Wenn wieder gestreikt wird, warten die Fahrgäste vergeblich auf ihren Zug. Foto: dpa/Jens Büttner

Im Streit zwischen dem Verkehrsunternehmen SWEG und der Gewerkschaft GDL geht es um Tarifverträge – und bisweilen um die Jobs der Fahrgäste.

Langsam hat Heike Roth (Name geändert) keine Geduld mehr. An diesem Morgen hat sie zwei Stunden gebraucht, um zur Arbeit zu kommen. Sonst fährt sie 20 Minuten mit der Bahn. Wie sie am Abend wieder nach Hause kommen soll, weiß sie noch nicht. „Wenn ich daran denke, wird mir schon schlecht“, sagt sie. Seit September leidet sie unter dem Tarifkonflikt zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Südwestdeutschen Landesverkehrs GmbH (SWEG) . „Das ist langsam nicht mehr lustig“, sagt Roth.

Auseinandersetzung mit dem Chef

Die SWEG transportiert im Jahr 76 Millionen Fahrgäste – sofern ihre Züge fahren. Zuletzt war das öfter nicht der Fall, da die Lokführer für einen Tarifvertrag streiken. Auch über den Jahreswechsel. Da ist Heike Roth der Geduldsfaden gerissen. „Wegen der Ausfälle bin ich 60 Stunden im Minus, und mein Chef sagt, es geht ihm mittlerweile gegen den Strich“, erzählt die Frau aus Bietigheim. Sie ärgert, dass der Konflikt der Gewerkschaft mit dem Bahnunternehmen auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen werde und Arbeitsplätze daran hängen – etwa ihrer.

Jeden Morgen fährt Roth normalerweise mit einem Zug der SWEG nach Mühlacker, um dort in einer großen Firma in der Produktion zu arbeiten. Homeoffice geht bei ihrem Job nicht. Wenn die 57-Jährige Auto fahren könnte, hätte sie die Bahnreisen schon lange hinter sich gelassen, sagt sie. Aber wegen einer körperlichen Einschränkung kann sie keinen Führerschein machen.

Stattdessen zahlt Heike Roth 134 Euro für ihre Monatskarte. Und hat dafür viel Stress. „Manchmal sieht es in der App so aus, als könnte ein Zug fahren, aber bis ich dann am Bahnhof bin, fällt er doch aus. Und dann steht man stundenlang in der Kälte am Bahnhof und wartet, ob irgendwann doch ein Zug kommt“, erzählt sie. Die Streiks seien oft so kurzfristig, dass sie sich im Vorfeld keine Alternative für den Arbeitsweg organisieren könne. Es ist ihr ein Anliegen, die Probleme der Fahrgäste öffentlich zu machen, deshalb erzählt sie ihre Geschichte. Denn wenn Roth wegen der vielen Verspätungen Ärger im Geschäft hat, sei das ihr Problem. Dafür hielten SWEG oder GDL nicht den Kopf hin.

1,50 Euro Entschädigung für eine Stunde

Erstattung von 1,50 Euro je Stunde

Was allerdings rechtlich möglich ist, sind finanzielle Entschädigungen für die Kunden. So schreibt die SWEG selbst auf ihrer Homepage, dass Kunden bis zu 25 Prozent des Fahrpreises erstattet bekommen, wenn sie mindestens eine Stunde zu spät am Ziel ankommen. Bei einer Monatskarte für den Nahverkehr werden in dem Fall pauschal 1,50 Euro erstattet. Die Verspätungsfälle sollen nach Ablauf der Wochen- oder Monatskarte gesammelt bei der SWEG eingereicht werden, um die Entschädigung geltend zu machen. Es wird aber auch gleich vermerkt, dass Entschädigungsbeträge unter vier Euro nicht ausgezahlt werden.

Mit den Streiks, zu denen die GDL aufruft, möchte die Gewerkschaft einen Tarifvertrag erwirken und zwar für die Eisenbahner der SWEG-Tochter SBS (SWEG Bahn Stuttgart GmbH) und des gesamten SWEG-Konzerns. Die SWEG lehnt das ab und betont, dass sie die SBS auch nicht dauerhaft übernehmen wolle. Die SBS war Ende 2021 in finanzielle Schieflage geraten. Die landeseigene SWEG hatte das Unternehmen daraufhin für zunächst zwei Jahre übernommen.