Steht für den FC Bayern: Uli Hoeneß Foto: dpa/Sven Hoppe

Uli Hoeneß hat den FC Bayern als Macher über Jahrzehnte geprägt. Im November 2019 trat er als Präsident ab. Zum 70. Geburtstag spricht er über sein bewegtes Leben, das Streitthema Katar und ein Mikro ohne Saft, drei unverzichtbare Ü30-Stars, Corona und die Ampelregierung.

München - Auch zwei Jahre nach seinem Rückzug aus der ersten Reihe des FC Bayern München nimmt der Fußball-Rekordmeister immer noch eine zentrale Rolle im Leben von Uli Hoeneß ein. Das Wort des Ehrenpräsidenten hat weiter intern und extern Gewicht. „Ich bin ein Glückskind“, sagt Hoeneß im Interview der Deutschen Presse-Agentur zu seinem 70. Geburtstag am kommenden Mittwoch (5. Januar).

Herr Hoeneß, zu Ihrem 60. Geburtstag hat der FC Bayern ein großes Fest im einstigen Münchner Postpalast mit Thomas Gottschalk als Moderator ausgerichtet. Wie werden Sie Ihren 70. Geburtstag in Corona-Zeiten feiern?

Damals gab es zwei Feiern, eine des FC Bayern - ein tolles Fest. Da war alles da, was Rang und Namen hatte, nicht nur aus dem Sport, sondern auch aus der Wirtschaft, Kultur und Politik – unter anderem hat mir der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer die Ehrenbürgerwürde des Freistaates Bayern verliehen, eine Kopie-Band der Beatles hat gespielt. Daneben hatte ich privat ein Fest mit 150 Leuten ausgerichtet. Das wird diesmal alles wegfallen.

Was hatten Sie geplant?

Ich wollte wieder zu einem Fest einladen, weil ich fand, dass die Menschen gerade in diesen Corona-Zeiten auch mal etwas zum Lachen haben sollten. Ich hatte die Kabarettistin Monika Gruber gebeten, aufzutreten. Sie hatte auch zugesagt. Sie hat ein neues Programm. Und bei ihr lachen auch die mit, die kein Bayerisch verstehen. Alle diese Dinge kann man aber jetzt leider nicht machen.

Wie verbringen Sie dann Ihren Ehrentag?

Wir sind zuhause. Mein Bruder Dieter wird kommen. Wir werden die Regeln einhalten, kleiner Kreis, ein schönes Essen, das war’s. Allerdings ist klar: Das wird nachgeholt. Meine Frau Susi wird auch 70 im kommenden Juni. Und wenn dann die Verhältnisse so sind, wie wir uns das vorstellen, gibt es ein Riesenfest im privaten Bereich. Man muss auch mal innehalten, zurückblicken und mit Freunden feiern.

Wenn Sie auf 70 Lebensjahre zurückblicken, fühlen Sie sich dann als ein Glückskind?

Natürlich bin ich ein Glückskind, wenn ich zum Beispiel alleine daran denke, dass ich mal als Einziger einen Flugzeugabsturz überlebt habe (1982). Und auch sonst, obwohl ich auch mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, etwa in meiner Fußball-Karriere. Wer ist schon mit 23 Jahren praktisch fertig? Nach meiner schweren Knieoperation 1975 habe ich zwar weitergespielt, bis ich 27 war. Aber das war nicht mehr der Uli Hoeneß, der ich vorher war, der wilde, schnelle Uli Hoeneß. Das Knie wurde vor den Spielen punktiert - und danach war es meistens dick.

Was stimmt Sie im Ruhestand glücklich?

Ich habe eine tolle Familie. Ohne sie wäre das Ganze im Fußball nicht möglich gewesen. Susi hat mir immer den Rücken freigehalten. Als Manager habe ich oft morgens angerufen, dass ich abends mit Leuten zum Essen heimkomme. Dann hat meine Frau etwas zum Essen gezaubert. Ein Beispiel: Als 2010 die Geschichte mit Franck Ribéry beim FC Bayern zu Ende zu gehen schien, weil seine Berater ihn mehr oder weniger an Real Madrid verkauft hatten, haben wir ihn mit seiner Frau Wahiba zu uns zum Essen eingeladen. Susi hat extra für sie halal gekocht, wir hatten einen wunderbaren Abend, und gegen Mitternacht hat Wahiba schließlich gesagt: „Franck, nous restons à Munich!“ Wir bleiben in München.

Die Familie war und ist Ihnen also sehr wichtig?

Ich bin stolz, dass meine Kinder die Wurstfabrik, die ich mit meinem verstorbenen Freund Werner Weiß aufgebaut hatte, vor fast acht Jahren übernommen haben. Florian ist Geschäftsführer und macht einen super Job. Sabine ist auch beteiligt. Ich habe schon Glück, dass ich so eine tolle Familie habe. Freunde habe ich nicht so viele - aber auf die kann ich mich verlassen. Und sie können sich auf mich verlassen. Zuverlässigkeit und Dankbarkeit sind mir in einer Freundschaft ganz wichtig. Wer mir mal etwas Gutes getan hat, ist geschützt - ein Leben lang.

Gibt es Dinge, die Sie aus Ihrer Vita gerne streichen würden, etwa Ihre Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung?

Das ist auf jeden Fall ein Makel, den ich selbst zu verantworten habe. Ich habe einen Riesenfehler gemacht. Aber es haben damals viele Leute respektiert, auch solche, die mich kritisch sehen, dass ich nicht in Revision gegangen bin – gegen den Rat meiner Anwälte. Das hätte Jahre dauern können, aber meine Familie und ich hatten in der Nacht nach dem Urteil entschieden, dass ich ins Gefängnis gehe. Die Zeit dort hat mich stark geprägt, und ich glaube, auch noch stärker gemacht.

Sie sind im Anschluss sogar noch einmal Präsident des FC Bayern geworden. Vor zwei Jahren haben Sie sich dann endgültig aus der ersten Reihe zurückgezogen. Ein eigenes Büro haben Sie als Ehrenpräsident auf der Geschäftsstelle nicht mehr. Wie schwer fiel Ihnen das Loslassen?

Wenn man so eine Entscheidung trifft, muss man sie konsequent durchziehen. Ich muss zugeben, dass es am Anfang nicht so einfach war. Ich bin zwei-, dreimal wöchentlich hierhergekommen. Aber im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, die Nachfolger schwimmen sich frei. Wenn ich mich zu sehr einmische und zu oft sehen lasse, ist das nicht gut. Man macht es dann den neuen handelnden Personen, die ich selbst ausgesucht und forciert habe, unnötig schwerer.

Wird Ihr Ratschlag noch gesucht?

Natürlich bin ich zur Stelle, wenn mein Nachfolger Herbert Hainer etwas besprechen möchte. Hasan Salihamidzic lädt mich oft zum Kaffeetrinken ein. Mit Oliver Kahn habe ich aktuell weniger Kontakt, aber das ist normal. Er will einen eigenen Stil kreieren, und das ist gut so. Zudem ist er nicht mein Nachfolger, sondern der von Karl-Heinz (Rummenigge). Unser Verhältnis ist ausgezeichnet.

Die Jahreshauptversammlung im November eskalierte am Streitthema Katar. Sie haben sie später als „schlimmste Veranstaltung“ bezeichnet, die Sie beim FC Bayern erlebt haben. Sie gingen damals ganz am Ende ans Rednerpult, verließen das Podium aber wortlos...

...ich bin froh, dass das Mikro keinen Saft mehr hatte...

Was hätten Sie den Mitgliedern und Fans denn sagen wollen?

Ich hätte Herbert Hainer und Oliver Kahn zur Seite stehen wollen. Ich hätte den Leuten sagen wollen, dass es berechtigt ist, dass man Dinge kritisch sieht. Aber auch sie sind Teil des FC Bayern. Und das Bild, das der FC Bayern an diesem Abend abgegeben hat, kann niemandem von uns gefallen haben. Wie ich mich kenne, wären meine Worte emotional aus mir herausgekommen – und auch wenn ich es im Sinne des FC Bayern gut gemeint hätte, wäre es in diesem Ambiente vermutlich kontraproduktiv gewesen. In der Zeit, die es dauerte, das Mikrofon wieder anzuschalten, ist in meinem Kopf der Impuls aufgekommen, nein, das passt jetzt nicht.

Wie würden denn Sie die Problematik Katar und den Sponsorenvertrag mit der staatlichen Fluglinie lösen?

Das ist ein ganz elementares Thema auch für die Zukunft des Vereins. Ich habe neulich mit einem der größten deutschen Wirtschaftsbosse gesprochen, dessen Konzern eine Studie erstellt hat, laut der in nur sieben Prozent der Länder auf der Welt die Menschenrechte tatsächlich so sind, wie es sich die meisten vorstellen. Man muss das realistisch sehen, wie klein die Welt allein nach diesen Maßstäben wäre. Aber dann würde es sehr schwer werden.

Als Verein?

Ja, sportlich gesehen. Wir haben in Deutschland gravierende wirtschaftliche Nachteile gegenüber den von Investoren und Staatsfonds finanzierten internationalen Vereinen, in die Geld ohne Ende gepumpt wird. Irgendwann könnte der Punkt kommen, an dem unsere Fans - und übrigens auch die Medien – akzeptieren müssten, dass die deutschen Fußballmannschaften international keine Rolle mehr spielen.

Geld vor Moral, also?

Ich glaube nicht, dass die Tatsache, dass der FC Bayern in Katar ein Trainingslager abhält, so wie zum Beispiel jetzt im Winter unsere Frauen-Mannschaft, dazu führt, dass es dort schlechter wird. Im Gegenteil. Der Besuch unserer FC Bayern Frauen treibt den Prozess der Gleichberechtigung voran. Die Devise lautet: Veränderung durch Annäherung. Wenn der FC Bayern eines Tages vielleicht nicht mehr nach Katar fährt und auch die Fußball-WM vorbei ist, geht es dort weiterhin um die Menschen. Die Menschenrechte werden nur besser, wenn man im Dialog immer wieder auf die Missstände hinweist. Nur das führt dazu, dass sich die Dinge verbessern. Meine Überzeugung ist, man muss dort präsent sein.

Sie würden also erwägen, die Partnerschaft mit Qatar Airways über 2023 hinaus zu verlängern?

Antwort: Das habe nicht ich zu entscheiden. Ich persönlich würde zu einer Verlängerung tendieren, wenn wir das Gefühl haben, dass wir mit dieser Partnerschaft einen Beitrag leisten können, dass sich die Dinge vor Ort verbessern und weiter verbessern werden.

Themenwechsel. Wie erleben Sie seit zwei Jahren die Corona-Pandemie. Sind Sie für eine Impfpflicht?

Ich bin ganz klar für das Impfen, aber nicht für eine Impfpflicht. Zeitweise war ich dafür, aber ich habe mir dann vorgestellt: Was macht man mit einem Menschen, der sich partout nicht impfen lassen will? Ich halte eine Impflicht ohne Wenn und Aber für ein zu großes Problem, das die Gesellschaft eher spalten kann. Aber so, wie sich die Situation gerade darstellt, bedeutet das auch, dass die Rechte für Ungeimpfte eingeschränkt sein müssen.

Wie sind Sie mit den Impfbedenken von Joshua Kimmich umgegangen, der dem FC Bayern erst als Kontaktperson und dann als selbst Infizierter länger fehlte und beim Pieks nun umgedacht hat?

Joshua ist ein fantastisches Beispiel, dass man seine Meinung ändern kann. Ich habe das eine oder andere Mal mit ihm gesprochen, ohne Druck zu machen. Ich rechne es ihm hoch an, dass er sich hinstellt und sagt: „Ich habe das falsch eingeschätzt.“ Das würde ich mir bei mehr Menschen wünschen. Ich finde es gut, dass er sich, sobald es möglich ist, impfen lassen möchte. Das kann vielen Andersdenkenden einen Impuls geben.

Nach Lungenproblemen infolge der Covid-Erkrankung hat sich Kimmichs Comeback verzögert. Kann er im neuen Jahr wieder loslegen?

Das wird sich zeigen, wenn er unter Höchstbelastung trainiert. Aber ich hoffe es sehr und gehe auch fest davon aus.

Glauben Sie, dass er wegen der Impfthematik nun anders betrachtet wird, womöglich auch innerhalb der Mannschaft?

Die Mannschaft hat die Kohlen auch ohne ihn gut aus dem Feuer geholt. Da braucht er sich also keine Vorwürfe zu machen. Er kommt in eine Mannschaft zurück, die intakt ist und alle Ziele in der Hinrunde - bis auf den DFB-Pokal, wo er noch dabei war - erreicht hat. Er wird vom Team sicher positiv aufgenommen, weil er nicht nur ein großartiger Spieler ist, sondern weil ihn alle als Persönlichkeit insgesamt extrem schätzen. Zudem hat er bei diesem Thema ja auch umgedacht.

Was halten Sie von Karl Lauterbach als Gesundheitsminister?

Solange er nicht im Amt war, hatte ich meine Probleme mit ihm. Ich fand, dass er alles besser weiß. Jetzt bin ich ein totaler Fan von Karl Lauterbach, weil ich das Gefühl habe, dass er von der Sache sehr viel versteht und ein Macher ist. Er macht etwa eine Bestandsaufnahme beim Impfstoff und besorgt, was fehlt. Kaum ist das Medikament Paxlovid gegen schwere Covid-Verläufe akzeptiert, bestellt er eine Million Packungen. Sein Vorgänger Jens Spahn war Ankündigungsweltmeister, hat aber wenig zustandegebracht. Lauterbach dagegen hat eine Vision, er hat eine Idee - und die setzt er um. Deswegen habe ich meine Meinung zu Lauterbach total geändert. Er ist nicht jedem recht - aber er ist einer, der handelt, und so einer ist mir zehnmal lieber.

Durch Lauterbach werden Sie am Ende womöglich noch zum Fan der Ampel-Koalition?

Ich habe anders gewählt. Aber ich bin im Moment glücklich, dass diese neue Konstellation an der Regierung ist, weil ich ihr zutraue, die Probleme, die wir jetzt haben, gut zu lösen. Solange die CDU, ich sage bewusst die CDU, nicht CSU, immer noch mit sich selbst beschäftigt ist, würde ich ihr eine Regierung, die aktuell so viele Probleme zu lösen hat, nicht zutrauen.

Sie sind ein neuer Fan von Karl Lauterbach, waren aber schon vor seinem Wechsel zum FC Bayern ein großer Befürworter von Julian Nagelsmann. Ist er als Trainer ein Glücksfall für Ihren Club?

Ich saß schon vor Jahren mit Julian in meinem Büro. Damals hatte er mir als Jugendtrainer zugesagt. Er sagte dann aber: „Herr Hoeneß, ich habe ein Problem: Sie müssen den Herrn Hopp anrufen, denn in Hoffenheim habe ich noch ein Jahr Vertrag.“ Da habe ich in Julians Beisein Dietmar Hopp angerufen. Und er hat dann gesagt: „Uli, das kannst du nicht machen! Der soll unser Cheftrainer in der Bundesliga werden.“ Julian hat dann gesagt, das mit dem Wechsel zum FC Bayern könne er Dietmar nicht antun.

Jetzt ist Nagelsmann hier Cheftrainer der Profis. Und Sie sind glücklich?

Ich habe ihm als Trainer viel zugetraut. Er hat einen Erfolgsweg hinter sich. Aber dass er von der Persönlichkeit her in dem jungen Alter so über den Tellerrand hinausschaut, ist sehr beeindruckend. Er macht immer eine gute Figur und sagt auch bei schwierigen Themen stets das Richtige. Ich bin total happy, dass wir ihn haben.

Der FC Bayern musste dafür allerdings viele Millionen Euro Ablöse an RB Leipzig überweisen...

...jetzt warten wir mal ab, wie viel davon übrig ist, wenn das mit dem DFB vereinbarte Spiel zwischen dem FC Bayern und der Nationalmannschaft stattgefunden hat als Kompensation für Hansi Flick. Aber ich sage auch schon jetzt: Julian ist jeden Euro wert.

Werden Trainer-Transfers im Profifußball womöglich demnächst zur Normalität gehören wie Spieler-Transfers?

Ich bin kein großer Freund davon. Der FC Bayern wurde attackiert dafür, dass wir den Leipzigern angeblich den Trainer weggenommen haben. Aber dann könnten wir auch sagen, der DFB hat uns Hansi Flick weggenommen. Er hatte vor seinem Wechsel ins Amt des Bundestrainers bei uns auch noch einen gültigen Vertrag. Ich habe aber nie eine Kritik am DFB gelesen. Ich habe auch nie eine Kritik an Hansi Flick gelesen, der den FC Bayern aus eigenen Stücken verlassen hat. Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Es sollte aber nicht zur Normalität werden, dass Trainer ständig auf dem Transfermarkt gehandelt werden.

Was zeichnet Nagelsmann aus im Umgang mit der Mannschaft?

Ich hatte nur etwas Bedenken, weil er so alt ist wie mancher Spieler bei uns. Aber was ich höre, trifft er immer den richtigen Ton, nicht kumpelhaft, aber auch nicht wie ein strenger Lehrer. Er muss den Weg gefunden haben, den Spielern als Respektsperson etwas beizubringen. Was wir besonders gut gefällt, ist, dass es ihm gelingt, fast jeden Spieler besser zu machen - und so die Mannschaft.

Wie gut ist diese? Was ist möglich in dieser Saison?

Das weiß ich noch nicht. Wir dominieren in der Bundesliga. In der Champions League kommen die schwierigen Aufgaben erst. Alle sechs Gruppenspiele zu gewinnen, ist eine überragende Leistung. Salzburg im Achtelfinale ist ein schwieriges Los, weil wir als Top-Favorit gelten. Falls wir die Runde schaffen sollten, gibt es danach nur noch etablierte Hochkaräter.

Mit neun Punkten Vorsprung startet der FC Bayern zwei Tage nach Ihrem Geburtstag gegen Gladbach in die Rückrunde. Der zehnte Meistertitel am Stück scheint Formsache. Was sagt das über die Stärke des FC Bayern aus? Und was über die Schwäche der Konkurrenz um den mal wieder abgehängten Tabellenzweiten Borussia Dortmund?

Eigentlich sind es mit dem Torverhältnis sogar zehn Punkte Vorsprung. Trotzdem sind das Momentaufnahmen. Vor der Saison hieß es, der FC Bayern habe keinen breiten Kader, der von Leipzig sei besser und der von Dortmund auch. Jetzt sind wir Herbstmeister. Und plötzlich heißt es: Der FC Bayern hat ja auch den viel besseren Kader. In Wirklichkeit wird hier einfach sehr gut gearbeitet. Julian hat junge Spieler stark gemacht, Josip Stanisic oder Marc Roca, der Ende des Jahres immer häufiger zum Einsatz kam. Da haben wir jetzt einen Spieler, den du jederzeit einsetzen kannst.

Bei drei Leitfiguren über 30 laufen Mitte 2023 zeitgleich die Verträge aus. Würden Sie mit Manuel Neuer (35), Robert Lewandowski (33) und Thomas Müller (32) nochmals verlängern?

Derzeit kann ich mir die Jahre 2024 und 2025 ohne dieses Trio nicht vorstellen. Ich bin beim FC Bayern nicht mehr auf dem driver’s seat. Aber ich denke, dass Oliver, Hasan und Herbert Hainer sich der Thematik bewusst sind und versuchen werden, mit diesen Spielern zu verlängern. Davon gehe ich aus.

Was zeichnet Neuer, Lewandowski und Müller aus?

Das sind drei verschiedene Persönlichkeiten, aber sie alle eint, dass sie für den FC Bayern alles geben. Das Schöne an unserer Mannschaft ist, dass wir generell sehr viele verschiedene Charaktere haben – und viele davon höchst intellektuell. Wenn ich höre, was Leon Goretzka zu gesellschaftlichen Themen so von sich gibt. Oder ein Thomas Müller, der sagt ja immer das Richtige. Und Manuel oder Robert sind im Laufe der Jahre zu absoluten Führungsfiguren geworden.

Kontinuität als Erfolgsfaktor?

Bei uns ist etwas Großes gewachsen. Manchester United versucht, die Mannschaft nach der Verpflichtung von Cristiano Ronaldo auf ihn auszurichten. Paris Saint-Germain muss Lionel Messi neben Kylian Mbappé und Neymar installieren - beim FC Barcelona hat er jeden Ball gekriegt, das ist nun also eine große Umstellung. Das sind drei starke Typen und so außergewöhnlich gute Spieler, dass man für sie eigentlich drei Bälle bräuchte... Bei uns hoffe ich jetzt, dass es auch gelingt, Kingsley Coman oder Serge Gnabry, der ein ganz wichtiger Spieler ist, über 2023 hinaus zu halten.

Wie schwierig wird das finanziell in Corona-Zeiten?

Ganz kritisch wird es, wenn wir nicht irgendwann wieder Zuschauer im Stadion haben. Wenn das noch zwei Jahre so geht, können wir uns diese Mannschaft so nicht mehr leisten. Es sollte spätestens ab 1. Juli wieder ein volles Stadion geben.

Wie fühlen Sie sich eigentlich bei Geisterspielen als einsamer Tribünengast?

Sportlich gesehen ist der FC Bayern ehrlicherweise ein Profiteur der Geisterspiele. Denn ohne Zuschauer ist die Qualität der Mannschaft noch wichtiger als ohne, weil die Fans eine Mannschaft zu Höchstleistungen treiben können. Ohne sie entscheidet die Qualität der beiden Mannschaften - und da sind wir überragend. Aber wenn ich oben auf der Tribüne sitze und kein Mensch da ist, könnte ich weinen. Wir machen das ja alles für die Fans. Wenn ich so eine Orgie in Rot-Weiß in der Allianz Arena sehe, dann weiß ich, wofür wir arbeiten.

Zur Person: Uli Hoeneß ist am 5. Januar 1952 in Ulm geboren. Beim FC Bayern feierte der Weltmeister von 1974 seine größten Erfolge als Fußball-Profi. Als Manager, Vorstandsmitglied und Vereinspräsident formte er den deutschen Rekordmeister zu einem Topclub in der Welt. Seit 2019 ist er Ehrenpräsident und weiter Mitglied im Aufsichtsrat. Hoeneß lebt mit seiner Frau Susi am Tegernsee. Er hat zwei Kinder und vier Enkel.