Gegen den allgemeinen Trend: Die Zahl der Unfälle an gesicherten Klettersteigen ist 2020 gestiegen. Foto: imago images//Mara Brandl

So wenige Todesfälle wie noch nie hat der Deutsche Alpenverein im Jahr 2020 in den Bergen verzeichnet – auch wegen Corona. Nur an Klettersteigen und beim Mountainbiken steigen die Unfallzahlen.

München - Beim Sport in den Bergen sind im vergangenen Jahr so wenige Menschen tödlich verunglückt wie noch nie. Das geht aus der jährlichen Unfallstatistik hervor, die der Deutsche Alpenverein (DAV) am Mittwoch in München vorgestellt hat. So seien im Berichtszeitraum von November 2019 bis Oktober 2020 insgesamt 28 DAV-Mitglieder beim Bergsport gestorben, teilte der Verein mit. Das sind halb so viele wie im Vorjahr, als 56 Todesfälle gemeldet wurden, und am wenigsten seit Beginn der Erhebung 1952.

Der langfristige Trend zu geringeren Unfallquoten setzt sich fort

Für das Jahr ließ sich nach Angaben des DAV auch ein Corona-Effekt feststellen: Die monatlich gemeldeten Unfälle lagen in den Lockdown-Monaten März, April, Mai und Oktober 2020 deutlich unter dem Durchschnitt, als zudem Berggebiete in anderen Ländern teilweise gar nicht erreichbar waren. „Das wurde aufgewogen durch die zum Teil überdurchschnittlichen Aktivitäten und Unfälle in den Sommermonaten“, erläuterte Lukas Fritz von der DAV-Sicherheitsforschung. Die Sorge, dass durch einen pandemiebedingten Ansturm auf die Berge viele Unerfahrene in Gefahr geraten könnten, habe sich jedoch nicht bestätigt, sagte DAV-Sprecher Thomas Bucher.

Auch der historische Tiefstand der Todesfälle sei laut DAV zum Teil durch die Pandemie zu erklären, weil der Verein an seine Mitglieder appelliert habe, sich in den Bergen zurückzuhalten. Lukas Fritz betonte: „Der langfristige Trend zu geringeren Unfallquoten setzt sich erfreulicherweise fort.“ Die meisten tödlichen Unfälle ereigneten sich beim Wandern (12) und Bergsteigen (8), gefolgt vom Alpinklettern (3). Die häufigsten Todesursachen für Bergwanderer waren laut der DAV-Statistik Stürze und Kreislaufversagen. „Das betrifft vor allem Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen“, erklärte Fritz.

In der Gesamtstatistik der Notlagen (auch ohne Todesfolge) führen ebenfalls das Wandern (33 Prozent) sowie Pisten- und Variantenskifahren (27 Prozent). Diese seien jedoch nicht unbedingt gefährlicher, sondern vor allem am beliebtesten unter den rund 1,4 Millionen DAV-Mitgliedern, so Fritz: „Auf Basis einer Umfrage von 2018/19 müsste ein DAV-Mitglied 228 Jahre lang jeden Tag eine Wanderung unternehmen, bis es statistisch gesehen zum ersten Mal eine Verletzung erleidet.“

Von einem Krieg zwischen Wanderern und Bikern kann keine Rede sein

Nur in zwei Bergsportarten sind die Notlagen in der DAV-Statistik im vergangenen Jahr angestiegen: Beim Klettersteiggehen und beim Mountainbiken. Während 2020 insgesamt 65 Notfälle von Mountainbikern mit einem Todesfall gemeldet wurden, waren es im Jahr zuvor noch 38 mit einem Todesfall. Dabei lag der Anteil der E-Bikes in diesem Jahr jedoch nur bei 12 Prozent. Es habe sich überwiegend um Stürze bei der Abfahrt gehandelt, die Mehrzahl in Bikeparks. Keiner der Unfälle sei auf eine Kollision mit einem Fußgänger zurückzuführen, es sei jeweils nur die Person auf dem Mountainbike betroffen gewesen. „In den Unfallzahlen ist kein Krieg zwischen Mountainbikern und Wanderern zu sehen, wie er zum Teil behauptet wird“, so DAV-Sprecher Bucher.

Die Notfälle an gesicherten Klettersteigen haben sich mehr als verdoppelt: von 33 (zwei Tote) im Jahr 2019 auf 69 Fälle (drei Tote) 2020. Auffällig sei laut DAV daran, dass die Mehrzahl der Notlagen auf sogenannte Blockierungen zurückzuführen seien. „Blockierung bedeutet, dass man aus eigener Kraft weder vor noch zurück kommt“, erläuterte Fritz. Das könne an Selbstüberschätzung liegen oder auch an fehlender Kondition. „Wir haben in den Zahlen für 2020 sehr stark die Zahl der überforderten Kinder in Begleitung ihrer Eltern gesehen“, so Fritz. „Die Mehrzahl hat sich in sehr schwierigen Klettersteigen befunden.“ Der DAV rät, nicht mit den schwersten Routen anzufangen und auf eine gute Tourenplanung, gesunde Selbsteinschätzung und ausreichendes Training zu achten. Im Notfall sei es besser, lieber früher als später die Bergwacht zu rufen.

Die Gesamtzahl der Notlagen stieg im Jahr 2020 leicht von 896 auf 920, die Zahl der verunglückten Personen sank hingegen von 1162 auf 1145. In die Statistik fließen alle Notlagen ein, die DAV-Mitglieder weltweit an den Verein melden.