Nach Ausrufung des Notstands hat der Bürgermeister von Ottawa die Entsendung von 1800 Polizisten angefordert. Foto: AFP/Dave Chan

Zwölf Tage Besetzung durch Lkw-Fahrer sind für die Bewohner von Kanadas Hauptstadt ein Albtraum. Derweil greift der Protest auch auf andere Städte über.

Ottawa - Die Polizeiführung der kanadischen Hauptstadt Ottawa setzt auf die Hilfe von Polizeikräften des Bundes und der Provinz, um die Blockade der Innenstadt und die Belästigung der dort lebenden Menschen durch protestierende Lkw-Fahrer zu beenden. Nach Ausrufung des Notstands hat der Bürgermeister die Entsendung von 1800 Polizisten angefordert. Ein schnelles Ende der Protestaktionen ist nicht in Sicht. Der Protest hat andere Regionen des Landes erfasst. In der Stadt Windsor blockieren Trucks den für die Wirtschaft wichtigsten Grenzübergang zu den USA.

Der Protest der Trucker, der sich gegen die Impfpflicht für Lkw-Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr mit den USA richtet und die Aufhebung aller im Kampf gegen die Covid-Pandemie erlassenen Vorschriften fordert, hatte am 28. Januar begonnen. Ottawas Polizeichef Peter Sloly gibt zu, dass die Polizei den Protest völlig unterschätzt hatte. Die teils sehr aggressiven Parolen der Protestierenden richten sich insbesondere gegen Premierminister Justin Trudeau, den sie als Mörder mit Spritze darstellen, seine Inhaftierung fordern und mit Obszönitäten wie „Fuck Trudeau“ beschimpfen.

Ein Gericht verbietet das Dauerhupen

Einige konservative Abgeordnete im Parlament bezeichnen die Aktion trotzdem als „friedlich“ und „patriotisch“ . Trudeau lehnt Verhandlungen mit den Truckern ab. Die meisten Einschränkungen wurden ohnehin nicht von der Bundesregierung, sondern von Provinzen erlassen. Trudeau könnte der Forderung nach Aufhebung aller Restriktionen allein aus verfassungsrechtlichen Gründen also nicht folgen.

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Ein Richter hatte am Montag mit einer einstweiligen Verfügung die sofortige Einstellung der nahezu permanenten Hupens mit Drucklufthupen erwirkt, was den Menschen in der Innenstadt zunächst eine Erleichterung brachte. Der ohrenbetäubende Lärm, der von laufenden Motoren der Schwerlaster und den Hupen ausging, war zehn Tage lang eine große Belästigung. Das vereinzelte Sichten der aus den Vereinigten Staaten stammenden so genannten Konföderierten-Flagge, die ein Symbol für Sklaverei und Rassismus ist, beunruhigt Menschen aus ethnischen Minderheiten.

Sympathisanten bringen Diesel in Kanistern

Sympathisanten füllten Dieseltreibstoff in Kanister um, um sie den Truckern zu bringen. Die Polizei versucht nun, die Lieferung von Benzin in die Innenstadt zu unterbinden und beschlagnahmt Kanister. Um die Polizei zu täuschen und Polizeikräfte zu binden, werden Kanister mit Wasser gefüllt oder leer durch die Stadt getragen. In einem Park im Stadtzentrum wurde zeitweise ein Lager mit Propanflaschen eingerichtet.

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Der Protest wird auch von zahlreichen Bürgern getragen, die sich gegen die aktuellen Corona-Restriktionen wenden. Sie sehen ihre Freiheiten eingeschränkt. „Freiheit“ steht auf ihren Plakaten und „Wir sind nicht China“. In ihrem Protest hüllen sie sich in kanadische Flaggen, darunter auch Familien mit Kindern. Auf Straßenkreuzungen wird getanzt, es herrscht stellenweise lautstarke Partystimmung.

Wichtige Grenzübergänge blockiert

USA
 Der Protest ist nicht auf Ottawa geschränkt. Auch in der Stadt Québec, in Toronto und anderen Provinzhauptstädten fahren Trucker auf. Durch die Vorgänge in Ottawa war die dortige Polizei aber gewarnt und ergriff Maßnahmen, um Entwicklungen wie in der Hauptstadt zu unterbinden. Die Blockaden der für den Handel mit den USA wichtigen Grenzübergänge Windsor-Detroit in Ontario und Coutts in Alberta kann erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft Kanadas haben.