17 Menschen sind im Januar 2015 bei dem Terroranschlag gestorben (Archivbild). Foto: dpa/Rainer Jensen

Vom Prozess um den Anschlag auf das Magazin „Charlie Hebdo“ 2015 hatten sich die Angehörigen Aufklärung erhofft. Sie wurden enttäuscht. Einige Angeklagte präsentieren sich als Vorstadtkriminelle ohne Bezug zu Terroristen. Das nimmt die Staatsanwaltschaft den meisten nicht ab.

Paris - Im Prozess um den islamistischen Terroranschlag auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ hat die Staatsanwaltschaft am Dienstag lange Haftstrafen für die meisten Angeklagten gefordert. Einer der Hauptbeschuldigten, Ali Riza Polat, soll lebenslang ins Gefängnis, wie französische Medien übereinstimmend berichteten. Nach Auffassung der Anklage spielte er bei der Vorbereitung eine Schlüsselrolle. Polat soll insbesondere dem Attentäter Amédy Coulibaly nahegestanden haben, der nach dem Überfall auf das Magazin eine Polizistin erschoss und vier Geiseln in einem Supermarkt tötete.

Im Prozess um die Terrorserie vom Januar 2015 mit 17 Toten sind 14 Menschen angeklagt - drei von ihnen sind aber flüchtig. Vor einem besonders zusammengesetzten Gericht für Terrorfälle wird seit Anfang September nicht nur der Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ verhandelt, sondern auch die anschließende Attacke auf einen koscheren Supermarkt im Süden von Paris. Die drei Täter - die Brüder Chérif und Said Kouachi sowie Coulibaly - wurden damals von Sicherheitskräften erschossen.

Prozess unter hohen Sicherheitsvorkehrungen

Den Angeklagten wird vorgeworfen, in unterschiedlicher Weise bei der Vorbereitung der Anschläge geholfen zu haben. Einige sollen auch Mitglied in einer terroristischen Vereinigung gewesen sein. Der Prozess im Pariser Justizpalast findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Er war für etwa einen Monat unterbrochen, weil sich mehrere Angeklagte mit dem Coronavirus infiziert hatten. Zuletzt hatte Polats Gesundheitszustand die Wiederaufnahme verzögert. Er klagt unter anderem über andauernde Übelkeit.

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Ein Gutachten kam jedoch zu dem Schluss, dass er verhandlungsfähig ist. Polat spuckte nach Berichten daraufhin auffällig laut im Gericht in eine Schüssel oder legte sich auf seine Bank. Seine Verteidigung argumentiert, ihm werde eine ordentliche Behandlung verwehrt. Nebenkläger warfen ihm hingegen vor, zu simulieren. Generalstaatsanwalt Jean-Michel Bourles sagte nach einem Bericht des Senders Franceinfo, Polat habe die Rolle eines Vorstadtkriminellen gespielt, um vom Wesentlichen abzulenken. Er habe sogar geleugnet, als er „mit den Fingern im Marmeladenglas erwischt wurde“.

Haftstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslang gefordert

Lebenslange Haft verlangte die Anklage auch für den abwesenden Mohamed Belhoucine - ebenfalls ein Vertrauter Coulibalys. Er soll nach Syrien ausgereist sein. Vermutet wird, dass er bei Kämpfen ums Leben kam. Die ebenfalls abwesende Lebensgefährtin Coulibalys, Hayat Boumeddiene, soll für 30 Jahre ins Gefängnis. Sie soll sich ebenfalls nach Syrien abgesetzt haben. Auch bei ihr ist unklar, ob sie noch lebt.

Insgesamt forderte die Anklage Haftstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslang. Viele Angeklagten gaben zwar zu, auf unterschiedliche Weise in die Besorgung von Waffen, Autos oder anderer Ausrüstung verwickelt gewesen zu sein. Sie bestreiten jedoch, von den Terrorplänen gewusst zu haben. Die Urteile werden nächste Woche erwartet.