Auch die EnBW bezieht einen großen Teil ihres Gases aus Russland. Foto: dpa/Uli Deck

Der Versorger hält an seinen Plänen fest, Kohlekraftwerke auf Erdgas umzurüsten. Perspektivisch seien höhere Preise zu erwarten.

Die EnBW will als Reaktion auf die Invasion Russlands in der Ukraine den Anteil russischer Lieferungen an Steinkohle und Erdgas massiv reduzieren und auch keine neuen Verträge mit dem Land abschließen, so lange Putin an der Macht ist. „Es wird keine neuen Lieferverträge geben mit Russland unter dieser Führung“, sagte der EnBW-Vorstandsvorsitzende Frank Mastiaux anlässlich der Bilanzvorlage des Konzerns am Mittwoch in Stuttgart.

Vor allem bei Gas ist der Anteil Russlands am EnBW-Einkauf relativ hoch: 2021, so Mastiaux, habe die EnBW inklusive ihrer Tochterunternehmen wie dem Gashandelskonzern VNG insgesamt 495 Terrawattstunden Gas eingekauft. Davon 20 Prozent über direkte Lieferverträge mit Russland, den Rest über den europäischen Großhandelsmarkt, wo aber rund 55 Prozent des Volumens ebenfalls aus Russland stammen. Ein gutes Drittel der direkten Lieferverträge laufe bereits Ende des Jahres aus.

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Bei Kohle hingegen sei Russland „nicht per se ein über Jahre gesetzter Lieferant“, so Mastiaux. Hier sei die Situation bei einem potenziellen Ausbleiben russischer Kohlelieferungen „kontrollierbar“. Dagegen sei „eine kurzfristige vollständige Ersatzbeschaffung bei einem theoretischen Entfall von russischem Gas, wie für die meisten Marktteilnehmer auch, für uns nicht zu machen.“

Deutschland werde noch für einen längeren Zeitraum auf Gasimporte angewiesen sein. Derzeit liefen alle Lieferungen vertragsgemäß, betonte Mastiaux, der die Bemühungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begrüßte, im Nahen Osten Gespräche mit potenziellen Lieferländern von verflüssigtem Erdgas (LNG) zu führen und den Bau von LNG-Terminals an der deutschen Küste voranzutreiben. Die EnBW habe bereits vor Jahren begonnen, Kompetenzen im Handel und Einkauf von LNG aufzubauen. Befragt, welche Preisentwicklung er erwarte, antwortete Mastiaux, es sei von Preisanstiegen auszugehen.

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Abgesehen von der Diversifizierung der Gas- und Kohlelieferländer gelte es nun für die EnBW, erneuerbare Energien und Netze zügiger auszubauen, sowie E-Mobilität, Digitalisierung und das Thema Wasserstoff voranzutreiben. Entsprechende Schwerpunkte habe die EnBW schon vor Jahren gesetzt. „Bisher wurde Nachhaltigkeit vor allem mit Klimaschutz assoziiert. Jetzt rückt Versorgungssicherheit mehr als bisher in den Vordergrund“, sagte Mastiaux. „Wichtig ist es, nun darauf zu achten, ersteres im Blick zu halten, wenn wir mehr bei letzterem tun.“

An der geplanten Umrüstung dreier Kohlekraftwerke auf Erdgas wolle die EnBW festhalten, sagte Mastiaux. Die Inbetriebnahme der umgerüsteten Meiler in Heilbronn, Altbach und Stuttgart-Münster sei für 2026 geplant – „kurzfristige Krisenszenarien spielen da keine Rolle“. Momentan gebe es keine Alternative zu dem CO2-armen Rohstoff Gas. Ein längerer Betrieb des letzten EnBW-Kernkraftwerkblocks in Neckarwestheim sei derzeit kein Thema, so der Konzernchef. Die Betriebsgenehmigung ende am 31. Dezember und ein Weiterbetrieb sei theoretisch auch nur für wenige Wochen möglich – dann würden unter anderem neue Brennstäbe gebraucht. „Da müsste man sich jetzt drum kümmern“, so Mastiaux.

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Der Karlsruher Versorger will nach Zuwächsen 2021 im neuen Jahr beim operativen Gewinn erstmals die Marke von drei Milliarden Euro knacken. Die Prognose für das bereinigte Ebitda (Ergebnis nach Steuern, Zinsen und Abschreibungen auf Sachanlagen und auf immaterielle Vermögensgegenstände) 2022 liege in einer Spanne von 3,03 bis 3,18 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr hatte EnBW das operative Konzernergebnis zum fünften Mal in Folge gesteigert, es kletterte um 6,4 Prozent auf 2,96 Milliarden Euro. Der Konzern profitierte dabei von höheren Gewinnen aus dem Betrieb von Kohle- und Gaskraftwerken sowie aus Zuwächsen im Handelsgeschäft. Die Aktionäre sollen eine Dividende von 1,10 Euro je Papier erhalten – zehn Cent mehr als für 2020.

Der Vertrag von Vorstandschef Mastiaux läuft im September aus. Er hatte bereits angekündigt, keine weitere Amtszeit anzustreben. Ein Nachfolger ist noch nicht ernannt. Mastiaux war 2012 von Eon zu EnBW gewechselt. Im Jahr zuvor hatte die Reaktorkatastrophe in Fukushima den Atomausstieg in Deutschland eingeleitet. EnBW erzeugte bis dahin vor allem Strom in Kohle- und Atomkraftwerken. Mastiaux baute die Ökostromproduktion massiv aus und in den vergangenen Jahren auch das Geschäft mit der Elektromobilität.

Der Konzern engagiert sich für die Ukraine und für Ukrainer

Derzeit unterstützt die EnBW Initiativen für humanitäre Soforthilfen in der Ukraine und für Geflüchtete. Seitens der Mitarbeiter erlebe der Konzern eine enorme Hilfsbereitschaft, die das Unternehmen nach Kräften unterstütze. So gebe es für Mitarbeiter zusätzliche Urlaubstage, um ehrenamtlich aktiv werden zu können. Der Konzern stellt unter anderem einen Food-Truck aus dem Event-Management zur Verfügung, um Ankommende am Berliner Hauptbahnhof mit Essen zu versorgen und bietet Geflüchteten Werkswohnungen und Seminarhäuser an. Zudem seien bei einem Spendenaufruf in der Belegschaft innerhalb weniger Tage 90 000 Euro zusammengekommen. Die EnBW werde außerdem – wie schon 2015, als viele Flüchtende aus den Kriegs- und Krisenregionen des Nahen und Mittleren Ostens ankamen – ein Integrationsprogramm anbieten, das auf eine Ausbildung bei der EnBW vorbereite.

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