Im blauen Licht: „Drei Schwestern“ vom Münchner Theaterkollektiv Die Wolken Foto: Veranstalter/Janina Kufner

Die Bunte Bühne in Fellbach feiert ein kleines Jubiläum: Zum 30. Mal gibt es das Festival im Jugendhaus. Zahlreiche internationale Ensembles sind mit dabei.

Was für eine Freude ist es insbesondere für junge Menschen, wenn sie ihre in vielen Proben einstudierte Darstellungskunst, ihre auswendig gelernten Sätze, ihre Verwandlungsfähigkeit, ihre Einblicke in innerste Gefühlswelten endlich der Öffentlichkeit preisgeben und dem Publikum zeigen können, was in ihnen steckt. Umso frustrierender, wenn sie all diese erarbeiteten Fähigkeiten über Jahre hin allenfalls vor einer Videokamera umsetzen können.

So ähnlich ist es vielen Künstlerinnen und Künstlern während der Pandemie gegangen, deshalb ist die Vorfreude groß bei all den jungen Akteuren aus verschiedenen Ländern, nun wieder am traditionellen Theaterfestival Bunte Bühne in Fellbach teilnehmen zu können. Zum mittlerweile 30. Mal treffen sich in die Ensembles aus dem In- und Ausland im Fellbacher Jugendhaus.

„Die Bunte Bühne steht für Vielfalt, für interkulturellen Austausch, für das Miteinander vor, auf und hinter der Bühne und für gegenseitige Akzeptanz“, erläutert die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull kurz vor der Eröffnung. Das von den Organisatoren ausgegebene Motto lautet „Stand United – Zusammenstehen“. Mit der anstehenden Ausgabe der Bunten Bühne „möchten alle Beteiligten ein Zeichen setzen: ein deutliches Zeichen gegen Krieg und Unterdrückung“, sagt Zull.

Sechs deutsch-französische Jugendbegegnungen

Sieben Theatergruppen aus fünf Nationen sind in den kommenden Tagen in Fellbach zu Gast. Mit dabei ist auch die Partnergruppe aus der Fellbacher Partnerstadt Tournon. Mit ihr verbinden die Akteure vom Theater im Polygon – der Name rührt von der vieleckigen Form des Fellbacher Jugendhauses her – eine innige Zusammenarbeit. Denn seit diesem Frühjahr gab es die bemerkenswerte Zahl von sechs deutsch-französischen Jugendbegegnungen auf Theaterebene. Da war die Zusammenarbeit mit dem Théâtre du Sycomore, die Kindergruppe aus St. Donat kam für einen Workshop beim Theaterfrühling nach Fellbach. Das Polygon war im Juli beim Shakespeare-Festival in Tournon und führte dort „Leonce und Lena“ von Georg Büchner auf.

Ein weiterer sommerlicher Höhepunkt war die Woche auf der Ebersberger Sägemühle – dem Bauernhof des Fellbacher Jugendhauses im Schwäbischen Wald –, als 13 junge Franzosen mit den Polygon-Akteuren an „Titus Andronicus“ nach William Shakespeare arbeiteten. Es waren Tage konzentrierter Arbeit an einem Stück über Macht, Gewalt und Unterdrückung mit jungen Schauspielerin aus Frankreich und Deutschland, inspiriert von Shakespeare, Botho Strauß und Heiner Müller. „Eine ganze Woche wurde täglich bis zu sechs Stunden an der Inszenierung gefeilt. Für ein bisschen Freizeitfeeling sorgten ein Ausflug an einen Badesee und nach Schwäbisch Hall“, berichtet Jugendhaus-Leiter Peter Stepan.

Theaterleiterin seit April 2021

Genau dieses im Sommer erarbeitete Stück ist nun am Samstagabend, 26. November, bei der Bunten Bühne als letzte Aufführung des Festivals zu sehen. Von Fellbacher Seite wesentlich mitentwickelt hat das Projekt die Leiterin des Theaters im Polygon, Sarah Schleehauf. Sie ist in dieser Rolle Nachfolgerin des im August 2020 verstorbenen Jugendhausleiters Peter Hauser, der quasi nebenher auch die Schauspieltruppe leitete. Ihm zu Ehren wird jetzt auch erstmals der mit 3000 Euro dotierte Peter-Hauser-Preis verliehen, die Übergabe an die Vertreter einer besonders herausragenden Inszenierung erfolgt am Samstagabend um 20 Uhr.

„Ich bin eigentlich reingerutscht hier“, sagt Sarah Schleehauf, die nach ihrem Realschulabschluss bereits eine Schauspielausbildung absolviert hat und die als zweite Leidenschaft den Gesang nennt. Als Frontfrau der Partyband V.I.P.S kommt sie auf 40 bis 60 Auftritte jährlich. Seit April 2021 ist sie nun ehrenamtliche Leiterin des Theaters im Polygon mit derzeit zehn bis zwölf Darstellern, einige mit sogenanntem Migrationshintergrund. Ansonsten ist sie ziemlich umtriebig, arbeitet als Erzieherin an der Anne-Frank-Schule, beim Elternkolleg oder an der Pop-Music-School.

Eines Tages hauptberuflich als Regisseurin zu agieren, das kann sich Sarah Schleehauf durchaus vorstellen. An Ideen für interessante Umsetzung der Stoffe mangelt es ihr jedenfalls nicht. „Man kann aus jedem Stück etwas ganz anderes machen“, meint sie. Das Stück „Leonce und Lena“ verlegte sie beispielsweise ins Fellbacher Wengertermilieu, am Ende verwandelten sich die Darsteller in Weingeister. Im 50-minütigen Stück „Im Schatten der Gasse“, nach Erzählungen von Suleman Taufiq, wird Arabisch und Deutsch gesprochen. Für „Titus Andronicus“ erfand sie eine Fantasiesprache.

Junge Leute seien mit Euphorie dabei

Einen „gewissen Ehrgeiz“ habe sie schon, besondere Inszenierungen zu gestalten, sagt Sarah Schleehauf. Allerdings „ist die Umsetzung, der Prozess bis dahin auch für die jungen Leute wichtiger und wertvoller als die Aufführung selbst“. Sie achte schon darauf, „wie zuverlässig jemand ist“ und dass ihre gelegentlich auch älteren Schützlinge „mit Euphorie dabei sind“. Natürlich, die ganze Probenarbeit für zwei oder drei Auftritte sei schon ganz schön anstrengend, „aber für unsere Darsteller ist das ein besonderes Ziel, für die ist das ein Highlight des Jahres“.

Das Programm der Bunten Bühne

Mittwoch, 23. November
Sarah Schleehauf, Regisseurin und Leiterin des Theaters im Polygon, stimmt um 19 Uhr mit einem Konzert auf die eine Stunde später beginnende offiziellen Eröffnung ein. Um 21 Uhr folgt das Stück „Im Schatten der Gasse“.

Donnerstag, 24. November
Zwei Theater aus Polen sind zu Gast. Bereits um 11 Uhr zeigt das Afera Dance Theater aus Warschau „To nie my/Das sind nicht wir“, um 16 Uhr ist GermTrupp aus Katowice mit „UnBeGrenzt oder Die einfache Güte“ zu sehen. Um 19 Uhr gibt es ein Konzert mit dem Quartett Bildschoner & Wolf, das Kollektiv Glitzerteer aus Basel bietet um 20 Uhr „Das Wartezimmer aufs Leben“.

Freitag, 25. November
Aus Tournon-sur-Rhône kommt das Théâtre du Sycomore um 11 Uhr mit „King Lear, ungefähr nach William Shakespeare“. Abends um 19 Uhr folgt ein Konzert mit Malon (Hip-Hop made in Fellbach). Das Theaterkollektiv Die Wolken aus München bietet dann um 20 Uhr „Drei Schwestern“.

Samstag, 26. November
Aus Rumänien kommt das Sigma-Art Theatre und bietet um 11 Uhr „Petrushka, The Whisper of my Soul“. Um 19 Uhr spielt der Wahlstuttgarter und Liedermacher Aljosha Konter. Die Verleihung des Peter-Hauser-Preises durch OB Gabriele Zull erfolgt um 20 Uhr, direkt danach ist die deutsch-französische Coproduktion „Titus Andronicus“ zu erleben.