Die frühreifen Sorten wie Spätburgunder, Müller-Thurgau oder auch Pinot Noir wurden in den ersten Tagen gelesen. Foto:  

Die Weinlese im Neckartal ist in vollem Gange. Mit der Qualität der Trauben sind die Wengerter zufrieden, sie rechnen mit einem ausgezeichneten Jahrgang. Allerdings ist der Ertrag bis zu 30 Prozent geringer als im Vorjahr.

Untertürkheim - Seit Montag herrscht rege Betriebsamkeit in den Weinbergen im Neckartal. Die diesjährige Weinlese hat begonnen. „Die Trauben sind gesund und vor allem auch sehr gut ausgereift“, zeigt sich Dieter Strauß, Vorstandsmitglied der Weinmanufaktur Untertürkheim mit Blick auf die Reben seiner Parzelle unterhalb der Grabkapelle am Württemberg zufrieden. „Man darf einen besonderen vielversprechenden Jahrgang erwarten.“

Bereits seit den frühen Morgenstunden ist auch Karl Seemann aktiv. Im zweiten Jahr unterstützt er seine Untertürkheimer Verwandtschaft bei der Weinlese. „Wenn man bei so einem schönen Wetter in der Natur unterwegs sein darf, ist das herrlich.“ Das Einholen der Trauben hat er in seiner Heilbronner Heimat bereits von Kindheitstagen an gelernt. „Nach einem Jahr sprichwörtlich die Früchte seiner harten Arbeit ernten zu dürfen, ist natürlich etwas ganz Besonderes“, sagt er und widmet sich wieder zusammen mit seiner Schwester den rotblauen Frühburgunder-Trauben. Ausschneiden ist kaum nötig, Fäulnis nicht vorhanden.

Dennoch gibt es einen Wermutstropfen: „Der Ertrag ist deutlich geringer in diesem Jahr“, sagt Strauß. Im Normalfall ernte er auf dieser Parzelle knapp doppelt so viele Trauben. Dabei spielen gleich mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen litten die Blüten bereits im Frühjahr unter leichtem Frost, eine verzögerte Blüte und kleine Trauben waren die Folgen. Zudem fiel Anfang Juni auch stellenweise leichter Hagel. Vor allem aber litten die Reben unter der extremen Trockenheit dieses Jahres. „Der Regen vor rund zwei Wochen hat aber noch einmal sehr gut getan“, sagt Strauß. Die Pflanzen stehen daher sehr gut da. Und die Trockenheit hat dafür gesorgt, dass die Schäden durch die sonst gefürchtete Kirschessigfliege kaum zum Tragen gekommen sind.

Dennoch schätzt der Kellermeister der Weinmanufaktur, Jürgen Off, den Ertragsrückgang in diesem Jahr auf rund 20 bis 30 Prozent. „Das hängt ganz von den jeweiligen Sorten ab.“ In der ersten Woche wurden nunmehr bereits die frühen Sorten wie Grau-, Frühburgunder, Pinot Noir oder auch Müller-Thurgau komplett geerntet. Gegenüber den Vorjahren ist man dabei nicht im Zugzwang, da keinerlei Fäulnis droht. Das Wetter der vergangenen Tage spielt den Wengertern dabei zusätzlich in die Karten. „Die kalten Nächte und die sonnigen Tage sorgen für eine weitere Reife und die Trauben entwickeln noch einmal deutlich mehr Geschmack“, weiß Off.

Dennoch sei nicht zu erwarten, dass die Lese nun noch einmal unterbrochen wird, um auch noch den letzten Rest am Mostgewicht herauszukitzeln. „Es wird im gleichbleibenden Rhythmus weitergehen“, blickt der Kellermeister voraus. So wird mit der Lese der Hauptsorten wie Riesling, Trollinger oder Lemberger Ende des Monats gerechnet.

Denn bereits jetzt zeichnet sich ab: „Die Balance zwischen Säure, Mostgewicht und Fruchtgeschmack ist beinahe optimal“, sieht Martin Kurrle, der geschäftsführende Vorstand und Kellermeister des Collegiums Wirtemberg gar einen herausragenden Jahrgang 2020. Der Vorgeschmack der bereits geernteten Trauben sei sehr facettenreich, verfüge über viele Nuancen und sei sehr intensiv, kommt der erfahrene Önologe geradezu ins Schwärmen und ist von der Qualität „mehr als begeistert“. Der Sonnenschein habe vor allem den Rotweinsorten sichtlich gut getan.

Bei aller Vorfreude auf den Jahrgang 2020 steht die Weinlese in diesem Jahr aber unter besonderen Voraussetzungen. Sowohl beim Collegium als auch bei der Weinmanufaktur achtet man sehr genau auf die Hygienevorschriften hinsichtlich der Corona-Pandemie. Bei der Lese im Weinberg selbst sei eine Maskenpflicht nicht notwendig. „Schließlich ist man an der frischen Luft und hält durch die Rebreihen automatisch den vorgegebenen Abstand“, weiß Currle. Bei der Abgabe in der Kelter sieht das aber anders aus. „Hier kommt niemand außer dem Kelterteam herein. Und auch hier arbeiten wir in zwei getrennten Teams, damit wir zur Not weiterarbeiten können“ – denn trotz des schönen Wetters müssen die Trauben in absehbarer Zeit geerntet werden. Für einen qualitativ hochwertigen Jahrgang, wenngleich mit geringerem Ertrag.