Leuchtturm am Nugget Point Foto: Melanie Maier

Die Region Catlins im Süden Neuseelands wird von den meisten Touristen übersehen. Dabei ist die windgepeitschte Landschaft an der Südostküste nicht nur schön, sondern auch sehr vielseitig.

Stuttgart - Die Bäume haben Sturmfrisur. Selbst an sonnigen Tagen bläst der Wind meist so kräftig über die Küste im Südosten Neuseelands, dass sich auch noch die Grasbüschel zum Boden neigen. Dem Seelöwen im Meer unterhalb des Leuchtturms am Waipapa Point macht das nichts aus. Nur mit dem Kopf taucht er ab und zu aus den Wellen auf. Sein Fell glänzt dunkelgrau und glatt im Wasser.

Der Waipapa Point gilt als Eingangstor der Catlins – der Region zwischen Invercargill im Westen und Balclutha im Osten, die von den meisten Neuseeland-Touristen übersehen wird. Für diejenigen, die mit straffem Zeitplan anreisen, liegt sie zu abgelegen. Backpacker meiden die raue Landschaft häufig: Das Wetter ist eher mäßig, 200 Regentage pro Jahr sind nicht ungewöhnlich.

Wer sich dennoch in Neuseelands wilden Süden traut, wird nicht enttäuscht. Die Catlins – benannt nach dem Walfänger Edward Cattlin und fast so groß wie Teneriffa – bestehen aus Wanderwegen, Regenwäldern und Wasserfällen im Landesinneren, zerklüfteten Felsen, windzerzausten Bäumen und einsamen Stränden an der Küste. Insgesamt leben nur etwa 1200 Menschen in der Gegend.

Idyll zwischen Eukalyptuswald und Weidehügeln

Jaclyn Hunt und ihr Mann Warren Calder wohnen seit einem Jahr in Progress Valley. In dem Tal zehn Minuten hinter der Curio-Bucht, die für die versteinerten Reste eines 170 Millionen Jahre alten Waldes bekannt ist, betreiben sie eine Bed-and-Breakfast-Pension mit drei Zimmern. Ein kleines Idyll zwischen Eukalyptuswald und Weidehügeln. Im Garten blühen Rhododendren und Löwenmäulchen. Neben dem Wohnwagen, in dem Gäste übernachten, liegen zwei Lämmer.

„Lämmchen eins und Lämmchen zwei“, stellt Jaclyn (35) die beiden vor und lacht. „Wir sind sehr schlecht darin, Namen zu vergeben.“ Mit ihrem vierjährigen Sohn Quintin auf dem Arm führt sie die Gäste durch den Garten, zeigt ihnen die rotbraunen Hühner, den Grill und das Badezimmer. Barfuß läuft sie über das Gras, ihre langen schwarzen Dreadlocks hat sie zu einem Dutt gebunden.

„Habt ihr Delfine in der Curio-Bucht gesehen?“, fragt sie. „Dort schwimmen normalerweise immer welche.“ Mit etwas Glück könne man am frühen Abend außerdem die seltenen Gelbaugenpinguine beobachten, sagt ihr Mann Warren. Die Tiere gelten als stark gefährdet. Sie brüten ausschließlich im Südosten Neuseelands. Auch wilden Seelöwen und Albatrossen könne man am Strand begegnen, sagt Jaclyn. Die Tiere sind aber nicht der alleinige Grund, weshalb sie und Warren sich den äußersten Süden Neuseelands zum Lebensmittelpunkt auserkoren haben. „Die Catlins sind abgelegen, wild, schön und erschwinglich“, sagt Jaclyn. „Es hat etwas Besonderes, so nah am Rand der Welt zu leben.“ An stürmischen Tagen schaut sie gern auf den Ozean und stellt sich vor, dass die nächste Landmasse die Antarktis ist.

Die Vögel zwitschern, es riecht nach frischer Erde

Jedes Mal, wenn es die Zeit zulässt, fährt die Familie ans Meer. Quintin und sein zweijähriger Bruder Beau lieben es, im Sand zu spielen. „Alle Strände der Region sind schön“, sagt Jaclyn. „Wandern ist mit den beiden noch zu anstrengend“, fügt Warren (48), kurze braune Haare und verschmitztes Lächeln, hinzu. Auf einer Karte der Region markiert er für die Gäste die schönsten Wanderungen zwischen 20 Minuten und zwei Tagen Länge.

Eine von ihnen führt zu den McLean Falls, rund 25 Kilometer östlich von Progress Valley. Der Weg zu dem 22 Meter hohen Wasserfall schlängelt sich vorbei an drei Meter hohen Baumfarnen und Bäumen, von denen das Moos hängt wie langes Haar. Am späten Vormittag schweben die Nebelwolken noch tief über dem Regenwald. Die Vögel zwitschern, es riecht nach frischer Erde.

Der Weg ist, wie die allermeisten in Neuseeland, breit angelegt und gut beschildert. Die Kiwis, so bezeichnen sich die Einheimischen selbst, gehen gerne wandern und spazieren. Tramping nennen sie das. Viele Wanderwege gehen auf Verbindungen der Maori, Neuseelands Ureinwohner, zurück. Auch der Purakaunui-Wasserfall, weitere 25 Kilometer östlich, ist über einen befestigten Weg gut erreichbar. Vom Parkplatz sind es zu Fuß nur zehn Minuten. Der dreistufige Purakaunui gilt als einer der meistfotografierten Wasserfälle Neuseelands. 1976 wurde ihm eine Briefmarke gewidmet.

Felsnadeln, die aus dem Meer ragen

Auf der hölzernen Aussichtsplattform knipst Ulla Urbanke (63) den Wasserfall aus mehreren Perspektiven. „Und?“, fragt ihr Mann Rolf-Peter. Die Belichtung muss stimmen. Das Paar aus der Nähe von Villingen-Schwenningen hat gleich mehrere Kameras dabei. Vier Wochen verbringen die beiden in Neuseeland.

„Die Catlins“, sagt Rolf-Peter (66), „lagen auf dem Weg“ zwischen dem Fjord Milford Sound und der Stadt Dunedin. Die raue Landschaft erinnert den Rentner an Schottland. Schwäbisch-charmant sagt er: „Das kann sich sehen lassen.“

Vom Purakaunui-Wasserfall fahren die Urbankes weiter zum Nugget Point, ihrem letzten Stopp vor Dunedin. Das Kap verdankt seinen Namen einer Reihe erodierter Felsnadeln, die vor ihm aus dem Meer ragen. Der Wind peitscht die Wellen über die „Nuggets“. Braune Seebären liegen auf ihnen und dösen. Ulla und Rolf-Peter fotografieren sie und den Leuchtturm, der 1869/70 auf dem Kap erbaut wurde, 76 Meter über dem Meeresspiegel. Möwen fliegen kreischend über den Köpfen der Touristen. Ulla steckt ihre Kamera ein. Genug Bilder für heute. Auf dem Weg zum Parkplatz sagt sie: „Das war jetzt auch noch mal ein Highlight.“

Anreise

Singapore Airlines (www.singaporeair.com) und Air New Zealand (www.airnewzealand.de) fliegen mit Zwischenstopp von Frankfurt nach Christchurch. Mit dem Mietwagen in die Catlins, circa 5,5 Stunden. Die Fahrt mit dem Bus von Christchurch nach Balcluth (ca. 8 Stunden) kostet rund 30 Euro, www.intercity.co.nz. Die Busse von Bottom Bus halten an mehreren Orten zwischen Balclutha und Invercargill, www.bottombus.co.nz.

Unterkunft

Der romantische Catlins Farmstay B&B liegt im Hinterland der Curio Bay (DZ inkl. Frühstück ab 50 Euro), www.catlinsfarmstay.co.nz. In Owaka bietet das Catlins Area Motel kostenfreies WLAN und eine Terrasse (DZ ab 71 Euro), www.catlinsgatewaymotels.co.nz. Die exklusive McIvor Lodge hat nur ein Zimmer und befindet sich nördlich von Invercargills Innenstadt (DZ ab 92 Euro inkl. Frühstück), http://mcivor-lodge.southislandnz.net/de/.

Aktivitäten

Wandern, Reiten, Fischen, Surfen, Fahrradfahren: Die Region Catlins ist vielseitig. Zwischen Invercargill und Balclutha liegen Aussichtspunkte, Wasserfälle und Wanderwege. Catlins Kayak and Adventure bietet Kajaktouren an (ab 56 Euro p. P.), www.catlinskayak.co.nz/. Reitausflüge bei Catlins Horse Riding/Te Taunga Adventures buchen: www.catlinshorseriding.co.nz

Allgemeine Informationen

www.catlins.org.nz www.newzealand.com