Wo anfangen mit den Aufräumarbeiten? Bild der Zerstörung bei der Starkregen-Flut im Juni 2024. Foto: IMAGO/xonw-images/Alexander Wolf

Auch wenn vom Land nach zähem Ringen millionenschwere Hochwasser-Hilfen geflossen sind: Die Kommunen im Wieslauftal sind wegen der Kosten der Flut noch über Jahre stark belastet.

An politischer Prominenz hat es nicht gefehlt nach den Überschwemmungen im Wieslauftal. Der Verkehrsminister begutachtete in Miedelsbach das unterspülte Gleisbett, der Innenminister stieß beim Helferfest mit der Blaulichtfraktion an. Als in den von der Flut getroffenen Kommunen massive Kritik an der Zahlungsmoral des Landes aufkeimte, eilten nicht nur die Vorsitzenden der beiden Regierungsfraktionen nach Rudersberg und Schorndorf. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann war vor Ort, um sich ein persönliches Bild von den verheerenden Schäden zu machen.

Auf die gewaltige Summe von 330 Millionen Euro summieren sich die bei der Starkregen-Flut im Juni 2024 entstandenen Zerstörungen im Rems-Murr-Kreis. Bei fast zwei Drittel handelt es sich um Schäden an privaten Wohngebäuden, vom vollgelaufenen Keller bis zum von den Wassermassen weggerissenen Carport. An der öffentlichen Infrastruktur hat die Überschwemmung einen Kostenblock von insgesamt 136 Millionen Euro hinterlassen – abgerutschte Kreisstraßen, unterspülte Brücken, nicht mehr nutzbare Klassenzimmer.

Nach der Flut hat sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein Bild von den Schäden gemacht. Foto: Gottfried Stoppel

Finanzielle Herausforderungen für Wieslauftal-Kommunen nach Flut

Wie die vom Hochwasser überraschten Städte und Gemeinden diesen finanziellen Kraftakt mit Blick auf ihre ohnehin immer leerer werdenden Kassen stemmen können, war nach der Flut die größte Frage. Denn die Landespolitik gefiel sich in den Wochen nach der Katastrophennacht im gepflegten Dreisprung: Die Betroffenen wurden bedauert, die Helfer bejubelt und die Kommunen vertröstet.

Mehrere Wochen gingen ins Land, in denen zwar viel von einer notwendigen „finanziellen Soforthilfe“ die Rede war, die örtlichen Rathäuser auf die Frage nach konkreter Unterstützung jedoch keine Antwort erhielten. Dass möglicherweise über die 29 Fachförderprogramme des Landes – eigentlich nicht für Finanzspritzen wegen aktueller Notlagen gedacht – auch gewisse Beträge ins Wieslauftal fließen könnten, war eine Botschaft, für die sich Baden-Württemberg gut einen Monat lang Zeit ließ.

Kommunen müssen sich nach der Flut mit Bürokratie herumschlagen

Und auch nach dem Signal, dass vielleicht doch ein wenig Geld fließen könnte, mussten sich die betroffenen Kommunen mit aufwendigen Bewilligungskriterien und bürokratisch orientierten Antragsfristen herumschlagen. Der Ärger übers mangelnde Gespür für die Notlage war so groß, dass Schorndorfs Oberbürgermeister Bernd Hornikel sich wegen der Hängepartie um die Hochwasser-Unterstützung mehrfach in Rage redete – und offen geißelte, dass sich die politischen Würdenträger zwar gern mit Gummistiefeln an den Füßen zum Fototermin zeigen würden, es bei der konkreten Hilfe aber hapere.

Auch Rudersbergs Rathauschef Raimon Ahrens zeigte sich schwer enttäuscht vom wochenlangen Warten: „In unserem Nachbarland Bayern ist schon in der Woche nach dem Starkregen ein Unterstützungsprogramm auf den Weg gebracht worden. Bei uns geht das so zäh wie ein Kaugummi“, kritisierte der Bürgermeister. Immerhin schaffte es das Land, einen Monat nach der Flut einen mit 25 Millionen Euro gefüllten Hochwasser-Sondertopf aufzulegen. Etwas mehr als die Hälfte des Gelds – 13,5 Millionen Euro – floss in den besonders stark betroffenen Rems-Murr-Kreis. Der reichte den Zuschussbetrag komplett an die in Mitleidenschaft gezogenen Kommunen weiter.

Finanzielle Hilfen fürs Wieslauftal: Ein Tropfen auf den heißen Stein

Für die Orte im Wieslauftal war das eine frohe Botschaft, aber mit Blick auf die Schäden nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Das gilt auch für die Förderprogramme. Nach Darstellung des Stuttgarter Regierungspräsidiums wurden 2,3 Millionen Euro über den Ausgleichstock bewilligt, knapp 2 Millionen Euro flossen aus der Tourismusförderung – kreisweit versteht sich. Das Geld aus dem Entwicklungsprogramm ländlicher Raum und aus der Sportstättenförderung summiert sich auf etwa 800 000 Euro.

Über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz hat das Land weitere 9,4 Millionen Euro ins Gespräch gebracht – aber nicht bewilligt, sondern bisher nur in Aussicht gestellt. Allerdings: Die unter dem Eindruck der Flut getroffenen ersten Kostenschätzungen haben sich in vielen Kommunen glücklicherweise nicht bewahrheitet. Direkt nach der Katastrophennacht hatte beispielsweise Schorndorf den finanziellen Aufwand für die nötigen Reparaturarbeiten an der städtischen Infrastruktur mit nahezu 35 Millionen beziffert. Ein halbes Jahr später rechneten Oberbürgermeister Bernd Hornikel und sein Finanzdezernent Thorsten Englert nur noch mit einer Schadenssumme von 15 Millionen Euro.

Schorndorf mit Folgekosten der Flut in Millionenhöhe

Geringer als ursprünglich befürchtet fielen unter anderem die Schäden an Straßen und Brückenbauwerken aus. Auch bei Fußballfeldern zeigte sich, dass die vom Schlamm überschwemmte Infrastruktur robuster ist als gedacht.

Während sich Kunstrasenplätze als Totalausfall erwiesen, hielt sich der Schaden beim Naturgras in Grenzen. Über den regenreichen Sommer erholte sich das unter einer bis zu zehn Zentimeter dicken Schicht an Flutmaterial begrabene Gras unerwartet schnell. Weil Kontrollmessungen keine Belastung mit Schadstoffen ergaben, konnte sich die Stadt außerdem bei den Spielplätzen einen Sandaustausch sparen – ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor.

Eine finanzielle Belastungsprobe stellt die Flut für die Daimlerstadt dennoch dar. Verschiedene Versicherungen decken zwar einen Teil der Schäden ab. Doch das sind nur etwa vier Millionen Euro.

An der Stadtkasse bleibt nach Lage der Dinge ein Betrag von fast elf Millionen Euro hängen – was für Schorndorf die Frage aufwirft, welche Projekte sich die Stadt in den nächsten Jahren leisten kann und was wieder in der Schublade verschwinden muss. Auch in Rudersberg bleiben bei den Hochwasserkosten zwischen 4 und 5 Millionen Euro an der Kommune hängen – trotz aller Versicherungen und trotz aller Fördertöpfe des Landes.