Kamerabilder werden nicht live gesichtet – und die Übertragung hat auch tote Winkel. Foto: dpa/Lukas Schulze (Symbolbild)

Am Freitag stürzt ein Mann auf die Gleise am Bahnhof Bad Cannstatt und wird von einem Zug erfasst. Er hat dort eine halbe Stunde lang unbemerkt gelegen – wie kann das sein?

Nach einem Unfall in Bad Cannstatt am Freitagmorgen kam die Frage auf, wie ein Mensch mehr als eine halbe Stunde lang an einem Bahnhof im Gleisbereich liegen kann, ohne dass es jemand bemerkt. Das ist einem 38-Jährigen widerfahren, der – vermutlich stark alkoholisiert – gegen 3.30 Uhr und damit vor Betriebsbeginn in die Gleise gefallen war. Eine Bahn, die als erste gegen 4.15 Uhr einfuhr, rollte über seine Hände.

Am Bahnsteig war zu dieser Zeit niemand

Dass der Mann so lange unbemerkt dort lag erkläre sich aus mehreren Faktoren, sagt eine Sprecherin der Bundespolizei. „Zum einen war er ganz allein auf dem Bahnsteig zu einer Zeit, in der keine S-Bahnen fahren, also sah auch niemand seinen Sturz“, erläutert sie. Zum anderen wurde der Sturz zwar von der Überwachungskamera aufgezeichnet und dadurch kenne man den Zeitpunkt, jedoch habe niemand das Livebild aller Kameras an sämtlichen Stationen auf dem Schirm. Technisch sei es möglich, dass sich die Beamtinnen und Beamten des Reviers am Hauptbahnhof auf jede Kamera der Bahn aufschalten und Livebilder bekommen, aber natürlich könne man nur ein paar gleichzeitig auf den Bildschirm legen.

Die Kameras haben auch tote Winkel

Die Kameras sind in erster Linie „für bahnbetriebliche Zwecke da“, erklärt ein Sprecher der Deutschen Bahn. Zwar könnte die Polizei, wenn etwas vorgefallen sei, das Material anfordern und sichern. Ansonsten darf die Bahn die Speichermedien nur einlegen und entnehmen, aber nicht einsehen. Das Livebild ist für die Mitarbeitenden im Ansagezentrum gedacht: Dort wird auf die Monitore geschaut, um etwa festzustellen, ob ein Zug schon gehalten hat, damit eine Ansage nicht vor geschlossenen Zugtüren abgespielt werde. Den gesamten Bahnsteig würden die Kameras nicht abdecken, daher gebe es auch tote Winkel – wie den Bereich unter der Bahnsteigkante neben den Schienen. Dort hatte der am Freitag Verletzte vermutlich gelegen, was ihn vor schlimmeren Verletzungen schützte.