Agri-Photovoltaik ist in Baden-Württemberg noch eine Seltenheit. (Symbolbild) Foto: dpa/Felix Kästle

Schutz der Ernte vor Unwettern, Strom für die Anwohner: Photovoltaik auf Anbauflächen kann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wollen Bauern solche Anlagen bauen, haben sie aber mit einigen Hindernissen zu kämpfen. Helfen soll ein Forschungsprojekt.

Hubert Bernhard blickt nach links und rechts und lächelt. „Schaut genau gleich aus“, sagt der Obstbauer und greift nach einem Apfel der Sorte Gala, der rechts unter einem Solarmodul wächst. Seit Mai reifen die Früchte auf rund 4000 Quadratmetern Fläche unter einer Photovoltaik-Anlage, die in der Spitze rund 230 Kilowatt Strom erzeugt. Vergleicht Bernhard die Äpfel mit denen, die auf dem Hof in Kressbronn am Bodensee links ohne die besondere Überdachung wachsen, ist seine Zwischenbilanz klar: „Die Äpfel sind ganz normal - eher sogar größer als sonst.“

Agri-Photovoltaik ist in Baden-Württemberg eine Seltenheit. Nach Angaben des Umweltministeriums in Stuttgart gibt es im Land bisher nur drei solcher Anlagen, die auf regulären Anbauflächen Strom erzeugen. Die Hofgemeinschaft Heggelbach im Landkreis Sigmaringen baut schon seit dem Jahr 2016 unter Solarmodulen Weizen, Kleegras, Kartoffeln und Sellerie an. Bei Donaueschingen stehen seit fast zwei Jahren senkrecht angebrachte Solarzellen, zwischen denen Gras als Tierfutter gemäht werden kann.

Mit einem Forschungsprojekt will die Landesregierung nun den Ausbau solcher Anlagen im Land voranbringen. Neben den Modulen auf dem Obsthof in Kressbronn gehören dazu insgesamt vier Versuchsanlagen beim Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee in Ravensburg, auf einem Obstversuchsgut der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt Weinsberg, in Karlsruhe und in Oberkirch (Ortenaukreis). Bis zum Jahr 2024 soll dort beobachtet werden, wie die Stromerzeugung funktioniert und wie sich die Anlagen auf den Obstbau auswirken.

Über Obstbäumen sei ein Einsatz von Solarmodulen vor allem interessant, weil diese die Früchte vor Unwettern mit Hagel und Starkregen schützen könnten, sagt eine Sprecherin des Umweltministeriums. Bisher schützten viele Obstbauern ihre Pflanzen mit Netzen und Folien. Schwieriger sei die Errichtung von Solarmodulen im Ackerbau, weil diese viel höher angebracht werden müssen, um zum Beispiel Erntemaschinen die Durchfahrt zu ermöglichen. Flächen mit Pflanzen wie Mais, die besonders viel Licht brauchen, seien im Vergleich am wenigsten für Agri-Photovoltaik geeignet.

Die Idee für solche Anlagen ist nach Angaben des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg schon mehr als 40 Jahre alt. Damals untersuchten ISE-Gründer Adolf Goetzberger und Physiker Armin Zastrow, wie Photovoltaik-Anlagen angepasst werden können, um auf der Fläche auch Pflanzenwachstum zu ermöglichen.

Das Interesse an der Anlage ist riesig

Dass die Anlagen in einem sonnenverwöhnten Land wie Baden-Württemberg bisher so selten sind, hat mehrere Gründe. Zum einen sind für die Solarmodule wie auch für Anlagen auf Freiflächen Baugenehmigungen nötig, die wegen hoher rechtlicher Hürden immer wieder verweigert wurden. Zum anderen gab es für Strom aus Agri-Photovoltaik bis zum vergangenen Jahr keine Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dazu kommen Baukosten von meist mehreren Hunderttausend Euro, die viele Höfe nicht allein stemmen können.

Hubert Bernhard ist mit seinen Solarmodulen über den Apfelbäumen bisher dennoch sehr zufrieden. Durch das Forschungsprojekt steuerte das Land die Hälfte der rund 400 000 Euro zur Anlage bei, die Äpfel reifen, der bisher sonnige Sommer lässt die Solarpaneele viel Strom produzieren, der ins Netz eingespeist wird. Dafür bekommt Bernhard wiederum Geld. Gleichzeitig spare er bei Wasser und Pflanzenschutz, sagt der 59-Jährige. Die Bäume bekämen weniger Regen direkt ab, daher sei die Gefahr durch Pilzkrankheiten geringer. Gleichzeitig verdunste durch die teilweise Überdachung weniger Flüssigkeit aus den Pflanzen.

„Für uns Obstbauern wäre das eine richtig gute Sache, wenn das funktioniert“, betont Bernhard. Das Interesse an der Anlage sei riesig - sowohl von anderen Landwirten als auch von Anwohnern und Touristen. „Ich habe fast jeden Tag Gruppen hier für Führungen“, sagt Bernhard. Verständnis dafür zu wecken, sei wichtig - gerade in einer bei Ausflüglern beliebten Region, wo schnell die Sorge aufkomme, solche Anlagen könnten das Landschaftsbild zerstören.

Auf einem angrenzenden Feld probiert Bernhard schon eine mögliche Lösung für dieses Problem aus: Apfelbäume, die niedriger und kompakter wachsen. „Dann kann man die Anlage noch einen Meter runterziehen“, sagt Bernhard. Wenn sich die Agri-Photovoltaik bewährt, will er die Anlage möglichst behalten und ausbauen - auch als Investition in die Zukunft seiner Tochter, die im Jahr 2019 in den Betrieb eingestiegen ist. Bernhard wirft noch einmal einen Blick auf die Gala-Äpfel und sagt: „Im Moment sieht’s richtig gut aus.“