Papst Franziskus (links) verabschiedet sich am Sarg von seinem Amtsvorgänger Benedikt XVI.. Foto: dpa/Cecilia Fabiano

Zehntausende haben in Rom bei einer ungewöhnlichen Trauerfeier auf dem Petersplatz Abschied genommen vom deutschen Papst. Aus der Heimat war eine hochrangige Delegation angereist.

„Benedikt, du treuer Freund des Bräutigams, möge deine Freude vollkommen sein, wenn du die Stimme des Herrn nun endgültig und für immer hörst“, sagte Franziskus in der Predigt während der Totenmesse auf dem Petersplatz. Dazu muss man wissen, dass Jesus in der katholischen Kirche oft als Bräutigam bezeichnet wird. „Auch wir, die wir fest mit den letzten Worten des Herrn und dem Zeugnis, das sein Leben geprägt hat, verbunden sind, möchten als kirchliche Gemeinschaft in seine Fußstapfen treten und unseren Bruder den Händen des Vaters anvertrauen“, sagte der Papst.

Weiter sagte er: „Wie im Evangelium die Frauen am Grab, so sind wir hier mit dem Wohlgeruch der Dankbarkeit und der Salbung der Hoffnung, um ihm noch einmal die Liebe zu erweisen, die nicht vergeht. Wir wollen dies mit derselben Salbung und Weisheit, mit demselben Feingefühl und derselben Hingabe tun, die er uns im Laufe der Jahre zu schenken wusste.“ Ansonsten ist Franziskus, der in seinem Rollstuhl zum Altar geschoben wurde, am Donnerstag nicht näher auf das Leben und Wirken seines Vorgängers eingegangen.

Kanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier unter den Gästen

Es war eine ganz und gar ungewöhnliche Zeremonie gestern auf dem kühlen und nebligen Petersplatz: Noch nie zuvor in der zweitausendjährigen Geschichte der katholischen Kirche hat ein Papst einen Papst beerdigt. Doch abgesehen davon unterschied sich die Feier zumindest optisch kaum von früheren Papst-Begräbnissen: Unzählige Staatsgäste waren angereist, darunter der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz, und vor der Petersbasilika und auf dem Petersplatz hatten sich laut Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa nicht weniger als 130 Kardinäle und 300 Bischöfe versammelt.

Der Petersplatz, auf dem sich trotz des misslichen Wetters bereits in den frühen Morgenstunden die ersten Gläubigen und Pilger einfanden, war zu Beginn der Totenmesse praktisch voll besetzt. Ein grosses Sicherheitsaufgebot von tausend Beamten kontrollierten die Eingänge zur Piazza; die unmittelbar angrenzenden Straßen wurden zur „roten Zone“ erklärt und für jeglichen Verkehr gesperrt. Außerdem herrschte über dem Vatikan eine Flugverbotszone.

Als der Sarg erscheint, brandet Beifall auf

Bereits in den letzten drei Tagen, als der Leichnam Benedikts XVI. im Petersdom aufgebahrt war, hatten rund 160 000 Menschen dem ehemaligen Papst die letzte Ehre erwiesen. Zu nennenswerten Zwischenfällen ist es während der ganzen, fünf Tage dauernden Trauerfeierlichkeiten nicht gekommen.

Der Leichnam Benedikts war schon am Vorabend in einen Sarg aus Zypressenholz gelegt worden und gestern nicht mehr zu sehen. Als der Sarg um 8.50 Uhr aus dem Petersdom ins Freie und vor den Altar vor der Kirche getragen wurde, brandete auf dem Petersplatz Applaus auf und, wie bei der Beerdigung von Johannes Paul II. im Jahr 2005, auch „Santo-Subito“-Rufe, also die Aufforderung an den amtierenden Papst, den Verstorbenen umgehend heilig zu sprechen. Als die Träger den Sarg vor den Altar gelegt hatten, stand Benedikts langjähriger Vertrauter und Privatsekretär Georg Gänswein von seinem Platz auf, um mit einer besonderen Geste Abschied zu nehmen: Der Erzbischof beugte sich über den Sarg und küsste ihn.

Privatsekretär Gänswein küsst den Sarg

Zuvor hatte Gänswein für einen Misston gesorgt: In einem Interview mit der katholischen „Morgenpost“, das am Montag publiziert wurde, hatte er erklärt, dass es Benedikt XVI. „Schmerzen im Herzen“ bereitet habe, als Franziskus die unter ihm erfolgten Erleichterungen zum Lesen der Alten Messe (also in lateinischer Sprache) wieder rückgängig gemacht habe. Mit dieser Aussage hat Gänswein quasi im Namen von Benedikt XVI. den Nachfolger kritisiert – etwas, was der emeritierte Papst selber während der ganzen neun Jahre nach seinem Amtsverzicht nie getan hatte.

Benedikt XVI. hat kein böses Wort über Franziskus verloren, obwohl er vermutlich nicht mit jedem seiner Entscheide und jeder seiner Äußerungen einverstanden war. Die Aussage Gänsweins habe in der Kurie – zumindest unter den Anhängern von Franziskus – Irritationen ausgelöst, schrieben gestern die italienischen Medien.

Franziskus verneigt sich vor seinem Vorgänger

Nach der von Franziskus geleiteten und vom italienischen Kardinaldekan Giovanni Battista Re zelebrierten Totenmesse haben die Träger den Sarg von Benedikt XVI. um 10.45 Uhr wieder auf ihre Schultern gehoben, um ihn in die Petersbasilika zu tragen. Dabei kam es zu einer berührenden Szene: Franziskus, der gestützt auf seinen Gehstock vor dem Eingang der Kirche stand, hielt die Prozession auf, legte seine Hände auf den Sarg und segnete ihn. Dabei deutete er auch eine Verneigung vor seinem Vorgänger an.

Anschließend wurde Benedikt XVI. in der Krypta der Peterskirche beigesetzt. Seine letzte Ruhestätte fand Joseph Ratzinger, wie er es sich gewünscht hatte, im ehemaligen Grab von Johannes Paul II. Die sterblichen Überreste von Karol Wojtyla waren nach seiner Heiligsprechung durch Franziskus im Jahr 2014 in eine Seitenkapelle des Petersdoms transferiert worden.

Pontifikats-Urkunde mit ins Grab gegeben

Urkunde
 Ins Grab des früheren Papstes wurde auch das sogenannte Rogitum gelegt, die offizielle lateinische Pontifikats-Urkunde mit den wichtigsten Angaben zum Leben des Verstorbenen. In der Urkunde heißt es unter anderem, Benedikt XVI. habe den Dialog mit den Anglikanern, den Juden und den Anhängern anderer Religionen gefördert. Und, dass er „entschlossen gegen Verbrechen, die von Geistlichen an Minderjährigen oder schutzbedürftigen Personen begangen wurden“, gekämpft habe.

„Mythenbildung“
Die Opfervereinigung Eckiger Tisch sieht dies anders: In einer vor der Trauerfeier veröffentlichten Pressemitteilung hat sie die zur Beisetzung angereisten Delegationen aus Deutschland aufgefordert, sich auf die Seite der Missbrauchsopfer zu stellen. Sie sollten der „Mythenbildung“ über die Rolle des Verstorbenen in Bezug auf die Aufdeckung und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt durch Kleriker der katholischen Kirche entgegentreten.