Ülkü Süngün arbeitet als Künstlerin Foto: Achim Zweygarth/Foto: Achim Zweygarth

Die Künstlerin Ülkü Süngün kämpft beharrlich für mehr Gerechtigkeit in Kunst und Gesellschaft.

Stuttgart - Die diverse Gesellschaft ist in aller Mund. Selbstverständlich ist sie trotzdem nicht. Auch der Kulturbetrieb hat Nachholbedarf in Sachen Gerechtigkeit. Ülkü Süngün legt den Finger gern in die Wunde. Sie ist Künstlerin – und gleichzeitig unermüdlich aktivistisch unterwegs, um der Gesellschaft zu spiegeln, was diese für selbstverständlich hält. In einer Videoarbeit kehrte sie zum Beispiel in einer Art Sprachkurs die Verhältnisses um – und sind es nicht Türken, denen man sprachlich auf die Sprünge helfen muss, sondern bringt sie Deutschen bei, wie man türkische Laute ausspricht. Das Pikante daran: die Übungsworte sind die Namen der NSU-Opfer, die eben wegen ihrer Namen ermordet wurden.

Ülkü Süngün ist eine passionierte Mahnerin – und im Stuttgarter Kulturleben schon viel angestoßen, weil sie mutig auf Missstände hinweist. So ist sie auch eine der treibenden Kräfte beim neuen Bündnis für einen gerechteren Kulturbetrieb. Dass Stuttgart in Zukunft bei Ausstellungen Honorare zahlt, ist auch ihr Verdienst.

Mit einem Blick in die Vergangenheit die Zukunft gestalten

Menschen lieben das Eindeutige, Ülkü Süngün ist dagegen eine Grenzgängerin auf vielfache Weise. Geboren wurde sie 1970 in Istanbul und wuchs in der Türkei und Deutschland auf. Im ersten Beruf ist sie Ingenieurin, hat dann aber Bildhauerei an der Stuttgarter Kunstakademie studiert. Auch in ihren künstlerischen Arbeiten lässt sich Ülkü Süngün nicht festlegen, nutzt Fotografie und Video, macht Installationen und Performances. Auch der 2013 eröffnete Gedenkort für deportierte Juden und Jüdinnen im Killesbergpark Stuttgart stammt von ihr.

So versucht sie immer wieder mit einem Blick in die Vergangenheit die Zukunft zu gestalten. 2017 hat sie das „Institut für Künstlerische Migrationsforschung“ gegründet, um mit künstlerischen Mitteln gesellschaftliche Zustände sichtbar zu machen. Ob sie Mannheimer Migranten zu Wort kommen lässt oder sich um bessere Förderbedingungen der Kunst einsetzt, letztlich geht es immer darum, unsere Welt besser und gerechter zu machen.

Vor ein paar Jahren wäre solch eine mahnende Stimme vielen lästig gewesen, inzwischen weiß man längst, wie wichtig ihre Impulse für das Miteinander sind. Deshalb findet Ülkü Süngün Gehör als Dozentin an der Merz Akademie oder der Staatlichen Kunstakademie und wird häufig zu so genannten „Lecture Performances“ eingeladen, bei denen Kunst und Aktivismus verschmelzen. Dass sich der Einsatz lohnt und sich die Zustände doch verändern, beweist auch die Nominierung von Ülkü Süngün für den diesjährigen „Kubus. Sparda-Kunstpreis“, der Künstlerinnen und Künstler ehrt, die eng mit Baden-Württemberg verbunden sind.