Moni bei ihrem ersten Ausflug ins Wilhelma-Außengehege der Menschenaffen. Foto: z/Amy Parish/Amy R. Parish

Die beiden Stuttgarter Orang-Utan-Damen Karo und Moni sind in ihr Altersdomizil in einem belgischen Zoo wohlbehalten angekommen. Ihre Tierpflegerin schildert, wie es ihnen dort geht und worauf sie sich freuen können.

Moni (44) und Karo (48) haben die angestammte Heimat ihrer Art nie gesehen: die Insel Sumatra, die sechstgrößte Insel der Welt, bewachsen mit den letzten großen Regenwäldern Südostasiens. Vor einigen Tagen haben die in der Wilhelma geborenen Sumatra-Orang-Utans ihre erste und ihre letzte Reise angetreten, denn sie werden ihren Lebensabend im Zoo Planckendael im belgischen Mechelen verbringen. Bea Jarczewski, ihre Tierpflegerin, hat sie auf ihrem Weg dorthin begleitet.

Keine Gesichtsmimik lesbar

„Ich betreue die Tiere seit 25 Jahren“, sagt die Leiterin des Menschenaffenreviers. „Orang-Utans sind uns sehr ähnlich, man baut schnell eine Bindung auf, und deshalb war das jetzt wie eine Trennung.“ Wie es die Tiere aufgenommen haben, ließe sich schwer sagen: „Orang-Utans fehlt die Gesichtsmimik, die man lesen könnte, denn die brauchen sie als Einzelgänger im Dschungel nicht.“

Am Abend vor ihrer Abreise sind die Tiere in der Wilhelma sediert und in Transportboxen gelegt worden. Früh am Morgen hat der Transport Bad Cannstatt verlassen und Belgien nach rund vier Stunden erreicht. Der Artgenosse Batak, der den beiden Stuttgarterinnen ein halbes Jahr Gesellschaft geleistet hat und aus dem Hamburger Tierpark Hagenbeck stammt, ist in den Safaripark Monde Sauvage bei Lüttich umgezogen, die beiden Damen kamen nach rund fünf Stunden im Zoo Planckendael an.

Schauen, hören, grübeln

„Für Moni und Karo war das der erste Transport, die beiden Mädchen waren dafür erstaunlich ruhig und haben die Zeit in der Transportbox gut überstanden“, sagt die 43-jährige Tierpflegerin. Sie seien zunächst im nichtöffentlichen Bereich des Geheges freigelassen worden. „Die sind gleich rausgekommen, haben sich neugierig umgeguckt und ihre neuen Pfleger gemustert.“ Einen Tag später öffneten die Pfleger erstmals den Zugang zu dem tropischen Innengehege. „Die Moni hat gleich neugierig rausgeguckt, sich dann aber wieder zurückgezogen, als sie die Zoobesucher gesehen hat. Es gehört zum Wesen der Orang-Utans, dass sie alles ganz genau beobachten und darüber grübeln, was sie gesehen oder gehört haben.“

Eine Ära ging zu Ende

Mit dem Auszug der drei Orang-Utans endet nach 60 Jahren die Haltung der asiatischen Menschenaffen in der Wilhelma. 1962 waren die ersten Wildfänge dort untergebracht worden, unter ihnen der Orang-Utan Buschi, der 51 Jahre alt geworden ist und damit den europäischen Altersrekord unter Sumatra-Orang-Utans aufgestellt hat. Zuletzt lebten die Orang-Utans als Untermieter bei den afrikanischen Menschenaffen. Deren Anlage ist auf Flachlandgorillas ausgelegt, Orang-Utans hingegen sind Baumbewohner und hangeln sich gern von Ast zu Ast. „Wir schließen dieses Kapitel mit einem Happy End für die Tiere in Zoos, die für Orang-Utans geeignetere Gehege haben als unser Provisorium. Es wird ihnen dort gut gehen“, sagt Direktor Dr. Thomas Kölpin.

Dschungelfeeling für Moni und Karo

Davon hat sich Bea Jarczewski überzeugt. „Ihr neues Gehege ist wirklich toll, so ähnlich wie das Amazonashaus bei uns in der Wilhelma“, sagt Bea Jarczewski. Auch mit den neuen Pflegern hätten Moni und Karo Kontakt aufgenommen, „die holen sich schon Leckerlis von ihnen ab, das sind sehr kontaktfreudige Mädels“. Außerdem hätte keine die Haare am Kopf aufgestellt – bei den Orang-Utans ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihnen etwas nicht passt.

Der Zoo Planckendael gibt dafür keinen Anlass: Die Innengehege stehen inmitten eines indonesischen Dschungels mit weißen Gibbons, Nashornvögeln, Grauottern und roten Pandas, mit Feigen-, Banyan- und Carambo-Bäumen, Kokospalmen, Bananenstauden und Orchideen. Sie sind mit einem natürlichen und festen Boden ausgestattet, der das Wachstum von Bambus und Gras fördert. „Es gibt regelmäßige Monsunregen, die einerseits die Plantage bewässern, der Pflege von Haut und Fell der Orang-Utans dienen und eine bereichernde Überraschung für Tiere und Besucher sind“, so die Kuratorin Sarah des belgischen Zoos. Jederzeit könnten sich die Tiere in einen hinteren, nicht einsichtigen Bereich zurückziehen – oder nach draußen gehen. Draußen erwarten Moni und Karo vier kleine Inseln, die mit 14 Meter hohen Baumstämmen und Seilen dem Kletterdrang der Orang-Utans entgegenkommen.

Die Stuttgarter Neuzugänge haben sich bis jetzt noch nicht getraut, ihr neues Zuhause zu erkunden. „Wir folgen dem Rhythmus der Tiere und lassen ihnen die Wahl, wo sie sich lieber aufhalten“, heißt es vonseiten des Zoos. Die Stuttgarterinnen könnten aber bereits die anderen Orang-Utans sehen. An Vilmos, einem jungen Männchen aus Bratislava, ebenfalls ein Neuzugang, seien sie jedenfalls sehr interessiert.

Eine Fortsetzung der Orang-Utan-Haltung kann sich Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin nur auf gehobenem Standard vorstellen. Die Wilhelma unterstützt aber die Wiederaufforstung auf der Insel Borneo, damit den vom Aussterben bedrohten Waldmenschen – so lautet die Übersetzung von Orang-Utan – Lebensraum zurückgegeben werden kann. Noch soll es dort etwa 54 000 wild lebende Tiere geben. Für Bea Jarczewski geht die Arbeit in Stuttgart ohne Orang-Utans, aber mit 20 Bonobos und elf Gorillas weiter. „Das ist keine Arbeit, sondern man verbringt viel Zeit mit guten Freunden.“