Die Deutsche Bahn AG will die  Panoramastrecke  der  Gäubahn  im  Stadtgebiet  Stuttgart abhängen. Dabei hätte sie laut Gutachten Potenzial. Foto: Lichtgut/Tabea Guenzler

Die Strecke in Stuttgart hat ein hohes Fahrgastpotenzial, sagen Experten vom Verkehrswissenschaftlichen Institut Stuttgart.

Fünf Tage vor einer Sondersitzung des Lenkungskreises von Stuttgart 21 zur Entscheidung über den Bau des Gäubahntunnels zum Stuttgarter Flughafen hat Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Mittwoch ein Gutachten vorgelegt, das der Panoramabahn eine gute Zukunft bescheinigt. Sie ist der Streckenabschnitt der Gäubahn in Stuttgart, der durch S 21 und den Tunnelbau obsolet wird. Die Bahn hat auch kein Interesse am Erhalt signalisiert.

Minister: Über Erhalt reden

„Wir müssen über die Möglichkeit eines Erhalts der Panoramabahn reden“, so Hermann. „Und zwar nicht aus Gründen der Nostalgie.“ Es müsse geprüft werden, ob ihr Erhalt angesichts des Fahrgastpotenzials wirtschaftlich sinnvoll sei. Die Frage wird vom Verkehrswissenschaftlichen Institut Stuttgart mit einem eindeutigen „Ja“ beantwortet. Die Experten hatten bei drei Varianten Fahrgastpotenziale untersucht, bei denen zwei bis neun Haltestellen angelegt werden könnten: zum einen eine schnelle Metropolexpressstrecke mit wenigen Stationen, dann eine S-Bahn-Strecke sowie eine Stadtbahnvariante mit vielen Haltepunkten.

Bis zu 20 000 Fahrgäste am Tag

Das Fazit der Studie: „Mit einem 30-Minuten-Takt können rund 10 000 Fahrgäste am Tag auf der Panoramabahn erwartet werden, bei einem 15-Minuten-Takt sogar rund 20 000.“ Bei diesen Größenordnungen sei man „guten Mutes“, so der Gutachter Stefan Tritschler, dass sich eine Investition in die Strecke rechtfertigen lässt: „Die Panoramabahn sollte auf keinen Fall still gelegt werden.“ Institutsdirektor Ullrich Martin wies darauf hin, dass die Untersuchung von 20 Varianten für sogenannte Durchbindungen – die Führung der Strecke in die Region hinaus – sinnvoll sei und gute Fahrgastzahlen habe. Untersucht worden sind Linien südlich von Stuttgart-Vaihingen – beispielsweise nach Horb oder Tübingen sowie nördlich von Feuerbach beziehungsweise Bad Cannstatt, also beispielsweise Strecken nach Lauffen (Neckar) und Winnenden.

Strecke muss saniert werden

Die Durchbindungen zeigten „sehr gute Effekte“, so die Gutachter, entscheidender sei aber die Erschließung der dicht besiedelten Stuttgarter Gebiete entlang der Panoramabahn. „Es stimmt nicht, dass da nur ein paar Villen liegen, da wohnen 50 000 Leute“, so Hermann. Auch als Entlastung des ÖPNV im Stadtzentrum könnte die „Tangentiallinie“ wirken, außerdem als Ersatzstrecke bei Störfällen oder Wartungen an der Stammlinie der S-Bahn. Als Kosten für den Erhalt hat die Bahn AG bis 2032 für eine Erneuerung des Oberbaus rund 45 Millionen Euro veranschlagt, später sind für Tunnelsanierungen rund 120 Millionen Euro zu erwarten. Die laufenden Instandhaltung kostet eine Million Euro jährlich. Für Hermann ist das gut angelegtes Geld: „Es wäre ein Riesenfehler, die Panoramabahn nicht weiter zu nutzen.“

Die Grüne Landtagsfraktion forderte am Mittwoch eine weiterhin direkte Anbindung der Züge aus Singen in den Stuttgarter Hauptbahnhof. Am heutigen Donnerstag trifft sich der Interessenverband Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn um 9.30 Uhr im Stuttgarter Rathaus zur Positionsbestimmung. Kommunen entlang der Strecke fordern statt des ab 2025 nötigen Zwangsumstiegs in Vaihingen den Erhalt oberirdischer Gleise, bis die Strecke über den Flughafen fertig ist.