Die Testpflicht ist in den Schulen abgeschafft worden. Foto: Avanti/Avanti/Ralf Poller

Die Pandemie treibt die Schulen auch im dritten Jahr um. Hinzu kommen akuter Lehrermangel und verloren gegangenes Sozialverhalten der Schüler.

Es gibt weder eine Test- noch Maskenpflicht, auch Schließungen sind tabu. Dennoch treibt Corona die Schulen weiter um – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Jörg Fröscher, der Leiter der Theodor-Heuglin-Gemeinschaftsschule in Ditzingen-Hirschlanden, äußert sich besorgt. „Wir kriegen so langsam Riesenprobleme“, sagt er angesichts einer „katastrophalen Lehrerversorgung“. Der Lehrermangel führt in Kombination mit Coronafällen übers ganze Jahr und sonstigen Ausfällen dazu, „dass wir an die Belastungsgrenze kommen und teilweise schon drüber sind“. Fröscher sagt, die THS sei schon unterversorgt ins Schuljahr gestartet, mit weniger Lehrkräften als nötig, um den Regelunterricht zu 100 Prozent zu gewährleisten. Bei einer Erkältung sei man nach wenigen Tagen zurück, bei Corona mit Symptomen oft länger weg als fünf Tage.

Lehrkräfte in Teilzeit haben aufgestockt – vielen fehlt Kitabetreuung, um mehr zu arbeiten –, andere machen Überstunden, die Ganztagsbetreuung wurde gekürzt. „Wir haben alles ausgereizt, um auf 100 Prozent zu kommen“, sagt Jörg Fröscher, der mit im Schnitt einer wegen Corona fehlenden Lehrkraft pro Woche rechnet. Und damit, in der nächsten Zeit mangels Personal auch mal eine Klasse einen Tag lang zu Hause lassen zu müssen.

Krankenstand wie sonst in Heimsheim

Bei den Schülern stellt Jörg Fröscher zunehmend positive Fälle fest, „trotz schwacher Testung“. Doch anders als Lehrkräfte, die vermehrt wieder eine Maske tragen würden, täten die Schüler dies „minimalst“. Positive Schüler können sich dem Unterricht zuschalten, wenn nicht gerade ein Fach wie Sport ansteht. Muss eine Klasse zu Hause bleiben, bekommt sie Aufgaben mit heim, „denn dann fehlt mir die Lehrkraft auch für Online-Unterricht“, so Fröscher.

Weniger dramatisch ist die Lage in der Ludwig-Uhland-Schule in Heimsheim. Der Schulleiter Peter Hemmer berichtet von einem „nicht besonders hohen, normalen Krankenstand, wie sonst auch“. Die Möglichkeit zur Impfung entspanne alles. Situationen wie zuletzt, in denen sechs Lehrkräfte ausfielen, darunter eine wegen Corona, „kriegen wir gerade noch so hin“, sagt Peter Hemmer: Anders als andere Schulen sei die Grund-, Haupt- und Realschule zum Schulstart zu 100 Prozent versorgt gewesen mit Lehrkräften. „Wir hatten weder Versetzungsanträge noch Schwangerschaften“, sagt Peter Hemmer. In Baden-Württemberg darf eine schwangere Lehrerin sofort nicht mehr unterrichten. Peter Hemmer beobachtet auch, dass Eltern das Sekretariat längst nicht mehr mit Fragen bombardieren, wenn ihr Kind positiv getestet ist. „Es nimmt die Krankmeldung entgegen und ist kaum noch beratend tätig.“

Maske zur Vorsorge

Masken sind auch in Heimsheim ein seltener Anblick geworden. Schüler würden vereinzelt eine aufsetzen, etwa, wenn sie in der Familie Hochrisikopatienten haben. „Das Kollegium und ich tragen zur Vorsorge eine Maske, wenn wir zum Beispiel erkältet sind“, sagt Peter Hemmer – ein Coronatest zuvor sei dann selbstverständlich. Der Schulleiter sagt, im Vergleich zur Anfangsphase von Corona sei man nun in ruhigerem Fahrwasser. Gleichwohl „wird uns die Pandemie weiter beschäftigen“, fürchtet er. Hybridunterricht ist dabei nicht möglich: Die Infrastruktur in puncto Glasfaseranbindung sei „relativ schlecht“.

Ähnlich ruhig ist es in Renningen. Lehrer würden fehlen, aber weniger wegen Corona, sagt Verena Weidmann-Reisser, die Leiterin der Grundschule Malmsheim und Ansprechpartnerin für das Schulzentrum Renningen. „Die Wetterlage bringt immer kranke Lehrkräfte mit sich.“ So waren am Montag in Malmsheim drei Personen krankgemeldet, eine wegen Corona. Was die Grundschule laut Weidmann-Reisser aber nicht in die Bredouille brachte: Zu Beginn des Schuljahres waren alle Lehrkräfte an Bord. Und auch in der Grundschule sowie im Schulzentrum sei es üblich, eine Maske zu tragen, wenn man verschnupft sei oder krank gewesen.

Mutlose Kinder, die sich nichts zutrauen

Alle drei Schulen spüren bei den Kindern und Jugendlichen die Folgen von Corona und der Schließungen und nutzen das Landesförderprogramm „Lernen mit Rückenwind“, um Lernrückstände auszugleichen und sozial-emotionale Kompetenzen zu stärken. „Vor allem das Sozialverhalten hat gelitten, den Lehrstoff haben wir durchgezogen“, sagt Verena Weidmann-Reisser aus Malmsheim. Sie weiß von Kindern, die mutlos seien, sich nichts zutrauen oder schnell in Stress geraten würden. Bei manchen würden die Gedanken abschweifen, etliche seien belastet, weil sie weniger bis keine Kontakte hatten oder das Familiengefüge durcheinandergeraten ist. Unter anderem machen die Grundschüler Selbstbehauptungskurse und erhalten im Unterricht pädagogische Assistenten.

Jörg Fröscher in Hirschlanden sagt, die schulische Leistung bereite ihm weniger Sorgen. Bei vielen Schülern sei die Sozialkompetenz verloren gegangen, die Fähigkeit, sich angemessen in der Gruppe zu verhalten. „Irgendwas läuft nicht rund, das merken wir bis jetzt.“ Als Beispiel nennt er mehr Auseinandersetzungen wegen Kleinigkeiten. Das Mittel der Wahl: Erlebnispädagogik. In den Klettergarten gehen, Kanu fahren – „das bringt etwas und mehr als Nachhilfe“, findet Jörg Fröscher, der gern mehr Förderung für derlei Projekte hätte.

Größere Lernlücken als vor Corona

Peter Hemmer in Heimsheim bemerkt neben defizitärem Sozialverhalten größere Lernlücken als vor Corona. Das zeigt die Lernstandserhebung in Klasse fünf. In Mathematik seien die Defizite beim Subtrahieren und Dividieren „etwas gravierender als sonst“. Auf Corona dürfe man trotzdem nicht alles schieben, betont Peter Hemmer. Es gehe nun darum zu schauen, woher die Defizite kommen und wie man sie beheben kann.