An der Uni Stuttgart haben viele Studierende unter der Pandemie gelitten. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Ein verwaister Campus, Krisensitzungen, Angst vor Einbrechen der Drittmittel: Der Stuttgarter Unirektor Wolfram Ressel zeichnet ein sehr durchwachsenes Pandemiejahr. Aber es gab auch positive Überraschungen.

Erstmals seit Beginn der Pandemie hat der Stuttgarter Unirektor Wolfram Ressel seinen Jahresbericht vor Senat und Unirat wieder live gegeben. „2021 war geprägt von der Pandemie – wir mussten da sehr viel zaubern“, sagte er eingangs. Bei der Sitzung im großen Tiefenhörsaal half hingegen alles Zaubern nichts: Weil die Technik streikte, mussten die Teilnehmer in den kleineren Saal ausweichen. Aber Hauptsache Präsenz. „Wir hatten drei Semester lang einen verwaisten Campus und verschlossene Türen – es war eine Geisterstadt“, so Ressel rückblickend, vor allem in Vaihingen.

„Wir hatten täglich Krisensitzungen in der Verwaltung, die Organisation des Lehrbetriebs war sehr aufwendig.“ Aber die Umstellung auf Online-Lehre habe funktioniert. Allerdings mit großen Abstrichen für die Studierenden: „Wir hatten viel zu wenige Lernplätze“, räumt der Rektor ein. Das sei inzwischen zwar besser, „aber wir sind meilenweit davon entfernt, etwas wirklich Vollständiges anbieten zu können“. Dabei sei die Universität im Sommer zu 100 Prozent auf Präsenz umgestiegen, parallel teilweise mit Online-Angeboten.

Auf elektronische Prüfungen habe man bisher verzichtet, auch wegen der rechtlichen Probleme. In einem Projektverbund der baden-württembergischen Hochschulen werde man diese Möglichkeiten jedoch systematisch erschließen und erproben. Auch die Lehr- und Lernplattform Ilias wolle man als digitales Prüfungssystem ausbauen, gemeinsam mit den Universitäten Hohenheim und Freiburg. Auch in der Verwaltung gebe es Fortschritte bei der Digitalisierung sowie neue Möglichkeiten, um Forschungsdaten zu speichern, zu archivieren und zu publizieren. Für die Mitteilung, dass die Uni Stuttgart vom Technikmagazin „Chip“ mit dem Digital Award ausgezeichnet worden sei „als Einrichtung, die die digitale Revolution vorantreibt“, kassierte Wolfram Ressel allerdings heiteres Gelächter im Saal.

Uni baut Digitalisierung aus

Quantencomputer und weißer Phosphor aus Klärschlamm

In der Forschung sei es gelungen, „große Projekte an Land zu ziehen, trotz Pandemie“: etwa ein mit zwei Millionen gefördertes Verbundprojekt, bei dem die Stuttgarter Forscher mit Rydbergatomen den Prototypen eines Quantencomputers entwickeln wollen; ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Schwerpunktprogramm zur Modellierung, Numerik und Nutzbarkeit von biomechanischen Modellen zur Anwendung in der Medizin; ein mit 15 Millionen Euro gefördertes Recyclingverfahren zur Herstellung von weißem Phosphor aus Klärschlamm; die mit 30 Millionen Euro geförderte Entwicklung einer wandlungsfähigen, energieflexiblen und vernetzten H2-Industrie-Forschungsplattform.

„Ich hatte die Befürchtung, dass uns die Drittmittel in der Pandemie einbrechen. Aber das war nicht so – sie sind gestiegen“, berichtet Ressel stolz. Auf 260 Millionen Euro im Jahr. Den Anteil der DFG von knapp 25 Prozent wolle er gern auf 30 Prozent steigern. Ziel sei, ein Drittel der Forschung in der Grundlagenforschung zu haben. Und wer hätte gedacht, dass die technisch orientierte Uni Stuttgart es in den Geistes- und Sozialwissenschaften bei den DFG-Bewilligungen mal unter die Top 3 in Deutschland schaffen würde? „Klein, aber fein“, meint Ressel dazu.