Biohausmüll – zu schade für die Tonne Foto: dpa/Arno Burgi

Bioabfall ist viel mehr als nur Kompost. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Baden-Württemberg wollen das beweisen und demnächst unter Federführung der Universitäten Stuttgart und Hohenheim aus Biomüll unter anderem Pflanzentöpfe produzieren.

Was passiert eigentlich mit dem Abfall aus der Biotonne? Bisher entsteht daraus zu rund 90 Prozent Kompost. Ein kleinerer Anteil wird zu Biogas umgewandelt und für die Strom- und Wärmeerzeugung genutzt. Doch ob Schnittgut oder Speisereste – Biomüll aus dem Haushalt ist eigentlich viel wertvoller. Das wollen jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Baden-Württemberg unter Federführung der Universitäten Stuttgart und Hohenheim beweisen. Die Forscher wollen demnächst aus Biomüll unter anderem Pflanzentöpfe produzieren.

Bisher werden solche Töpfe, in denen zum Beispiel Geranien aus dem Gartencenter stecken, aus PVC hergestellt und nach dem Einpflanzen meist weggeworfen. Wenn es nach den Wissenschaftlern geht, sollen die Käufer künftig diese Töpfe jedoch mitsamt der Pflanze eingraben können. Weil sie aus einem Bestandteil des Biomülls hergestellt sind, sind sie auch biologisch abbaubar. Und die Wurzeln der Pflanzen wachsen ganz einfach durch den Topf hindurch ins Erdreich.

Und so wird der Biomüll behandelt, um daraus Rohstoffe zu gewinnen

„In der Vergangenheit wurde der Bioabfall immer als Ganzes genutzt, um Kompost oder Biogas zu gewinnen“, erklärt Claudia Maurer vom Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart. Die Agrarwissenschaftlerin leitet gemeinsam mit Hans Oechsner von der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie der Universität Hohenheim das interdisziplinäre Forschungsprojekt, das Teil der sogenannten Landesstrategie für nachhaltige Bioökonomie ist. „Das Neue ist: wir schlüsseln jetzt den Abfall in seine festen und flüssigen Bestandteile auf“, sagt sie.

Gelingen soll das in einer sogenannten Bioraffinerie, in der der Bioabfall unter hohem Druck und hohen Temperaturen vorbehandelt wird. Das Ergebnis dieses Verfahrens sind neben einem flüssigen Anteil auch Fasern unterschiedlicher Länge. Aus den mittellangen Fasern sollen später die Pflanztöpfe gepresst werden, die sowohl Kunststofftöpfe als auch torfhaltige Töpfe ersetzen können. Die längeren Fasern können als Mulchmaterial auf ökologisch bewirtschafteten Flächen eingesetzt werden, wo sie CO2 im Boden binden.

Damit werden verschiedene Produkte parallel erzeugt

Der flüssige Anteil des Bioabfalls soll perspektivisch wiederum zur Herstellung eines Biokunststoffs verwendet werden oder um in einem optimierten Verfahren erneut Biogas sowie Düngerkonzentrat zu gewinnen. „Wir werden also mit dem neuen Verfahren verschiedene Produkte parallel erzeugen“, sagt Hans Oechsner.

Die rund 1,6 Millionen Euro teure Demonstrationsanlage, in der das neuartige Verfahren im kommenden Jahr erprobt werden soll, entsteht derzeit in der kommunalen Bioabfallvergärungsanlage der Abfallwirtschaft Rems-Murr in Backnang. Sie soll nach Fertigstellung täglich eine Tonne Bioabfall zu hochwertigen Produkten und Rohstoffen verarbeiten. „Die Kombination einzelner bereits bekannter Verfahren innerhalb einer solchen modularen Bioraffinerie ist einmalig“, so Maurer. Bereits Anfang kommenden Jahres sollen versuchsweise die ersten Pflanztöpfe entstehen.

Im Sommer ist der Biomüll ein anderer als im Winter

Eine Schwierigkeit besteht darin, so die Wissenschaftler, aus unterschiedlich zusammengesetztem Bioabfall gleichermaßen gute Ergebnisse zu erzielen. „Wir haben im Winter anderen häuslichen Abfall als im Sommer“, so Claudia Maurer. Ein Teil der Forschung bestehe deshalb darin, herauszufinden, wie auf diese unterschiedlichen Zusammensetzungen technisch reagiert werden muss.

Insgesamt zehn Institutionen und Unternehmen, allesamt aus Baden-Württemberg, arbeiten gemeinsam an der Entwicklung dieser neuartigen Bioabfallverwertung, darunter auch das Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) sowie die Hochschule Offenburg. Gefördert wird das Projekt, das auf zwei Jahre begrenzt ist, mit insgesamt rund 5,9 Millionen Euro aus Mitteln des Landes und der EU.