Geschichte mit den unbekannten Tätern spreche zudem, dass der Transporter in den Tagen zuvor immer wieder andere Routen genommen habe und ein potenzieller Täter gar nicht die Möglichkeit gehabt habe, die Strecke auszuspähen – zumal der Werttransporter an diesem Tag ohne den Schriftzug der Firma unterwegs war. Die Aussagen der Angeklagten seien daher als reine Schutzbehauptungen anzusehen.