Die Salonbesitzer in Stuttgart erhöhen ihre Preise, weil sie für Rohstoffe, Energie und Personal mehr Geld bezahlen müssen. Wie sie sich auf die Saison vorbereiten.
Die ersten Sonnenstrahlen seien immer die wichtigsten. Das sagt Claudio Estasi, der mit Tim Schaber die Eismanufaktur Claus mit angeschlossenem Deli in der Tübinger Straße betreibt. Zwar ist hier das ganze Jahr über geöffnet, aber die Saison hat mit dem Frühlingswetter diese Woche erst so richtig begonnen. Bei Claus machen in der Vitrine jetzt Wintersorten wie Zimt oder Spekulatius Platz für fruchtigere Varianten wie etwa Mango-Maracuja mit Granatapfel. Immer beliebter würden auch vegane Sorten wie Peanut-Crunch auf Sojabasis.
Die Kugel kostet bei Claus seit wenigen Tagen erstmals zwei Euro. Manche Rohstoffpreise seien „exorbitant nach oben gegangen“, sagt Estasi. Himbeeren könne man durch Erdbeeren ersetzen, aber Johannisbrotkernmehl brauche man nun mal für die Bindung. Deshalb habe man die Preise anpassen müssen. Dafür soll der Laden möglichst bald abends wieder länger geöffnet haben – so sich dafür das Personal findet. Viele der Studierenden, die hier sonst jobben, sind während des achtmonatigen Lockdowns in andere Branchen abgewandert. Die vergangenen zwei Jahre beschreibt Estasi als „ständiges Auf und Ab“.
Essbare Löffel statt Plastik
Esther Weeber von der Eisdiele Pinguin am Eugensplatz ist derzeit eindeutig im „Auf“. Das Pinguin hat wie jedes Jahr am ersten Montag nach den Faschingsferien aufgemacht. „Ich freu mich so, dass es endlich wieder losgeht“, sagt Esther Weeber, der ihr Weihnachtsmarktstand in der Winterpause sehr gefehlt hat. Sie und ihre Schwester Kerstin Weeber hätten sich lange überlegt, ob sie ihre Preise erhöhen können. „Alles wird teurer, und auf ein Eis kann man als Erstes verzichten“. Dennoch kostet die Kugel jetzt 1,50 statt 1,40 Euro, was in Stuttgart am unteren Ende der Preisskala ist. Wer dazu einen essbaren Löffel will – Plastik ist ja verboten – muss zehn Cent extra bezahlen.
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Wie hoch ihre Energiekosten in dieser Saison sein werden, kann Esther Weeber noch nicht abschätzen. Nur so viel steht fest: „Eine Eismaschine braucht furchtbar viel Strom“. Das Pinguin bezieht viele Rohstoffe aus Italien; wegen der hohen Transportkosten verlangten die Hersteller inzwischen eine Mindestabnahme, so die Salonbesitzerin. Und der Waffellieferant habe ihr geraten, möglichst viel Ware zu bestellen und einzulagern, erzählt sie. „Der Weizen kommt aus der Ukraine und es kann sein, dass es im Sommer gar keine Waffeln mehr gibt.“ Neue Eissorten nimmt sie vorerst nicht ins Programm. „Tutti Frutti“ ist ihr Sommerhit, der bald den „Amadeus“ mit Mozartkugelgeschmack ersetzen wird. Und Pistazie gibt es nur, wenn’s regnet.
Eis mit Kirschen aus der Region
Bei Old Bridge in der Bolz- sowie in der Eberhardstraße ist die sizilianische Pistazie der Renner und auch bei Sonnenschein im Angebot. „Wir sind Fans von klassischem, traditionellen Eis“, sagt der Chef Marc Westlein. Dieses Jahr will er zum ersten Mal ein Kirsch-Eis herstellen – mit Obst von einem Lieferanten aus der Region. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Kirschernte besser ausfällt als voriges Jahr. Sein Favorit ist Macadamianuss mit Crunch. Die kleinste Portion, die aus zwei Geschmacksrichtungen besteht, kostet bei Old Bridge seit vorigen Sommer 2,30 Euro. Westlein nennt das eine späte „Corona-Preiserhöhung“.
Neue Filialen sind bei ihm wie bei seinen Kollegen derzeit kein Thema. Westlein beschreibt die Lage so: „Wir schauen, dass wir den Fuß vom Gas nehmen und mit angelegten Ohren durch die Pandemie kommen. Die letzten beiden Jahre waren kein Zuckerschlecken.“ Was die Preise angeht, erinnert er an die 80er: „Wir sind alle zu Hägen-Dazs gerannt und haben ohne mit der Wimper zu zucken 2,50 Mark für die Kugel bezahlt.“
Milchfreie Sorten sind gefragt
Die meisten Eissalons setzen auf eine Mischkalkulation: Alle Sorten kosten gleich, egal ob sie in der Herstellung günstiger oder teurer sind. Joannis Nakos, der das Vana Eis in der Breitscheidstraße im Westen und in Fellbach betreibt, unterscheidet in normale und Premiumsorten, die 1,60 beziehungsweise 1,80 Euro die Kugel kosten – und damit zehn Cent mehr als im Vorjahr. Auch er versucht, zunächst „Normalität reinzubekommen“, bevor es an neue Kreationen geht. Der Chef selbst steht auf Cheesecake-Blaubeere oder Brownie-Himbeere.
Auch Francesco Troiano von der Gelateria Kaiserbau am Marienplatz hat die Hits von 2021 übernommen, als da wären Karamell, Milchreis und Marzipan. Außerdem würden milchfreie Sorten immer stärker nachgefragt, sagt er. Wer eine Sorte auf die Waffel gespachtelt haben möchte, zahlt seit diesem Jahr zwei Euro. Eine neue Geschmacksrichtung hat Troiano doch im Angebot – ausgerechnet Vanille. „Das habe ich viele Jahre lang boykottiert“, sagt er. Jetzt habe er eine Vanillepaste gefunden, die seinen Qualitätsansprüchen genüge.
Es ist eine Rückkehr zu den Wurzeln, wenn es stimmt, was Claudio Estasi vom Claus über die Vorlieben der Kunden sagt: „Erst kommen Schoko, Vanille und Erdbeere – und dann dürfen wir uns austoben.“