Die Asiatische Tigermücke kann gefährliche Krankheiten übertragen. Foto: CDC/James Gathany

Die tropische Tigermücke breitet sich aus, auch im Rems-Murr-Kreis. In Kernen geht die Gemeinde nun in die Offensive – mit Aufklärung, Aktionstagen und einem Modellprojekt mit Signalwirkung.

Anfang April in den ersten wärmenden Sonnenstrahlen – es surrt, es sticht, es nervt. Die Asiatische Tigermücke, ursprünglich aus den Tropen, hat sich im Rems-Murr-Kreis eingenistet. In Kernen wurde sie bereits mehrfach nachgewiesen. Nun geht die Kommune in die Offensive. „Die Tigermücke ist kein exotisches Kuriosum mehr, sie ist mitten unter uns“, warnt Bürgermeister Benedikt Paulowitsch – und lädt zur Bürgerinformation und Aktion.

Wie die Gemeinde Kernen mitteilt, beginnt das zweistufige Maßnahmenprogramm am Freitag, 11. April, mit einer Bürgerversammlung im Bürgerhaus Rommelshausen. Biologe und Mückenexperte Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Becker, laut der Gemeinde einer der renommiertesten Schnakenforscher Europas, wird dabei nicht nur die Biologie des blutsaugenden Plagegeists erläutern, sondern konkrete Tipps geben, wie Bürgerinnen und Bürger in ihren Gärten selbst aktiv werden können.

Straßenpaten gegen Stechattacken der Tigermücken

Bürgerinnen und Bürger lernen vor Ort, wie man Brutstätten erkennt, eliminiert und Nachbarn sensibilisiert. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Der zweite Teil der Offensive startet am Samstag, 12. April, mit dem Pilotprojekt „Straßenpaten“. Treffpunkt ist der Betriebshof in Rommelshausen – danach geht’s in die Gärten. Engagierte Bürgerinnen und Bürger lernen vor Ort, wie man Brutstätten erkennt, eliminiert und Nachbarn sensibilisiert. Kommunale Gebäude wie Einlaufschächte und Regenrückhaltebecken kommen ebenfalls auf den Prüfstand.

Paulowitsch setzt dabei auf gemeinschaftliches Handeln: „Nachbarn helfen Nachbarn – das ist unser Ansatz. Wenn wir auf Dauer bestehen wollen, brauchen wir viele Mitstreiter.“

Ein Stich der Tigermücke hat Folgen – auch ohne Virus

Doch was genau macht die Tigermücke so gefährlich? Zunächst einmal: ihr Verhalten. Im Gegensatz zur heimischen Stechmücke sticht sie tagsüber, ist hartnäckig, klein – und aggressiv. Ihre auffällige schwarz-weiße Musterung täuscht nicht: Sie kann tropische Viren wie Dengue oder Zika übertragen. Noch ist das Risiko einer Virusinfektion in Kernen gering – denn dafür müsste ein infizierter Mensch gestochen werden. Doch Experten warnen: Mit dem Klimawandel wächst nicht nur die Mückensaison, sondern auch das Übertragungspotenzial.

Tigermücke: Der Rems-Murr-Kreis im Brennpunkt

Kernen steht mit dem Problem nicht allein. Laut Informationen des Gesundheitsamts häufen sich auch in Waiblingen, Fellbach und Weinstadt die Sichtungen. Besonders der Ortsteil Rommelshausen aber gilt als Hotspot im Landkreis.

In benachbarten Regionen wie Kornwestheim oder Stuttgart-Weilimdorf klagen Bürger bereits, dass Balkone und Gärten kaum noch nutzbar seien. In Kornwestheim wurde der Befall 2024 erstmals flächig nachgewiesen. Die Stadt investierte 4500 Euro in Bti-Tabletten und Bürgeraufklärung. In Stuttgart rückte die Mähdachwiese in den Fokus der Gesundheitsämter – hier war die Tigermücke zuerst nachgewiesen worden, nun hat sie sich weiter ins Zentrum ausgebreitet.

Tigermücken nisten auch im Blumentopf

Die Herausforderung: Die Mücke ist kein Waldbewohner, sie lebt mitten unter uns. Blumentopfuntersetzer, Vogeltränken, alte Gießkannen – all das sind ideale Brutstätten. Ein paar Milliliter Wasser reichen. Ihre Eier sind hart im Nehmen: Trockenheit überstehen sie monatelang. Sobald Wasser nachläuft, schlüpfen die Larven.

„Mehr als 80 Prozent aller Brutstätten befinden sich in Privatgärten oder auf Balkonen“, bestätigt auch die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) mit Sitz in Speyer. Sie warnt: Ohne breite Beteiligung der Bevölkerung sei dem Problem nicht beizukommen.

Kernen als Vorreiter?

Mit dem neuen Straßenpaten-Konzept könnte Kernen nun Modellcharakter gewinnen. Das strukturierte Vorgehen – Information, Schulung, Aktivierung – erinnert an erfolgreiche Strategien aus dem Oberrheingraben. Dort verteilte die KABS bereits per Helikopter den biologischen Wirkstoff Bacillus thuringiensis israelensis (B.t.i.), der gezielt die Larven tötet.

Doch Luftschläge mit dem Hubschrauber wird es in Kernen nicht geben. Hier setzt man auf Bürger, die mit offenen Augen durch ihre Straße gehen – und vielleicht sogar mit Gießkanne und Bürste gegen die Brutstätten kämpfen.

Ausbreitung der Tigermücke: Sommer wird zur Nagelprobe

Die Wetterlage spielt der Tigermücke in die Karten. Der feuchte Frühling 2024 war ein Fest für Stechmücken, auch 2025 kündigt sich regenreich an. „Das perfekte Mückenjahr“, sagen Forscher – und schlagen Alarm.

Der Kampf gegen die Tigermücke ist ein Marathon, das betont auch Bürgermeister Paulowitsch. Wer dabei sein will, kann am 11. und 12. April direkt loslegen. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Tigermücke im Steckbrief

  • Name: Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus).
  • Größe: 2–10 mm (Weibchen größer als Männchen).
  • Aussehen: Schwarz-weiß gestreift, mit einem weißen Streifen auf Kopf und Rücken; Beine schwarz-weiß geringelt, Enden der Hinterbeine weiß.
  • Lebensdauer: Weibchen ca. 1–4 Wochen (bis zu 30 Tage).
  • Nahrung: Weibchen ernähren sich von Blut; Männchen und Weibchen saugen Nektar.
  • Aktivität: Tagaktiv, schnelle und lautlose Stiche.
  • Verbreitung: Ursprünglich Südostasien, mittlerweile weltweit durch Warenhandel und Reiseverkehr (z. B. Europa, Nordamerika).
  • Lebensraum: Flexible Brutstätten wie kleine Wasseransammlungen in Baumhöhlen, Regentonnen, Blumenvasen oder Altreifen.
  • Fortpflanzung: Weibchen legen 30–500 Eier; Entwicklung der Larven benötigt Wasser.
  • Übertragbare Krankheiten: Kann Viren wie Dengue, Chikungunya, Zika und Gelbfieber übertragen.

Ein kleiner Stich – ein großes Thema. Kernen rüstet sich. Und ruft zum kollektiven Kriegszug gegen die Mücke auf, die niemand eingeladen hat. Doch jetzt ist sie da. Und bleibt – wenn man sie lässt.

Veranstaltungen zur Tigermücke

Bürgerversammlung
Am Freitag, 11. April, lädt die Gemeinde Kernen zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung von 18.30 bis 20.30 Uhr ins Bürgerhaus Rommelshausen (Stettener Straße 18) ein. Der international anerkannte Biologe Norbert Becker erläutert in einem Fachvortrag die Lebensweise und Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke und gibt praktische Tipps zur Selbsthilfe im eigenen Garten. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, individuelle Fragen zu stellen.

Straßenpaten
Am Samstag, 12. April, findet von 11 bis 17 Uhr ein praktischer Aktionstag auf dem Gelände des Betriebshofs in der Seestraße 48 statt. Interessierte Bürgerinnen und Bürger werden geschult, Brutstätten der Tigermücke in ihrem Wohnumfeld zu erkennen und zu beseitigen. Dabei werden sie von wissenschaftlichen Fachkräften und Mitarbeitenden der Gemeinde begleitet. Das Ziel ist, das Wissen im Rahmen eines Straßenpaten-Konzepts weiterzugeben und dauerhaft zur Mückenbekämpfung im Quartier beizutragen.