In welchem Zustand waren die Türen in dem Heutingsheimer Kindergarten? Dieser Frage geht nun ein Sachverständiger nach, der den Unfall rekonstruieren soll. Foto: Werner Kuhnle

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart gibt ein Gutachten in Auftrag. Es soll die Umstände des Unfalls in einer Freiberger Kita klären, bei dem ein Junge schwer verletzt wurde.

Immer noch beschäftigt die Freiberger der schreckliche Unfall im Käthe-Kollwitz-Kindergarten in Stadtteil Heutingsheim. Die beteiligten Behörden sind um Aufklärung bemüht. Wie es dazu kommen konnte, dass eine Terrassentür auf den fünfjährigen Noah (Name geändert) fallen konnte, soll nun ein Gutachten klären, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart in Auftrag gegeben hat. Das teilte das Polizeipräsidium Ludwigsburg am Montag auf Nachfrage mit.

Dem Kind geht es inzwischen etwas besser

Noah hatte an jenem 7. Oktober gegen 12.30 Uhr die Terrassentüre der Kita geöffnet. Er wollte vom Außen- in den Innenbereich wechseln. Dabei brach die Tür aus den Angeln und fiel auf ihn. Noah erlitt schwere Verletzungen an Kopf und Nacken. Ob er bleibende Schäden davonträgt, steht noch nicht fest. „Er ist noch immer sehr blass, aber es geht ihm schon besser“, sagte sein Vater am Montag. Sein Sohn werde jedoch in den nächsten drei Monaten nicht in den Kindergarten gehen können. Man besuche regelmäßig den Arzt. Psychologische Begleitung brauche das Kind nicht. „Es reicht, wenn die Mutter da ist – er braucht vor allem ihre Nähe.“ Dafür, dass er einen solche schweren Unfall erlitten habe, sei die Familie mit seinem aktuellen Zustand „sehr glücklich“.

Gleichwohl ermittelt die Staatsanwaltschaft immer noch wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen unbekannt – und erhofft sich von der in Auftrag gegebenen Expertise Rückschlüsse. „Das Gutachten dient zur Rekonstruktion des Geschehens vom 7. Oktober“, erklärt Yvonne Schächtele, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. Der Sachverständige werde alle notwendigen Faktoren miteinbeziehen. Dass ein kleines Kind, das laut erstem Polizeibericht in den Innenraum gerannt und gestolpert sein soll, eine derart massive Tür in einem normalen Zustand beeinträchtigen kann, war von Elternseite bezweifelt worden. Auch die Stadt Freiberg wollte ihre Aussage im Elternbrief, wonach der kleine Noah die Tür selbst aufgestoßen habe und sie dann aus den Angeln gebrochen war, nicht so verstanden wissen, dass das Kind ursächlich für den Unfall ist – und hatte sich für die missverständliche Wortwahl entschuldigt.

Wie der Hergang seinen Lauf nahm, fragen sich seitdem alle Beteiligten. Die Stadt Freiberg hatte in einem ersten Schreiben an die Eltern erklärt, erst im Frühsommer sei bei der jährlichen Begehung der Türen kein Schaden protokolliert worden. Ob Materialermüdung trotzdem eine Rolle gespielt haben könnte? Nährboden für diese Annahme bietet die Nachricht, dass es bereits im Jahr 2020 zu einem ähnlichen Vorfall gekommen war – nur auf der entgegengesetzten Gebäudeseite des Kindergartens, der in der Nähe des Bahnhofs seht. Auch damals wollte offenbar ein Kind ins Innere gelangen und blieb unverletzt, als die Tür aus den Angeln brach und fiel. Zur Sprache kam dieser Vorfall aber wohl erst beim Informationsabend am vergangenen Mittwoch.

Referatsleiter gab wohl an, nichts von der anderen Tür gewusst zu haben

Wie mehrere Teilnehmer des Abends bestätigten, habe die Verwaltung gesagt, sie habe bis kurz vor dem Info-Abend noch keine Kenntnisse über den Vorfall vor zwei Jahren gehabt. Offenbar konnte das Team um Bürgermeister Dirk Schaible noch herausfinden, dass es sich nicht um ein und dieselbe Terrassentür, sondern um zwei verschiedene Türen gehandelt habe. Als der Vater von Noah den Ersten Beigeordneten Stefan Kegreiß am Informationsabend gefragt habe, ob er von der anderen Tür wusste, habe der Leiter des Baureferates mit „Nein“ geantwortet. Lässt dieser Hergang Rückschlüsse zu, ob eine Informationskette zum Freiberger Bürgermeister Dirk Schaible gerissen war? Vermutlich hätten die beiden in der Verwaltungsspitze der Stadt das Notwendige veranlasst, um baulich auf Nummer sicher zu gehen.

Auf Nachfrage unserer Zeitung will Dirk Schaible Einzelheiten aus dem Elternabend weder bestätigen noch dementieren. „Ich bin wegen der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gebeten worden, keine Auskünfte mehr zu geben.“ Derzeit würde viel über den Unfall spekuliert – dies wolle er nicht weiter anheizen. Die Medienberichte hätten dazu beigetragen, dass die Arbeit im Kindergarten nicht hätte fortgesetzt werden können. Seine Verwaltung habe aber alles Verfügbare der Polizei übergeben, damit sie die Fakten zusammentragen und ermitteln könne. Dazu gehörten auch Elternhinweise zu der aus den Angeln gebrochenen Tür vor zwei Jahren.

Wer hätte die Türen möglicherweise besser überwachen sollen?

Die Beteiligten werden sich nun also gedulden müssen, bis der von der Staatsanwaltschaft Stuttgart beauftragte Gutachter seine Arbeit abgeschlossen hat. Ob die beiden ähnlich beschädigten Türen in dem Kindergarten überhaupt in einem Zusammenhang stehen – darauf wird der Sachverständige ebenso eingehen wie auf die Frage, wer den Zustand der Türen möglicherweise besser hätte überwachen sollen.