Crop Top, High Waist, Cardigan: Die modische Reise reicht in diesem Jahr zurück bis in die 1980er. Wir haben uns umgesehen, was in diesem Sommer noch so Trend ist.
Stuttgart - Wer in diesen Tagen durch die Stadt spaziert, kann zwei Sommertrends ausmachen. Modisch geht bei den jungen Stuttgartern die Reise zurück in die Jugendzeit ihrer Eltern, also in die 80er und 90er Jahre. Bei Eis und Co ist Asien angesagt.
Freitagabend im Stuttgarter Osten: zur Enttäuschung der Teenies ist im Supermarkt in der Tiefkühltruhe das Mochi-Eis mal wieder ausverkauft. Mochi – was? Unter Schleckermäulchen sind die putzigen Bällchen der absolute Hit. Drinnen steckt Eis, etwa Erdbeere oder Mango, drumherum ist eine süße Teigschicht aus Reismehl. Die leicht platt gedrückten Kugeln haben es bei einem Durchmesser von nur rund vier Zentimetern in sich: mehr als 80 Kalorien. Profis lassen sie fünf Minuten antauen, dann ist die Hülle schön pappig und gibt beim Biss einen cremigen Eiskern preis.
Das erinnert an den Bubble Tea, das Teegetränk mit den gummiartigen Perlen, die im Mund zerplatzen. Die waren vor rund zehn Jahren schon mal der Hit – bis es hieß, sie seien krebserregend. Die entsprechende Studie ist widerlegt, der Tee mit den Kügelchen erlebt eine Renaissance. Wer’s nicht glaubt, dem sei ein Blick auf die tägliche Schlange vor dem Teespresso-Laden in der Calwer Straße empfohlen.
Wassermelone schlägt Erdbeere
Freilich beschränkt sich das Angebot zumindest zur Zeit noch auf Asia-Läden und die großen Supermärkte. Nicht jeder in der Stadt will den Trend mitmachen. „Das passt nicht zu unserem Konzept“, sagt etwa Tim Schaber von der Claus Eismanufaktur in der Tübinger Straße. Hier verwendet man nur natürliche Zutaten – und ohne Stabilisatoren im Teig verliert das Mochi seine Form. Die Eissorte der Stunde hat aber auch beim Schaber und seinem Team mit einer Kugel zu tun: In den heißen Tagen komme die Wassermelone „mega gut“ an, sagt er. „Das schlägt sogar die Erdbeere.“
Laut Wikipedia ist das Mochi-Eis eine Erfindung der japanisch-amerikanischen Geschäftsfrau Frances Hashimoto auf der Basis des beliebten japanischen Reiskuchen-Konfekts. Der Bubble Tea kommt ursprünglich Taiwan. Dort soll er in den 80er Jahren als Mix aus Tee und Milch oder Fruchtsirup entstanden sein; „Bubble“ stand für die Schaumbläschen, die beim Schütteln entstanden.
Auch bei der Mode sind die 80er wieder im Kommen, aber die Reise geht diesmal nicht nach Asien, sondern direkt in Mamas Kleiderschrank daheim – so man dort noch fündig wird. Vintage, Second Hand oder Thriften: Der Trend zu gebrauchten Klamotten spielt eine immer größere Rolle. „Die Welle hat erst so richtig angefangen“, sagt Christina Feldmer, die vor knapp drei Jahren mit ihrer Mutter und Schwester den Vintage Markt Stuttgart gegründet hat.
Gebrauchtes vom Großhändler
In ihrem Laden in der Tübinger Straße verkauft sie nicht das klassische Second Hand Sortiment, sondern sie bestellt ihre Ware bei spezialisierten Großhändlern aus Deutschland, Frankreich oder Holland. In diesem Sommer seien die 80er und 90er mehr denn je angesagt, erklärt Christina Feldmer und zählt auf: „high wasted“, also hoch geschnittene Hosen, Jeansjacken in heller Waschung, sportliche Sweater von Marken wie Adidas oder Fila, bunte Hemden mit „crazy prints“, also verrückten Mustern – und Hosen oder Jacken aus Ballonseide, gerne getragen zu über dem Bauchnabel abgeschnittenen „crop tops“. Vorbild ist hier die junge Madonna in ihren frühen Musikvideos.
Die Älteren mögen sich beim Gedanken an die raschelnden Jogginganzüge mit Grausen wenden, stellvertretend für die Jüngeren sagt die Expertin: „Unsere Generation kennt die Mode, die die Eltern damals getragen haben, ja nicht mehr selbst.“ Entscheidend ist, wie die Stücke kombiniert werden. Das heißt, beispielsweise, dass der Windbreaker (die besagte Kunstseidenjacke) zur Anzugshose und Sneakers getragen wird.
Wer Anregungen braucht, wird bei Instagram fündig. Denn wieder einmal wirken die sozialen Medien quasi als Katalysator: Ich finde beim Stöbern (neudeutsch thriften) möglichst originelle Kleidungsstücke, die ich dann posten kann. Gerne werden die Fundstücke auch verändert und so zu Unikaten. Eine Methode wäre das Batiken, das heute freilich lieber „Tie-Dye“ genannt wird. Beim Idee Creativmarkt am Hauptbahnhof musste man schon etliche Farben nachbestellen, wie es dort heißt. „Das wird gerade viel verlangt.“
Konsumkritischer Hintergrund
Der Trend hat aber durchaus auch einen konsumkritischen Hintergrund. Die Nachfrage nach Vintage-Klamotten steige seit zwei Jahren stetig an und werde auch nicht verschwinden, weil immer mehr Menschen gezielt Teile kauften, die schon mal getragen wurden, sagt Leonie Kunze.
Die Stuttgarterin betreibt seit rund einem Jahr mit Paul Kümmerle den Shop „Still Thrifting“; die meisten Stücke verkaufen sie online, eine kleine Auswahl hängt aber auch in der Boutique Geschwisterliebe in der Breite Straße. Der Trend zu Vintage hat ihrer Meinung nach mit dem Bekenntnis zu Nachhaltigkeit ebenso wie mit dem gestiegenen Qualitätsbewusstsein zu tun; die Shirts oder Hemden „von damals“ hielten sich viel länger als die „fast fashion“ der großen Modeketten.
Ihr Tipp für den Sommer: Tennismode aus den 80ern, das Polo für ihn, das Röckchen für sie, gerne auch in Pastellfarben wie babyblau.