Ein Tötungsdelikt in einem Ditzinger Flüchtlingsheim wird am Stuttgarter Landgericht verhandelt. Foto: picture alliance/dpa

Muss ein Somalier wegen Totschlags an einem Landsmann in einem Flüchtlingsheim in der Psychiatrie bleiben? Das wird am Landgericht verhandelt.

Der kräftige Mann mit dem Vollbart und dem orangefarbenen Poloshirt auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts spricht leidlich deutsch. Seit zehn Jahren ist er in Deutschland, und sein Weg hierher war alles andere als einfach, wie er den Richtern der 19. Großen Strafkammer zum Auftakt des sogenannten Sicherungsverfahrens erzählt.

In diesem soll geprüft werden, ob der 40-Jährige, der derzeit vorläufig im Zentrum für Psychiatrie in der Weissenau untergebracht ist, dort noch länger bleiben muss. Davon geht die Staatsanwaltschaft aus, die ihn wegen einer psychischen Erkrankung für gefährlich für die Allgemeinheit hält, und das Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart beantragt hat.

Fleischermesser mit 20 Zentimeter langen Klinge

Die Anklagebehörde wirft dem Somalier Totschlag an einem Landsmann an einem Abend Ende Februar dieses Jahres vor. Diesen aber soll der 40-Jährige im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben. Laut Anklage ist er mit seinem Mitbewohner, mit dem er in einer Flüchtlingsunterkunft in Ditzingen-Hirschlanden ein Zimmer zusammen bewohnte, in Streit geraten sein. Mit einem Fleischermesser mit einer Klingenlänge von 20 Zentimetern habe der Beschuldigte mehrfach auf sein Opfer eingestochen. Der Mann verstarb noch am Tatort starb. Die letzten fünf Stiche hätten mehrere Polizisten noch gesehen, die per Notruf alarmiert worden seien.

Die Tat räumte der 40-Jährige über seinen Verteidiger Sebastian Gauss unumwunden ein. Wie schon häufig zuvor habe sein Mitbewohner einen Streit angefangen, ihn schlecht gemacht und geschlagen. Da habe er Stimmen gehört, die ihm befohlen hätten, den Mann mit einem Messer zu erstechen.

Gegenüber dem vom Gericht bestellten Gutachter hatte der Somalier erklärt, der Mann gehöre zum Clan seiner geschiedenen Ehefrau. Diese habe den Mann animiert, ihn ständig zu provozieren und zu ärgern. Einmal sei er auch im Auftrag seiner Frau von mehreren Männern schwer verprügelt worden, dabei habe er einen Rippenbruch erlitten.

Seine Frau habe er auf der Flucht aus seinem Heimatland Somalia in Libyen kennengelernt. Seine Familie habe fliehen müssen, nachdem zunächst sein Vater, ein Bauer, 2006 von anderen Farmern nach einem Streit um Weideland getötet worden sei. Im Jahr 2009 sei dann die Terrormiliz Al-Shabab in sein Dorf gekommen und habe sie alle aufgefordert, sich ihnen anzuschließen, sonst würden sie getötet.

Mit Schleusern nach Deutschland

Über Äthiopien und den Sudan sei er nach Libyen gekommen, von wo aus er vier Fluchtversuche per Boot unternommen habe, bis er es nach Italien geschafft habe. Einmal sei ein Boot gekentert, tunesische Fischer hätten die Flüchtlinge gerettet. Von Italien aus sei er mit Schleusern über die Schweiz 2015 nach Deutschland gekommen. Mit seiner Frau habe er fünf Kinder, seit 2019 seien sie jedoch getrennt.

Für den Prozess sind drei weitere Verhandlungstage angesetzt, das Urteil soll am 18. August verkündet werden.