Martina Mohr (links) und Uta Grasmannsdorf haben ihre unverpackten Waren anfangs auf Wochenmärkten verkauft, dann zogen sie in den Laden am Postplatz. Foto: Gottfried Stoppel/Archiv

Auch der Waiblinger Unverpackt-Laden B:ohne kämpft ums Überleben. Gerettet werden soll er nun mit einem speziellen Konzept. Was steckt hinter der „B:ohne-Bande“?

Der Waiblinger Unverpackt-Laden B:ohne kämpft ums Überleben. Er hat die gleichen Probleme wie viele Einzelhändler, die angesichts der Coronapandemie und des Ukrainekriegs in Bedrängnis geraten sind. „Die Kunden sind gerade sehr verunsichert. Das betrifft nicht nur uns, sondern die ganze Branche“, sagt Martina Mohr, die den kleinen Laden am Alten Postplatz gemeinsam mit Uta Grasmannsdorf betreibt. Hier gibt es zum Beispiel Reinigungsmittel zum Abfüllen, Brotboxen und Bambusgeschirr und vieles mehr, was dazu beiträgt, die Berge von (Plastik-)Müll zu verringern. Etwa die Hälfte der Produkte im Sortiment stammt von Produzenten aus dem Rems-Murr-Kreis und der Region Stuttgart.

Fieberhafte Suche nach einer Lösung

„Vor einigen Monaten waren wir kurz vor dem Schluss“, sagt Martina Mohr, die mit ihrer Geschäftspartnerin fieberhaft nach einer Lösung suchte, um ihrem Laden das Schicksal etlicher anderer Unverpackt-Läden, wie etwa des Backnanger Krämerladens, zu ersparen. Dessen Betreiber Stefan Krämer musste im vergangenen Jahr nach rund zwei Jahren Betrieb Insolvenz anmelden und seinen Unverpackt-Laden im Sommer 2022 endgültig schließen.

„Wir haben uns überlegt, den Laden in eine Genossenschaft umzuwandeln, aber dazu hätten wir die GbR auflösen und wieder ganz neu anfangen müssen. Die Kraft haben wir nicht.“ Dann bekamen die beiden Frauen einen hilfreichen Tipp – nämlich den, das Geschäftskonzept ihres Unverpackt-Ladens auf gemeinschaftsbasiertes solidarisches Wirtschaften umzustellen.

Wie Solawi – nur ohne Traktor und Ackerfläche

„Als wir von der Möglichkeit gehört haben, waren wir sofort Feuer und Flamme“, erzählt Martina Mohr. Das Prinzip funktioniere wie die inzwischen recht bekannte Solidarische Landwirtschaft (Solawi) – „nur ohne Traktor und Ackerfläche“. Bei der Solidarischen Landwirtschaft teilen sich Verbraucher und Landwirte die Erträge und die Risiken. Die Solawi-Mitglieder beteiligen sich an den Betriebskosten des Landwirts und erhalten als Gegenleistung dessen Ernte oder zumindest einen Teil davon.

So ähnlich funktioniert auch das Modell, das Uta Grasmannsdorf und Martina Mohr in ihrem Geschäft umsetzen möchten: „Wir behalten den Laden so wie er ist, legen aber unsere Betriebskosten offen. Unsere Kunden werden zu Mitgliedern, zahlen einen Monatsbeitrag im Voraus und können dann für diesen Betrag im Laden einkaufen.“

Die Gemeinschaft nennen Uta Grasmannsdorf und Martina Mohr liebevoll die „B:ohne-Bande“. Der monatliche Beitrag, den die Mitglieder dieser garantiert nicht kriminellen Bande zahlen, ergibt sich aus den Betriebskosten des Ladens. Der Umsatz pro Monat werde auf diese Weise für sie kalkulierbarer und Bestellungen besser planbar, schildern die beiden Ladenbetreiberinnen die Vorteile des Modells. „Und so können wir auch die teilweise sehr hohen Mindestbestellwerte knacken.“

Jedes Mitglied kann gemäß seiner finanziellen Möglichkeiten und seines Bedarfs an Waren den jeweiligen Betrag ansetzen. Allerdings gibt es einen Orientierungswert, der angepeilt wird. Der volle Beitrag liegt bei 96 Euro pro Monat, der halbe bei 48 Euro. Pro Haushalt können auch mehrere Beträge gewählt werden. Die knapp 100 Euro im Monat wären für manche wohl ein zu hoher Betrag, sagt Martina Mohr, deshalb sei auch der halbe Beitrag möglich. Allerdings schätze manch einer seine Ausgaben niedriger ein, als sie tatsächlich seien, berichtet Mohr: „Manche unserer Kunden sammeln jetzt die Einkaufsbons um zu sehen, wie viel sie in einem Monat ausgeben. Da haben etliche erstaunt festgestellt, welche Summe da zusammenkommt.“

Auch Nichtmitglieder können weiterhin einkaufen

Momentan stehen 85 Menschen auf der Interessentenliste. Das sei die Mindestzahl, mit der man einen Versuch wagen könne, sagt Martina Mohr, die auf noch einige Unterstützer mehr hofft. „Aber wenn alle 85 Leute den vollen Betrag zahlen würden, wäre das eine gute Basis.“ Der Unverpackt-Laden bleibe natürlich trotzdem für alle geöffnet. „Die Spontan-Umsätze der Nichtmitglieder geben uns sogar Spielraum für Investitionen und die Freiheit, nicht sofort unsere gesamten Kosten über die Gemeinschaft zu tragen“, erklärt Martina Mohr. Sie und Uta Grasmannsdorf sind „total begeistert“ vom solidarischen Konzept: „Daher können wir die Idee auch leicht an die Kunden heranbringen.“ An zwei Abenden möchten die beiden Frauen weitere Mitstreiter informieren und für ihr Projekt begeistern. Am 22. Februar schlägt dann bei der Bieterrunde die Stunde der Wahrheit: Finden sich genug Bandenmitglieder, um die Betriebskosten gemeinsam stemmen zu können? Uta Grasmanndorf und Martina Mohr hoffen es sehr – dann könnten sie schon im März loslegen.

Mehr zum Thema hier: www.bohne-waiblingen.de www.myzelium.com

Wie funktioniert solidarisches Wirtschaften?

Konzept
Beim gemeinschaftsbasierten solidarischen Wirtschaften trägt eine Gemeinschaft die Betriebskosten, die der Anbieter einer Leistung zuvor offen darlegt – beispielsweise ein Landwirt, Einzelhändler oder Gastronom. Die Mitglieder nennen dann in einer sogenannten Bietrunde den Betrag, den sie monatlich beisteuern möchten. Dann wird zusammengerechnet und geprüft, ob die benötigte Summe erreicht wird. Fehlt Geld, werden die Mitglieder gefragt, ob sie ihren Beitrag erhöhen können.

Termine
Bei zwei Informationsabenden in Waiblingen berichten Uta Grasmannsdorf und Martina Mohr über ihr Projekt. Der erste findet am Mittwoch, 18. Januar, von 19 bis 21 Uhr im Kulturhaus Schwanen, Winnender Straße 4, statt. Der zweite wird zur selben Zeit und am selben Ort am Montag, 30. Januar, abgehalten. Am Freitag, 10. Februar, wird zum ersten Bandentreff, einem Stammtisch mit Fragerunde eingeladen, ebenfalls ab 19 Uhr. Die Beitragsrunde, bei der sich Bieter festlegen, ist am Mittwoch, 22. Februar, von 19 bis 21 Uhr.