Für die notwendige Verlängerung des Führerscheins sollen Verkehrsteilnehmer künftig bestätigen, dass sie fit genug zum Fahren sind.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Jedes Jahr sterben in Europa mehr als 20 000 Menschen bei einem Verkehrsunfall. Um diese Zahl zu reduzieren, plant die Europäische Union einige neue Regeln für den Straßenverkehr. Heftig umstritten sind die angestrebten Neuerungen für ältere Menschen. Die sollen in Zukunft bei einer Verlängerung ihres Führerscheins bestätigen, dass sie fit genug zum Fahren sind. Das kann über eine Selbsteinschätzung geschehen oder über einen Gesundheitstest. Nicht geklärt aber ist, nach welchem Zeitraum ein Führerschein verlängert werden muss. Die EU-Kommission hatte im März vorgeschlagen, dass Menschen über 70 Jahre künftig alle fünf Jahre entweder eine Selbsteinschätzung zur Fahrtauglichkeit ausfüllen oder sich ärztlich untersuchen lassen sollen. Die EU-Staaten wollen hingegen, dass Führerscheine nur alle zehn bis 15 Jahre verlängert werden müssen.
Damit konnte sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei seinen Kollegen in Brüssel nicht durchsetzen. Der FDP-Politiker lehnt verpflichtende Gesundheitschecks für Senioren generell ab. Diese Untersuchungen sind in zahlreichen europäischen Ländern wie etwa Irland, Luxemburg oder den Niederlanden ab einem gewissen Alter notwendig. In Spanien müssen Autofahrer alle zehn Jahre zum Arzt, ab dem Alter von 65 sogar alle fünf Jahre.
Auseinandersetzungen sind programmiert
Das Votum des Rats ist allerdings noch nicht bindend. Bevor die neuen Regeln endgültig in Kraft treten können, muss zu dem Vorhaben noch ein Kompromiss mit dem Europaparlament gefunden werden. Bei diesen Verhandlungen sind einige Auseinandersetzungen programmiert. Die im Verkehrsausschuss zuständige französische Abgeordnete Karima Delli hat im Vorfeld wesentliche Verschärfungen gefordert. Sie will verpflichtende medizinischen Checks, deutlichen Einschränkungen für Fahranfänger und strengeren Geschwindigkeitsbegrenzungen durchsetzen. Unwahrscheinlich aber ist, dass sie sich damit im Parlament durchsetzt.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber forderte am Montag, dass der „Alters-Tüv“ verhindert werden müsse. „Viele ältere Autofahrer können sehr gut selbst einschätzen, ob sie noch in der Lage sind zu fahren oder nicht“, sagte er. In dieselbe Kerbe schlug Jens Gieseke, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Die Mitgliedstaaten setzten richtigerweise auf die „Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen“, sagt der CDU-Politiker.
Unterschiedliche Auslegung der Statistik zu Unfällen
Hintergrund für die Auseinandersetzung um die älteren Autofahrer ist auch die unterschiedliche Auslegung einer Statistik zu Unfällen im Straßenverkehr. Wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden vom Montag hervorgeht, haben ältere Autofahrer häufiger die Hauptschuld als jüngere, wenn sie an Unfällen mit Personenschaden beteiligt sind. Der Statistik zufolge waren Menschen ab 65 vergangenes Jahr in mehr als zwei Dritteln dieser Fälle (69 Prozent) die Hauptverursachenden.
Gleichzeitig belegt die Statistik, dass ältere Menschen gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung seltener in Verkehrsunfälle verstrickt sind als jüngere. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Menschen im Alter schlicht seltener mit dem Auto unterwegs sind, weil sie etwa nicht mehr zur Arbeit fahren müssen. Auf diese Statistik bezog sich Verkehrsminister Wissing, als er vor einigen Wochen seine eigene Haltung begründete: „Wir haben bei den älteren Autofahrern keine signifikanten Unfallzahlen und damit keinen Grund für einen Generalverdacht.“ Widerspruch erntete er dafür von Wissenschaftlern, die glauben, dass der FDP-Politiker die Gefahren durch Senioren am Steuer unterschätze. Zwar seien ältere Menschen mit Blick auf die absoluten Zahlen im Schnitt nicht öfter an Unfällen beteiligt, räumt etwa der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann, ein. Ihm zufolge sterben aber gemessen an der Fahrleistung bei Unfällen, an denen Menschen über 75 Jahren beteiligt sind, genauso viele Menschen wie bei Unfällen, an denen die Hochrisikogruppe der 18- bis 21-Jährigen beteiligt ist. Um die Unfallhäufigkeit in dieser Gruppe der jungen Menschen zu senken, wollen die EU-Staaten, dass eine Probezeit und begleitetes Fahren ab 17 Jahren EU-weit zum Standard werden.