Jahrzehntelang wurden das Abwasser aus der kolumbianischen Gemeinde Susa in die Lagune Fúquene geleitet. Heute ist der einst größte See des Landes um ein Vielfaches geschrumpft, Fischfang gibt es nicht mehr. Wasserpflanzen sollen nun die Biodiversität des Andensees retten.
Worauf man drei Autostunden nördlich der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá stolz ist, sieht auf den ersten Blick unspektakulär aus: fünf lange Becken, gefüllt mit gräulich-schwarzem Wasser, in denen Pflanzen wachsen. Felipe Valderrama allerdings, Biologe und Manager dieser Grünfilteranlage, ist begeistert. Er zeigt auf einen Mitarbeiter, der mit einer Forke Wasserhyazinthen aus einem der Becken holt. „Mit diesen Pflanzen reinigen wir das Abwasser von Susa“, erklärt Valderrama.
Die Gemeinde Susa liegt auf einer Hochebene im Nordosten der kolumbianischen Anden. Die Einwohner arbeiten als Landwirte und beliefern Bogotá mit Milch, sie betreiben Ackerbau und nutzen Pflanzenschutzmittel. Um das Abwasser, auch aus den Haushalten, hat sich die wachsende Einwohnerschaft bis vor wenigen Jahren wenige Gedanken gemacht. Das hatte Folgen, die man am besten neun Kilometer entfernt sehen kann.
Kein Durchkommen für die Fischer
Hier liegt die Lagune Fúquene, einer der letzten Süßwasserseen der östlichen Andenkette und Trinkwasserquelle für 200 000 Menschen. Vor 80 Jahren war der See mit rund 100 Quadratkilometern und seltenen Fisch- und Vogelarten das größte Gewässer Kolumbiens. Die Abwasser aus Susa jedoch haben den See in ein beinahe stehendes Gewässer verwandelt und ihn auf 30 Quadratkilometer schrumpfen lassen. Fischer wie José Pachon Rodriguez, der wie Dutzende weitere Fischer jahrzehntelang Forellen und Felchen gefangen und seine Familie davon ernährt hat, bleiben jetzt im Hafen.
„Wasserhyazinthen überwuchern unser Gewässer, da ist kaum Durchkommen mit dem Boot“, sagt Pachon Rodriguez und zeigt auf den See, der mancherorts wie ein Teppich aus Moos wirkt. Für die aus dem Amazonas eingeschleppten Wasserpflanzen sind die Schadstoffe Nahrung. Je mehr Abwasser in den See gelangt, desto besser wachen sie.
Vom Feind zum Freund
Den Feind – die Wasserhyazinthe – haben sich Valderrama und weitere Biologen der kolumbianischen Nichtregierungsorganisation Fundación Humedales zum Freund gemacht. Seit acht Jahren filtern die Pflanzen in den Wasserbecken der Grünfilteranlage das Abwasser von Susa – bevor es in die Lagune Fúquene fließt. Der 38-jährige Kolumbianer, dessen Vater die Organisation mit ein paar Freunden gegründet hat, führt einmal um die Grünfilteranlage herum und öffnet eine Betonabdeckung. Das schäumende, faulig riechende Abwasser fließt durch den darunterliegenden Schacht. Von hier aus wird das Wasser zunächst in einem Tank gesammelt, grobe Teile werden abgeschieden und Öle sowie Fette herausgefiltert.
Dann gelangt das Wasser in die mit Wasserhyazinthen gefüllten Wasserbecken. In den seichten und schmalen Kanälen umfließt das Wasser die Pflanzen und wird durch die hungrigen Wurzeln gereinigt. Einmal in der Woche holt ein Arbeiter aus Susa die groß gewachsenen Pflanzen mit einer Forke heraus und ersetzt sie gegen frisches Grün.
Schon jetzt ist die Anlage überlastet
Valderrama führt durch ein Tor im Maschendrahtzaun. Nach etwa hundert Metern hört man das Geplätscher eines schmalen Bachs, den Rio Susa. Er ist das Verbindungsglied zwischen Susa und der Lagune Fúquene. In ihn fließt das geklärte Wasser aus dem Grünfilter – und mischt sich mit dem restlichen Abwasser von Susa. „Bisher wird nur ein Drittel des Abwassers geklärt, unsere Anlage ist nicht groß genug“, erklärt Valderrama.
Statt die Grünfilteranlage um weitere Wasserbecken zu erweitern, hat die Gemeindeverwaltung beschlossen, eine konventionellen Abwasserreinigungsanlage zu bauen, die das Wasser mit chemischen Filtern klärt. So wolle es das kolumbianische Umweltministerium. Geplant sei, dass die konventionelle Anlage die Vorreinigung übernimmt und der Grünfilter das Abwasser nachreinigt, erklärt ein Sprecher des Reinigungstechnikspezialisten Kärcher aus Winnenden, der die Anlage in Susa sowie weltweit 17 weitere Grünfilter in Entwicklungs- und Schwellenländern mitfinanziert. Weitere Anlagen seien bereits in Planung.
Einfache Lösungen seien oft die Besseren
Valderrama kann die Entscheidung der Gemeindeverwaltung nicht nachvollziehen. Besonders in Entwicklungsländern seien naturbasierte, günstige Lösungen ohne aufwendige Technik meist die besseren. „Die neue Anlage ist fehleranfällig und wird viel Strom verbrauchen. Für die Bewohner wird sie zudem teurer sein“, merkt Valderrama an. Geht die Anlage kaputt, müssten Techniker aus Bogotá kommen. Um die Grünfilteranlage hingegen kann sich die Gemeinde selbst kümmern.
In einem halben Jahr soll die neue Kläranlage in Betrieb gehen. Dann wird sich langsam, aber stetig die Wasserqualität der Lagune Fúquene verbessern – und Fischer wie José Pachon Rodriguez könnten zurück in ihre Fischerboote steigen.