Trudel Wulle in dem Kinofilm „Do goht dr Doig“ von 2017. Foto: Sabine Hackenberg

Von ihren Landsleuten wird die Schauspielerin Trudel Wulle verehrt, als wäre sie Teil der eigenen Familie: Eine Ur-Schwäbin mit Herz feiert den 95. Geburtstag. Unser Kolumnist ist ein Fan: Telefongespräche mit ihr sind immer ein Vergnügen.

Stuttgart - „Schultheiß“ – so meldet sie sich am Telefon. Und doch ist die gebürtige Heilbronnerin auch die Trudel Wulle geblieben, als die man sie vom Theater, aus Fernsehserien und Lesungen seit Jahrzehnten kennt, schätzt und liebt. „Jeden Morgen“, erzählt die beliebte Schauspielerin, die immer den Stolz auf die schwäbische Sprache hochgehalten hat und an diesem Samstag den 95. Geburtstag feiert, hat sie „die Qual der Wahl“. Dann dürfe sie sich nämlich entscheiden: „Nehm i den Mercedes oder den Ferrari?“

Ist immer gut, wenn man mit Witz über Erschwernisse des Alters hinwegsieht. Zwei Rollatoren, nach schnellen Autos benannt, stehen in ihrem Haus im Schwarzwald bereit, das sie mit ihrem Mann Walter Schultheiß, ihrem Sohn Götz Schultheiß, dessen Frau und kleinen Zwillingen teilt.

Bescheidenheit hat sie immer ausgezeichnet

Ja, sie sei gern alt, sagt sie nach reiflicher Überlegung, vor allem, wenn sie an die Alternative denke. Wer 95 Jahre alt wird, kann weit zurückblicken. Worauf schaut sie besonders gern zurück? „Auf meine Arbeit für Hörspiele“, antwortet sie, auf den Anfang ihrer langen Karriere. Über ihre beruflichen Erfolge will Trudel Wulle nicht so gern sprechen. Bescheidenheit hat sie schon immer ausgezeichnet. Wichtig aber ist ihr nun, ein dickes Dankeschön an ihr Publikum über die Zeitung zu entsenden.

Als sie im Mai mit ihrem Mann den 70. Hochzeitstag feierte, war die Resonanz auf den Zeitungsartikel riesengroß. Endlos gingen Mails und Glückwünsche ein. Wie sie diese einzigartige Beliebtheit im Schwabenland erklärt? „Das weiß i au net“, sagt sie.

„Sie ist ein liebenswürdiger Mensch ohne Allüren“

Der Regisseur Frieder Scheiffele, der mit ihr vor drei Jahren den Kinofilm „Laible und Frisch – Do goht dr Doig“ drehte und sie als Agentin nach dem Vorbild der Mrs. Packard aus dem Disney-Film „Atlantis“ irre-komisch einsetzte, kennt die Antwort: „Als Künstlerin ist Trudel eine fantastische Schauspielerin und Sprecherin und als Privatperson ein liebenswürdiger, engagierter Mensch ohne Allüren.“

An der Seite ihres Mannes Walter Schultheiß spielte sie mehrfach seine Schwester, nie seine Ehefrau, etwa in der Wengerter-Serie „Eugen“, die in den 1980ern im Südwesten eine bessere Quote erzielte als „Dallas“. Beim „König von Bärenbach“ war sie die Fußpflegerin, bei „Laible und Frisch“ die Sekretärin des Bürgermeisters, als Marktfrau kommentierte sie politisches Geschehen live und verscheuchte in der ARD-Serie „Berlin, Berlin“ die spuckende Lolle. Als ihr Sohn Götz vor 65 Jahren zur Welt kam, trat Trudel Wulle ganz bewusst und mit Hingabe in die zweite Reihe.

Ohne den Götz, den Journalisten, sagt sie, würde sie heute nicht mehr leben und müsste womöglich in ein Heim. „Der Götz verbindet mir die Füße, damit die Diakonie nicht kommen muss“, verrät sie. Und der Götz hat sie zur späten Oma gemacht, so kam sie im hohen Alter zu einer Lieblingsrolle.

„Man hat’s net im Griff“

Je älter man wird, desto intensiver konzentrieren sich die Wünsche auf das Wesentliche. Und deshalb sagt Trudel Wulle, dass sie für den Rest ihres Lebens, der ihr gegeben ist, „schöne Momente in der Familie“ wünscht, „net mehr“. Über den 100. Geburtstag, die nächste Etappe, will sie lieber nichts sagen. „Man hat’s net im Griff.“

Im Beruf haben sich für sie ziemlich viele Wünsche erfüllt. Jetzt hat sie ein Alter erreicht, in dem man frei von Illusionen leben kann und sich nichts mehr beweisen muss. Mit ihrem Walter bildet sie eine ideales Gespann – als hätten sie sich gegenseitig das letzte fehlende Puzzleteil zu ihrem Glück geschenkt.

„I mog di ganz arg“, sagt Monika Hirschle

Weil die fröhliche Jubilarin Corona-bedingt am Samstag keine Gäste empfangen kann und mit der Familie feiert, haben wir Kollegen von Trudel Wulle gebeten, ihr über die Zeitung Glückwünsche zu schicken. Monika Hirschle, die gerade im Theater der Altstadt auf der Bühne steht, sagt: „Liebste Trudel, von Herzen alles Liebe und Gute! Danke für deine wunderbare Schauspielkunst, deine Herzenswärme und deinen feinen Humor. I mog di ganz arg! Sei umarmt von Deiner Moni!“ Travestie-Lady Frl. Wommy Wonder, auf deren Bühne das Ehepaar Wulle/Schultheiß immer wieder brillierte, schickt folgende Worte in den Schwarzwald: „Glückwunsch an die Trudel, die mich mit Walter seit meiner Jugend mit ihrem Witz begleitet und die bei jeder Begegnung neu ihren Esprit und ihren schwäbisch-knitzen Geist durchblitzen lässt.“

Roland Baisch – mit ihm stand sie für „Berlin, Berlin“ vor der Kamera – sagt: „Trudel ist eine tolle Komikerin und dazu eine unglaublich gute Schauspielerin, ich wünsche dir viele schöne Rollen, wenn du dir das auch wünschst!“ Quer durchs Schwabenland werden sich viele freuen, dass die beliebte Frau dieses stolze Alter erreicht. Chapeau vor ihrer Lebensleistung!