Thomas Hertfelder leitete 28 Jahre lang als Geschäftsführer die Stiftung Theodor-Heuss-Haus. Jetzt tritt er ab – nicht ohne seinen gesammelten Erfahrungsschatz zu teilen. Dazu gehört auch die Widerstandsfähigkeit angesichts von Krisen.
Thomas Hertfelder sitzt in der Caféteria des Theodor-Heuss-Hauses vor einem Stapel Jahresberichte. Letztes Sortieren und Aufräumen. Es ist das Ende einer Ära: 28 Jahre lang stand der heute 65-jährige Historiker als Geschäftsführer an der Spitze der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus. In dieser Zeit hat er das Erinnern an Theodor Heuss aktiv gestaltet – und ist unter die „Häuslebauer“ gegangen. Das „Häusle“, so hat Theodor Heuss das Einfamilienhaus im Feuerbacher Weg im Stuttgarter Norden, selbst bezeichnet, in das er 1959 nach dem Ausscheiden aus dem Bundespräsidentenamt gezogen war und wo er bis zu seinem Tod am 12. Dezember 1963 lebte.
Als Hertfelder 1997 als Geschäftsführer der heute 15 Mitarbeiter zählenden Stiftung anfing, stand es schlecht um das „Häusle“ oder vielmehr: Es stand leer und musste dringend saniert werden. 2017 wurde es erneut umgebaut und bis 2023 auf den neuesten Stand gebracht. Die Hindernisse auf dem Weg dorthin haben in Hertfelder die Erkenntnis reifen lassen, dass die Realisierung selbst eines prominenten „Häusles“ in Deutschland unverhältnismäßig viel Zeit und Mühe kostet.
Rund 50 Veranstaltungen pro Jahr
Der Aufwand wird belohnt: 2024 besuchten rund 14 000 Interessierte das Häusle. „Eine erfreuliche Zahl, wenn man bedenkt, dass das Heuss-Haus nicht gerade zentral gelegen ist“, sagt Hertfelder. Er freut sich besonders über das wachsende Interesse von Schulklassen an Person und Wirken von Theodor Heuss, der in seinem 79-jährigen Leben zwei Weltkriege und unterschiedlichste Arten von Herrschaft erlebte: die Monarchie, die Weimarer Republik, die Terrorherrschaft der Nazis und nach deren Ende die Bonner Republik, die er als großer Liberaler mitgestaltete. Das Wechselvolle der Geschichte spiegelt sich auch in der Dauerausstellung im Heuss-Haus wider: „Das ,Nie wieder‘, die nachdrückliche Distanzierung von einer verbrecherischen Vergangenheit, bleibt dabei zentral“, betont Hertfelder, der gerne in prägnanten Sätzen spricht. Dazu gehört auch der Satz: „Der Liberalismus ist die DNA des Westens und nicht einfach nur das Monopol einer Partei.“ Gemeint sind gleiche staatsbürgerliche Rechte für alle, die auch für alle realisierbar sein müssen.
Zuversicht hat auch Theodor Heuss geprägt
Die Aufgabe des Liberalismus besteht für Hertfelder heute darin, „dass wir in der aktuellen Krise nicht dem Autoritarismus verfallen“. Mit Nachdruck wendet er sich gegen eine aufkommende Endzeitstimmung und gegen vermeintlich einfache Lösungen: „Es gibt keine autoritäre Krisenlösung“, sagt er und fügten einen weiteren Merksatz hinzu: „Demokratie hat die Fähigkeit zur Selbstkorrektur.“ Darin sieht Hertfelder auch die „Zuversicht“ begründet, die bereits Heuss geprägt habe, der in seinem Leben mit vielen politischen Krisen konfrontiert war: „Zuversicht ist nicht die schlechteste Leitvokabel“, sagt er – ohne damit Sympathien für einen Kanzlerkandidaten ausdrücken zu wollen, der aktuell mit „Zuversicht“ um Wählerstimmen wirbt.
Zuversicht hat für Hertfelder eine ganz praktische Seite. Ihm ist es wichtig, „die Krise der Demokratie zu bearbeiten“ – nicht, indem man ihre Kritiker pauschal „zu Feinden erklärt“, sondern die Diskussion mit denjenigen unter ihnen sucht, die für Gespräche zugänglich sind: „Reden hilft immer.“ Diese Erfahrung hat er bei dem Stiftungsprojekt „Neulandsucher Ost/West“ gemacht, wo Menschen aus Ost und West im ländlichen Raum Gemeinschaft stiften. Dass reden hilft, weiß Hertfelder auch aus dem Umgang mit Politikern: „Demokratie ist viel responsiver, als wir denken“, sagt er. Die Bundestagsabgeordneten hörten einem zu – man müsse sie nur ansprechen.
Das Heuss-Haus soll ein offenes Haus bleiben
An diesem Donnerstag tritt Hertfelder im Theodor-Heuss-Haus offiziell ab. „Zufrieden“, wie er sagt, und in dem Bewusstsein, das „Häusle“ baulich wie inhaltlich fast drei Jahrzehnte lang mitgeprägt zu haben. Sein Nachfolger Thorsten Holzhauser, der zusammen mit Bürgermeisterin Isabel Fezer und Ministerialdirektor Peter Schantz den Vorstand der Stiftung bildet, hat bereits klargemacht, wofür er steht: Er will das Theodor-Heuss-Haus „als offenes Haus für unsere liberale Gesellschaft“ erhalten.