Die Familie von Max Wolf, dessen Fabrik in Untertürkheim stand, residierte in einer Villa an der Wagenburgstraße. Quelle: Unbekannt

Von Alexander Müller

Seit mehr als 670 Jahren ist jüdisches Leben in Stuttgart nachweisbar, „es ist aber nur sehr wenig darüber bekannt“, sagt Edith Neumann vom Stadtmuseum. Bislang hat noch niemand die Historie erforscht. Dabei sind die Spuren jüdischer Familien in vielen Orten noch heute erkennbar. Doch das soll sich nun ändern. Das Stadtmuseum möchte die Geschichte der Juden in Stuttgart mit all ihren Facetten bewahren. Zusammen mit der israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs ruft das Stadtmuseum dazu auf, Erinnerungsstücke, Dokumente und Fotografien zu stiften, die Einblicke in die jüdische Geschichte Stuttgarts geben. „Wichtig ist uns dabei, dass wir zu den persönlichen Gegenständen auch die Geschichten bekommen“, sagt Neumann. Das jüdische Leben soll bildlich gemacht werden und nicht anonym bleiben. „Wir wollen den Schicksalen ein Gesicht geben“, erklärt Neumann.

Ein erster Schritt sind die Erinnerungsstücke aus dem Nachlass der bekannten Textilfabrikanten-Familie Wolf aus Untertürkheim. Eine Nachfahrin der ehemaligen Haushälterin Frida Hauff spendete dem Stadtmuseum mehrere Erinnerungsstücke aus dem Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. In erster Linie persönliche Gegenstände der Familie von Max Wolf. Zusammen mit seinen Brüdern Adolf, Moritz und Isidor übernahm er das Geschäft seines Vaters Wolf Wolf, des legendären sogenannten „Lumpensammlers“, das dieser 1870 gründete. Mit viel Geschick bauten sie dieses zu einem großen Unternehmen aus. Die Firma W. Wolf & Soehne erwarb sich schon bald einen weltweiten Ruf als Putzwoll- und Baumwollfabrikant. Bereits 1905 wurde der Hauptsitz nach Untertürkheim verlegt. Die großen Fabrikhallen standen an der Mercedesstraße südlich des Daimlerwerks, auf dem heutigen Werksgelände des Automobilkonzerns. Bereits 1914 wies eine Auflistung über die Stuttgarter Millionäre die Brüder als eine der reichsten Stuttgarter aus. Das belegt auch eine Spende eines ganzen Lazarettzugs an das Kriegsministerium im Januar 1915, was König Wilhelm II. dazu veranlasste, eigens nach Untertürkheim zu fahren, um diesen zu besichtigen. Erst die Machtergreifung der Nationalsozialisten beendete die Erfolgsgeschichte der Unternehmerfamilie. Max Wolf floh mit seiner Frau Betty 1935 in die Schweiz. Bis dahin und später auch in der Schweiz war die Haushälterin Frida Hauff. Unter anderem auch in der Villa in der Wagenburgstraße. „Wenngleich man heute im Zusammenhang mit der Villa Wolf immer das Haus des Bruders am Killesberg meint“, weiß Neumann. Eine weitere Villa stand am Kräherwald, in der heute die Waldorfschule untergebracht ist.

Die Spenden aus dem persönlichen Besitz der Familie Max Wolf umfassen unter anderem eine Fotografie der Villa in der Wagenburgstraße, von Max Wolf sowie Gebetsmäntel (Tallit), Gebetsriemen (Teffilin) oder auch typische Schriftkapseln, die an den Türpfosten befestigt werden (Mesusor). Vom großen Reichtum zeugen zwei kleinere Notizbücher, in denen Max Wolf säuberlich seine Spenden an jüdische Mitbürger eintrug, eine Ehrenurkunde des jüdischen Schwesternwohnheimes für seine wohltätigen Spenden sowie ein Koffer mit edlem Vorlegebesteck. Zudem sind noch weitere typische Gebetsbücher sowie weitere Kultgegenstände erhalten. Aus dem wahren Leben einer jüdischen Familie zeugt auch das mit einem reich verzierten Umschlag versehenen Totengedenkbuch. „Es ist eine von vielen Geschichten jüdischen Lebens in Stuttgart“, hofft Neumann auf weitere Spenden.

Ob irgendwann eine Ausstellung im ab Herbst kommenden Jahres im Wilhelmspalais öffnenden Stadtmuseum zu sehen sein wird, ist offen. „Es ist auf jeden Fall das Ziel. Entscheidend ist aber, dass wir genügend Ausstellungsstücke zusammen bekommen“, sagt Neumann - über die Spuren der jüdischen Geschichte in Stuttgart.