Hochwasserschäden in Karlsbad. Foto: dpa/Uwe Anspach

Überflutete Keller und Sturzfluten - das könnte wegen des Klimawandels normal werden, warnt das Land. Kommunen sollen sich wappnen. Wie das gehen soll.

Karlsbad - Sandsäcke umsäumen Grundstücke, Bretter sichern Zugänge ab, am Straßenrand liegen Matratzen und andere Dinge, die das Wasser unbrauchbar gemacht hat. Einige Tage, nachdem sich vom Maisfeld oberhalb der schmucken Einfamilienhäuser Fluten blitzschnell Wege vor allem in Keller und Garagen bahnten, ist noch immer Aufräumen und Putzen angesagt. Und Absichern. Der nächste Regen kommt bestimmt. In der Fliederstraße in Karlsbad-Langensteinbach (Kreis Karlsruhe) haben sich viele Urlaub genommen, um ihr Hab und Gut zu sichern. Die einen schaufeln stoisch Sand in Säcke, andere reinigen den Gully vor dem Haus, eine Frau lässt ihren Frust an Bürgermeister Jens Timm aus. „Die Nerven liegen blank“, sagt er.

Seit Mitte Juni hat ungewöhnlicher Starkregen schon dreimal die 16 000-Einwohner-Gemeinde heimgesucht. In manchen Ortsteilen stand das Wasser meterhoch. Auch im Rathaus und in Schulen war Land unter. Der frisch sanierte katholische Kindergarten ist erstmal nicht mehr zu benutzen. An die 250 Einsätze verzeichnete die Feuerwehr. Wie viele ohne Hilfe ihre Häuser von Schlamm und Wasser befreiten, weiß man nicht. Das Ausmaß des Schadens ist noch ungewiss.

Der Versicherungsschaden ist enorm

Karlsbad ist kein Einzelfall. Kraichtal (Kreis Karlsruhe), Dußlingen (Kreis Tübingen) oder Stuttgart: Vielerorts gab es in den vergangenen Wochen heftige Unwetter. Die SV Sparkassenversicherung rechnet mit Schäden bis zu 200 Millionen Euro.

Gewitter, Stürme und Überschwemmungen sind eine Folge des Klimawandels, ist die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) überzeugt. Und sie mahnt: Kommunen müssen sich auf extreme Wetterlagen vorbereiten. Doch wie? „Starkregenereignisse sind sehr kleinteilig, und das Wasser fällt in kürzester Zeit vom Himmel“, sagt Susanne Nusser, Vize-Hauptgeschäftsführerin des baden-württembergischen Städtetags. Und im Gegensatz zu Hochwasser an Flüssen gibt es kaum Vorwarnzeit.

Das Beispiel Braunsbach

Das hat auch das Beispiel Braunsbach (Kreis Schwäbisch Hall) gezeigt, wo vor fünf Jahren ein Rinnsal zur reißenden Sturzflut wurde. Gigantische Wassermengen rissen alles mit, was im Weg stand: Teile von Häusern, Autos und Bäume, 50 000 Tonnen Geröll.

„Kernfrage ist: Wie können wir baulich und durch Flächenvorsorge verhindern, dass sich Wasser an ungünstigen Stellen sammelt?“, so Nusser. Neben einer leistungsfähigen Straßenentwässerung, genügend großen Abwasserkanälen und dem Abstützen von gefährdeten Hängen gehören für sie auch funktionierende Warnketten dazu.

Städte haben Starkregenkonzepte

Von Risikoanalysen über Dammbau bis zur Umleitung von Gewässern - einige der 1101 Städte und Gemeinden im Land wurden schon tätig: Nach Angaben des Umweltministeriums sind 51 kommunale Starkregenkonzepte fertiggestellt, für 163 sind Fördermittel bewilligt, weitere Programme sind beantragt.

„Wenn man den Klimawandel und die damit verbundenen extremen Wettererscheinungen früher ernst genommen hätte, dann hätte man früher beginnen können, Maßnahmen zu ergreifen“, sagt Ralf Roos, Leiter des Instituts für Straßen- und Eisenbahnwesen am Karlsruher Institut für Technologie. Der KIT-Professor warnt: „Die Kanalisation in den Städten und die Entwässerungseinrichtungen außerorts sind nicht für solche Starkregenereignisse dimensioniert, weil es sie früher in dieser Intensität und Häufigkeit nicht gab.“ Alles nur ein bisschen erweitern, reiche nicht. „Wir brauchen eine neue Bemessungsgrundlage und müssen dann Entwässerungseinrichtungen anpassen.“

Vorsorge ist besser als Nachsorge. Laut Innenministerium kann jeder seinen Keller vergleichsweise leicht schützen und sich über die Notfall-Nachrichten-App NINA informieren. Schließlich ist nicht alles zu ersetzen - vom Wasser zerstörte Familienfotos zum Beispiel.

Keine Region ist von der Gefahr ausgenommen

„Die Starkregenereignisse in den letzten Jahren zeigen, dass grundsätzlich keine Regionen in Baden-Württemberg von diesen Naturgefahren ausgenommen sind“, warnt die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). Kommunen sollten lokale Gefahrenkarten und ein Handlungskonzept erstellen. Viele wähnten sich offenbar zu lange sicher. „Die Leute dachten früher: ich wohne auf dem Berg - da gibt es kein Hochwasser“, so Rathauschef Timm. Angesichts der letzten Wochen sagt er: „Man muss sich auf solche Starkregen einstellen.“

In Karlsbad werden unter anderem neue Rückhaltebereiche geprüft, Kanäle gespült und kostenlos Sandsäcke verteilt. Auf dem Feld oberhalb der Fliederstraße baut die Gemeinde einen provisorischen Damm. Riesige Plastiksäcke, befüllt mit Mineralbeton, sollen den Einlaufschacht entlasten. Der hat über Jahre gute Dienste geleistet, konnte dieses Mal aber die Wassermassen nicht aufhalten.

Anwohnerin hat Angst

Eine Anwohnerin beruhigt das alles nicht. Fünfmal, erzählt sie, stand ihr Keller schon unter Wasser. Sie denkt mit Schrecken an den nächsten Regen und sagt: „Ich habe nur noch Angst.“ Angst vor dem Wasser, dem Dreck, der Arbeit und auch davor, dass irgendwann die Versicherung nicht mehr zahlt.