Die Tanzlehrer führten die Neulinge zuerst in den Tanz namens Lindy Hop ein. Foto: Eibner/Lars Neumann

Lindy Hop mit Rock-Step, Kick-Step und rudernden Armen: Beim Swing-Workshop samt Bigband feiern am Samstagabend Tanz-Fans aus der ganzen Region ein Revival des Tanzstils der 1930er und 1940er Jahre.

An diesem Abend tummelt sich in der Festhalle Altdorf eine illustre Gesellschaft: Man sieht Herren in weißen Hemden mit Hosenträgern und Fliege und Damen in Midi-Röcken und eleganter Bluse oder Polka-Dots-Kleidern, aber ebenso Jung und Alt in bequemen Jeans und T-Shirts. Sie alle sind gekommen, um die Swing-Kultur aus den 1930er und 1940er Jahren wieder aufleben zu lassen, samt Tänzen wie Lindy Hop und Balboa. Organisiert wird der Abend von der Kulturinitiative Altdorf, mit dabei sind auch die Tanzlehrer und Show-Tänzer Franky Doo sowie die Bigband Majam der Hochschule für Medien in Stuttgart.

Die Idee dazu hatten Achim Stohr und Hansjörg Baisch, dessen Tochter Rebekka Jentzsch bei Majam Tenorsaxofon spielt. „Ich tanze auch selber Lindy Hop“, sagt Stohr. Sie warben in Stuttgart und Tübingen, wo es die Swing-Vereine SwingKultur und SwingZeit gibt, und lockten so viel junges Publikum nach Altdorf.

Tanzlehrer Franky Doo ist im Swing-Fieber

Bevor Majam loslegt, führen die Tanzlehrer Franky Doo und Clara Roth, beide übrigens ursprünglich aus Leonberg stammend, Neulinge in den Lindy Hop ein. Alle versammeln sich in einem Kreis um das elegante Tanzpaar und nehmen eine Art Jockey-Stellung ein. „Wir wippen uns erst mal in den Swing ein“, sagt Franky Doo. „Es geht immer schön in den Boden“, erklärt er. Dann zeigt er die Grundschritte, so den Rock-Step, ein Wippschritt nach hinten, und den Kick-Step, ein Schritt mit ausgedrehter Ferse und schwingender Hüfte nach vorne. Außerdem zeigt Franky Doo einen Schritt, wo man mit Armen rudernd auf der Stelle rennt. „Das sagt mir was“, murmelt ein Tanzschüler und erwähnt die Serie „Babylon Berlin“.

Tanzlehrer Franky Doo ist selbst großer Swing-Fan. Foto: Eibner/Lars Neumann

In „Babylon Berlin“ und auf vielen nationalen und internationalen Events hat auch Showtänzer, Tanzlehrer, Swing-DJ und Entertainer Franky Doo schon getanzt und aufgelegt, seit 2010 unterrichtet er in Heidelberg und Stuttgart. Das Swing-Fieber packte ihn, als ihm eine Freundin eine Szene aus dem Musical-Film „Hellzapoppin“ von 1941 mit Hinweis auf einen Tanzkurs zuspielte.

Swing-Elemente kann man sogar in Drum’n’Bass, Hip Hop und Commercial Dance (Tanz in Shows, Musikvideos oder der Werbung) entdecken: „Wenn man das Vokabular kennt, entdeckt man die Elemente überall“, so Franky Doo. Seine Überzeugung ist es, dass Tanzen „sehr viele Spannungen“ reduzieren könnte. Seine Tanzpartnerin Klara Roth führt das Revival von Swing und Paartänzen ganz allgemein darauf zurück, dass man im Alltagsleben „zu viel körperlichen Abstand“ habe.

Koordinationsvermögen ist beim Swing gefragt

Lindy Hop kann man allein tanzen oder zu zweit. Ob Männlein mit Weiblein oder Männlein, bleibt dem Tänzer überlassen. Schließlich hatten auch die G.I.s im Zweiten Weltkrieg selten eine Tanzpartnerin zur Hand. Der Leader ergreift die Initiative, der Follower lässt sich führen. Die beiden Partner tanzen Seite an Seite mit der Hand hinter dem Rücken des anderen in einer leicht geöffneten V-Position. Bei den Kick-Steps ist Koordinationsvermögen gefragt, denn man tritt direkt zwischen die Füße des Partners. Die Teilnehmer sind eifrig bei der Sache und Franky Doo führt Drehungen ein.

Die Band Majam lockt eine Menge Paare auf die Tanzfläche. Foto: Eibner/Lars Neumann

Dann folgt eine Hörübung, denn beim Swing wechseln sich mehrere acht-Schlag-Ketten und sechs Schläge ab. Bei letzteren haben die Tänzer Gelegenheit zu allerlei Gimmicks, wie Ausfallschritte nach vorn und Kopfrucken wie ein Hühnchen.

Dann hat endlich die große Big Band Majam ihren Auftritt. 2017 gegründet hatte sie vor der Pandemie schon häufiger Swing-Events begleitet. Die Kulturinitiative Altdorf möchte mit der Veranstaltung Majams Swing-Aktivitäten wiederbeleben. Im Laufe des Abends präsentiert die Band eine Menge Swing-Klassiker wie „It Don’t Mean a Thing“, „Sing, Sing, Sing“ oder „Mack the Knife“. Das Programm reichert sie mit Super-Mario-Stücken und Nirwana an. Und nicht zu vergessen ist „Zu Asche, zu Staub“ aus „Babylon Berlin“ zu hören. Die Band lockt eine Menge Paare auf die Tanzfläche und es wird ein langer, beschwingter Abend.

Musik und Tanz

Ursprünge
Swing stammt ursprünglich aus den 1930er und 1940er Jahren und ist von Afro-Rhythmen der Yoruba und Bantu und zugleich von Marschmusik europäischer Einwanderer beeinflusst. Die dazu gehörigen Tänze entwickelten sich in den Ballsälen New Yorks und enthalten Elemente aus Jazz- und Stepptanz, Charleston und Break Away (Line-Dance).

Tänze
Der bekannteste Swing-Tanz namens Lindy Hop entstand im Savoy Ballroom in Harlem und ist nach Charles Lindbergh benannt, der 1927 erstmals in einem Nonstop-Flug von New York nach Paris den Atlantik überquerte. Ein verwandter Tanz ist der Charleston, den isolierte Körperbewegungen prägen. Sein Name leitet sich von der Melodie „The Charleston“ von 1923 im Broadway-Musical „Running Wild“ her. Weitere Swing-Tänze sind der sogenannte Balboa mit engem Paartanz und der schnelle Collegiate Shag, der auf frühen Foxtrott-Schritten basiert. Die Tänze werden auch gerne untereinander kombiniert. Swing-Tänze sind Vorläufer von Jive, Boogie-Woogie und Rock’n’Roll.

Aufschwung
Das Revival des Swing nahm in den 1980er Jahren in Schweden seinen Anfang, dort gibt es das berühmte, fünfwöchige Herräng-Tanz-Festival. Von dort aus verbreitete sich die neue Liebe zu diesem Tanzstil in zahlreichen Großstädten rund um den Globus.