Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer und Pia Jungbauer (rechts) im neu eingerichteten Wangener Taubenschlag. Foto: Mathias Kuhn

Im Wangener Rathaus herrscht noch mehr Leben: Im Dachgesch0ss wurde ein Taubenhotel eingerichtet. Ehrenamtliche Tierschutzmitglieder betreuen die Tauben, füttern sie und kontrollieren die Zahl der Eier.

Wangen - Wangens Bezirksvorsteherin Beate Dietrich hat neue Untermieter. Unter ihrem Rathausdach logieren seit einigen Wochen Tauben. Auf die Idee zum Taubenhotel im Obergeschoss kam Dietrich durch einen Film. Immer wieder beschwerten sich Anwohnerinnen und Anwohner über den Dreck und den Kot, die die Vögel auf den Plätzen oder Gehwegen hinterlassen. Vor allem rund um den Marktplatz, in der Helfensteiner Straße und bis vor Kurzem auch am Rinkenberg versammeln sich die Vögel. „Ich muss gestehen, dass ich die Tiere früher auch als unangenehm empfand“, sagt Dietrich. Nachdem sie den Film über die Tauben und über die Arbeit der Tierschützer in ehrenamtlich betreuten Taubenschlägen gesehen hatte, suchte sie nach Möglichkeiten im Wangener Ortskern und entdeckte den eigenen Arbeitsplatz. Das Rathaus musste renoviert werden, wieso nicht die alte Bühne als Tauben-WG ausbauen? „Das Liegenschaftsamt und die Denkmalschutzbehörde hatten keine Bedenken“, sagt Dietrich. Von Pia Jungbauer, der professionellen Taubenmanagerin im Amt für öffentliche Ordnung, erhielt sie sofort Unterstützung. Um die Zahl der Stadttauben in den Griff zu bekommen, arbeitet die Landeshauptstadt seit zwölf Jahren eng mit den Tierschützern zusammen. Gemeinsam haben sie auch den Ausbau der Wangener Rathausbühne zum Taubenhotel konzipiert.

„Ein Schreiner passte die Holzkammer unterm Dach ein und zimmerte die quadratischen Appartements an die Innenwand“, sagt Jungbauer. 56 Brutnischen für die in Schwärmen friedfertig lebenden Stadttauben, deren wilde Vorfahren in Felsnischen brüteten. Vor wenigen Wochen sind die ersten Tauben eingezogen. „Die ersten Paare haben sich auch bereits gefunden. Sie haben sich in einem der Appartements eingenistet und beginnen zu brüten“, sagt Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer. Die ehrenamtliche Taubenbeauftragte des Stuttgarter Taubenprojektes wertet die Maßnahme als erstaunlichen Erfolg. „Den Vögeln scheint es, hier zu behagen. Sie beginnen zu brüten.“

Für die Taubenwärtinnen und Taubenwarte, die das Wangener Projekt ehrenamtlich betreuen, bedeutet dies, ein Auge auf die Nester zu haben. „Ziel des Taubenprojekts ist es nämlich, das Ausbrüten der befruchteten Eier zu verhindern“, so Brucklacher-Gunzenhäuser. Die Zahl der Tauben wird durch Geburtenkontrolle reguliert. Die Taubenfreunde tauschen die von den Tauben gelegten Eier gegen Kunststoffeier, die den „echten“ Eiern täuschend ähnlich sehen, aus. Sofern sie handgewärmt sind, nehmen die Eltern die Kunsteier an und versuchen diese auszubrüten. In Städten – beispielsweise im Hauptbahnhof, unter den Neckarbrücken oder den Stadtbahndurchlässen – brüten die domestizierten Tauben bis zu sechs Mal im Jahr. Schließlich finden sie genügend weggeworfenes Fressen oder sie werden sogar – verbotenerweise – gefüttert. Im Taubenschlag wird die Brut unterbunden, die Aufzucht der nächsten Generation verhindert.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Tauben den angebotenen Schlag als ihren Standort akzeptierten. Dieses Heimatgefühl bilden die knapp 20 Vögel unter Dietrichs Rathausdach gerade aus. „Wir haben hier Tauben angesiedelt, die Bürgerinnen und Bürger aus Stuttgart einst zu uns gebracht haben. Sie waren teilweise verletzt, manche mussten wir aufpäppeln“, sagt Brucklacher-Gunzenhäuser. Noch sind die beiden Einfluglöcher ins Freie versperrt. „Wir werden sie vermutlich erst im Januar öffnen. Solange dauert die Eingewöhnungsphase“, sagt Taubenmanagerin Jungbauer. Die Hoffnung der Vogelschützer: Die Rathaustauben vergesellschaften sich mit jenen Wangener Artgenossen, die den Anwohnern auf den Wecker gehen, machen ihnen das Domizil unterm Rathausdach schmackhaft und „überreden“ sie zum Umzug. Bis zu 150 Tiere könnten dort wohnen.

In Wangen übernehmen zurzeit drei ehrenamtliche Taubenwarte die Betreuung. Täglich wird der Kot auf dem Dachboden entfernt, den Tieren Körner und Wasser angeboten und die Eiablage kontrolliert. „Wir würden die Betreuung aber gerne auch auf mehr Beine stellen“, sagt Brucklacher-Gunzenhäuser, die selbst die Wochenenddienste übernimmt.

Wer sich für die Tauben engagieren will, kann sich unter silvie@brucklacher.com melden.