Novak Djokovic feiert seinen Sieg in Wimbledon und den 20. Grand-Slam-Titel – doch das ist nur ein Etappenziel für den Serben. Foto: dpa/Adam Davy

Novak Djokovic triumphiert im Turnier in Wimbledon über den Italiener Matteo Berrettini und feiert damit seinen 20. Grand-Slam-Erfolg. Das ist dem Serben aber noch nicht genug: Er will den Golden Slam.

Stuttgart/London - Der Anfang der Geschichte ist auf den 27. Januar 2008 datiert, auch wenn sich der damals 20 Jahre junge Tennisprofi Novak Djokovic bereits einige Jahre zuvor einen Namen in der High Society des Sports gemacht hatte und damals auf Platz drei der Weltrangliste weit oben zu finden war. Doch an jenem Sonntag im Januar besiegte der Serbe im Finale der Australian Open den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga mit 4:6, 6:4, 6:3, 7:6 und feierte seinen ersten Erfolg in einem Grand-Slam-Turnier.

Am 11. Juli 2021 hat Novak Djokovic die Geschichte veredelt. Mit 34 Jahren schlug er im Endspiel in Wimbledon den Italiener Matteo Berrettini 6:7, 6:4, 6:4, 6:3 – es war der 20. Triumph in einem Grand-Slam-Finale für den „Djoker“, und es war ein historischer: Mit Nummer 20 zog der Ordensträger der Republik Serbien mit den Spitzenreitern Roger Federer (Schweiz) und Rafael Nadal (Spanien) gleich. Einen Monat nach seinem Erfolg im Viertelfinalduell gegen den Italiener bei den French Open wackelte der große Favorit zwar einige Male, nachdem er den ersten Satz im Tiebreak verloren hatte – doch am Ende behielt er vor 15 000 Fans die Oberhand. „Die vergangenen zehn Jahre waren eine unglaubliche Reise, die nicht aufhört“, sagte der Sieger, „ein siebenjähriger Junge hat einst mit improvisierten Materialien eine Wimbledon-Trophäe gebaut. Und jetzt steht er hier mit seinem sechsten Titel.“

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20 Grand-Slam-Erfolge, viel mehr Ehre und Ruhm sind im Tennis fast nicht möglich. Natürlich gibt es noch das, was man gemeinhin als Grand Slam kennt, den Triumph in den vier bedeutendsten Turnieren innerhalb eines Kalenderjahres. Djokovic steht kurz davor, dieses Jahrhundertwerk zu errichten – die Australian Open, die French Open und Wimbledon hat er 2021 gewonnen, es fehlt nur noch der Sieg bei den US Open im September in Flushing Meadows. Damit wäre der Serbe der (zumindest nach Erfolgen) größte Spieler, den die Tenniswelt je gesehen hat. Bislang konnten erst zwei Herren dieses Meisterwerk vollenden – Donald Budge aus den USA 1938 und der legendäre Australier Rod Laver 1962 und 1969. Doch zu deren Zeit herrschte nicht dieser erbarmungslose Leistungsdruck und diese perfektionistische Professionalität im Tenniszirkus wie im 21. Jahrhundert. Es kommt der Quadratur des Kreises gleich oder der Erfindung des Perpetuum mobiles. „Ich denke, dass alle vier Grand Slams in einem Jahr zu gewinnen, unmöglich ist“, sinnierte Nadal schon 2013, „um diese Turnieren zu gewinnen, muss man Roger Federer, David Ferrer, Andy Murray und Novak Djokovic schlagen. Es ist unmöglich, immer bei 100 Prozent zu sein. Wenn dein Niveau aber niedriger ist, wirst du gegen sie verlieren.“ Der Spanier jubelte 2010 zwar in Paris, London und New York, ihm fehlte jedoch der Sieg in Melbourne.

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Novak Djokovic kann offenbar immer 100 Prozent bringen, er scheint das Perpetuum mobile der Tenniswelt zu sein. Der Grand Slam ist greifbar, mehr noch: der Golden Slam. Der Triumph in den großen vier Turnieren garniert mit olympischem Gold. Steffi Graf hat es 1988 vorgemacht, bis heute war niemand in der Lage, es der Deutschen gleich zu tun. Eine einmalige Geschichte, da waren sich viele Experten einig. Doch nun kommt Dominator Djokovic. „Ich habe einige Dinge erreicht, von denen viele Leute dachten, dass sie für mich nicht möglich wären“, sagte der Star aus Belgrad nach seinem Triumph in Paris, „alles ist möglich, und ich habe mich in eine gute Position gebracht, um den Golden Slam zu gewinnen.“

Widerspruch wäre zwecklos und völlig ungerechtfertigt. Denn die großen Widersacher stehen nicht mehr so im Saft wie die aktuelle Nummer eins der Szene. Nadal ist ein Jahr älter und oft verletzt, Federer steht mit 39 kurz vor dem sportlichen Ruhestand.

Djokovic führt die Weltrangliste 328 Wochen an

Djokovic besitzt das Potenzial dazu. Er ist der erste Spieler seit Einführung des Profitennis 1968, der alle vier Grand-Slam-Turniere mindestens zweimal gewonnen hat. Er konnte Federer dreimal in dessen Wohnzimmer Wimbledon besiegen und Nadal zweimal bei dessen Sandplatz-Wochen in Paris. Und noch etwas: Djokovic stand als Einziger bei jedem Grand Slam mindestens sechsmal im Endspiel – der Mann, der in Summe 328 Wochen die Weltrangliste anführt, hat keinen Zitterbelag. Auf Hartplatz ist Djokovic die Nummer eins der großen Drei, auf Sand die zwei hinter Nadal, auf Rasen mindestens die zwei. Das Olympia-Turnier in Tokio wird auf Hartplatz (Finale am 1. August) gespielt, die US Open (Finale am 12. September) ebenfalls. Es sieht so aus, als habe man die Dramaturgie ganz auf Novak Djokovic zugeschrieben.